Robert Treichler Rechtsaußen, garstig, sucht
Heute schon Angstlust verspürt? Hier, bitte: Die europäischen Rechtspopulisten/Rechtsaußen/Rechtsextremen sind gerade dabei, eine Allianz für die Europawahl im kommenden Jahr zu basteln. Marine Le Pen, die Vorsitzende der französischen Partei Front National (FN), traf vergangene Woche zu diesem Zweck Geert Wilders, Chef der niederländischen Partei für die Freiheit (PVV). Gelingt es dem Bündnis, im Mai 2014 insgesamt mindestens 25 Sitze, verteilt auf mindestens sieben Mitgliedstaaten, zu erlangen, könnten die Gruseligen eine Fraktion bilden. Das bringt mehr Redezeit, bezahlte Fraktionsmitarbeiter und den Anspruch, Ausschussvorsitzende zu stellen.
Wer darf da nicht fehlen? Die FPÖ.
Und schon dreht sich das Panikkarussell: In Frankreich warnen die Besorgten vor einer Kooperation mit der berüchtigten FPÖ, in den Niederlanden vor dem antisemitischen Front National, und in Österreich vor einer Heimsuchung durch europäische Rechtsextreme. Denn Funktionäre mehrerer Rechtsaußen-Parteien trafen sich kürzlich in Wien (profil 46/2013), um Modalitäten der Zusammenarbeit auszuhecken. Der Grüne Nationalratsabgeordnete Harald Walser hielt den Freiheitlichen deshalb vor, damit ganz Österreich anzupatzen.
Damit hat er nicht Unrecht. Gäbe es die FPÖ nicht, wäre Österreichs Ruf im Ausland überhaupt besser.
Doch in einer Demokratie kann man sich die politischen Strömungen weder zuhause noch im Ausland aussuchen, und wenn die Garstigen beschließen, sich zu verbünden, kann ihnen das auch niemand verbieten. Aber müssen wir uns tatsächlich fürchten, wenn Marine, Geert, Heinz-Christian und noch ein paar politische Schmuddelkinder aus Belgien, Skandinavien und Osteuropa ausprobieren, wie schlüssig grenzübergreifender Ausländerhass als politisches Programm sein könnte?
Nein. Erstens wird die Fraktion, falls sie je zustandekommt, nicht eben riesig sein und außerdem in wichtigen Fragen ziemlich allein dastehen.
Zweitens, und das ist der etwas überraschendere Aspekt, gibt es auch unter den politisch Anrüchigen so etwas wie einen zivilisatorischen Fortschritt. Doch, doch. Längst haben Marine Le Pen und Heinz-Christian Strache eingesehen, dass Antisemitismus in ihren Reihen ihre Wahlchancen stark einschränkt. Marine Le Pen musste sich dazu immerhin öffentlich von ihrem Vater und Vorgänger als Parteichef, Jean-Marie Le Pen, abgrenzen: Er hatte die Gaskammern noch als Detail der Geschichte des Zweiten Weltkriegs bezeichnet.
In dieser Frage dient wohl Geert Wilders als Warnlämpchen der Rechtsaußen-Allianz. In einem profil-Interview bezeichnete Wilders den israelischen Außenminister Avigdor Lieberman als persönlichen Freund. Der Niederländer stellt sich im Nahost-Konflikt in jeder Situation auf Israels Seite und liefert den Beweis, dass man gleichzeitig pro-israelisch und rechtsextrem sein kann. (Lieberman steht selbst rechtsaußen, und die Asylpolitik der israelischen Regierung ist es nicht minder.)
Erst nachdem Marine Le Pen in ihrer Partei mit Antisemiten aufgeräumt hatte, zog Wilders in Betracht, mit ihr über eine Kooperation zu verhandeln. Umgekehrt wiederum ist Wilders Islamophobie weit ausgeprägter als jene des Front National oder der FPÖ. In einem profil-Interview sagte Le Pen: Die PVV führt einen Kampf gegen den Islam. Das tue ich nicht.
Wilders hingegen will allen Ernstes den Koran verbieten und stellt das Heilige Buch des Islam auf eine Stufe mit Hitlers Mein Kampf. Das ist nun wieder Le Pen zu harsch, denn ihre Partei wettert zwar auch gegen Muslime, aber die Vorstellung, der Staat solle ein religiöses Buch zensurieren, geht der Politikerin eines laizistischen Landes doch zu weit.
So könnte die Vereinigung der Rechtsaußen-Parteien die unerwartete Wirkung haben, dass die jeweils allerextremsten Positionen dem Konsens geopfert werden. Was übrig bleibt: Keine Einwanderer nach Europa! Kein Geld für die Rettung der südeuropäischen Volkswirtschaften! Raus aus dem Euro! Gegen das Brüsseler Monster! Mehr Souveränität für die Nationalstaaten! Das ist zwar Quatsch, teils bösartig, teils idiotisch, aber kein Vergleich mit der Hetze gegen Juden und Muslime, die sonst aus diesem politischen Gully überläuft.
Pragmatisch betrachtet ist die Existenz einer Fraktion, die der Angst vor dem europäischen Superstaat eine Stimme gibt, eine politische Notwendigkeit. Die schwindelerregenden Summen, die zur Euro-Rettung aufgebracht wurden, ließen die Gemüter der nationalen Steuerzahler hochkochen, und alte Vorurteile gegen alles Fremde und seien es auch bloß griechische Beamte trugen das Übrige dazu bei. Der Slogan Unser Geld für unser Land ist zwar boshafter, wirtschaftspolitischer Unsinn, aber dass eine Partei damit hausiert, erscheint nachvollziehbar.
Die Fraktion der Rechtspopulisten wird Horrorszenarien der Überfremdung, Überschuldung und Überforderung an die Wand malen. Sie wird sehr laut sein und schließlich sehr still an einem zwischenstaatlichen Streit zerbrechen, denn aus vielstimmigem nationalistischem Gekeife wird nie ein supranationaler Chor.