Der Lückenbüßer

Frankreich: Valerie Trierweilers Rache an ihrem Ex, Präsident Hollande

Frankreich. Die Revolte der Zahnlosen

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18 Monate können ganz schön lang sein. Valérie Trierweiler und François Hollande haben es probiert. Am Ende hatte er eine Geliebte und sie einen irren Zorn deswegen. Viele betrogene Partnerinnen könnten ein ganzes Buch darüber schreiben, was für ein gefühlskaltes Scheusal ihr Ex doch ist, müssen aber damit vorliebnehmen, sich bei ihrer besten Freundin auszuheulen. Da Madame Trierweilers Ex jedoch Frankreichs Staatspräsident ist, bekam sie tatsächlich einen Buchvertrag, wahrscheinlich mit dem konkreten Auftrag, sich ordentlich gehen zu lassen. Seit vergangenem Donnerstag liegt das Werk vor - Titel: "Danke für diesen Augenblick“ -, und erste Rezensionen legen nahe, dass es das Anrührendste ist, was die Beziehungstatsachenprosa seit Dieter Bohlens Erzählung vom Penisbruch zutage brachte.

Rekordarbeitslosigkeit in Frankreich
Für Trierweiler könnten die eineinhalb Jahre mit Hollande eine schmerzhafte, aber letztlich ökonomisch bereichernde Erfahrung gewesen sein. Startauflage ihres Buches: 200.000. Den französischen Wählern hingegen bleibt der Wunsch, "Merci pour ce moment“ zu sagen, vorerst versagt. Und ökonomisch einträglich ist die Zeit, die sie mit dem sozialistischen Präsidenten zubringen, ganz bestimmt nicht. Schlimmer noch: Frankreich weist eine Rekordarbeitslosigkeit auf, die Quote ist fast doppelt so hoch wie jene in Deutschland. Und ausgerechnet eine Anekdote aus Trierweilers Œuvre könnte für Hollande den endgültigen "Gnadenstoߓ bedeuten, mutmaßt die französische Tageszeitung "Les Echos“. Hollande soll sich im privaten Gespräch mit Trierweiler herablassend über die Armen geäußert haben. Die "sans dents“, die Zahnlosen, habe er sie geringschätzig genannt, schreibt Trierweiler.

Auch das noch. Der Präsident, dessen Arbeit laut einer aktuellen - vor dem Erscheinen von Trierweilers Buch durchgeführten - Umfrage von 80 Prozent der Befragten "eher nicht“ oder "gar nicht“ für gut befunden wird, ist zu allem Überfluss auch noch herzlos?

"Sans dents“ wurde bereits am Tag des Erscheinens von "Danke für diesen Moment“ zum geflügelten Wort. Facebook-Gruppen wurden eingerichtet, Demonstrationen angemeldet, die Zahnlosen formieren sich. Es sind nicht nur rechte Gruppierungen, die Hollande als natürlichen Feind sehen, weil sie einmal mehr gegen progressive Gesellschaftspolitik wie die Einführung der Homo-Ehe mobil machen. Auch linke Wähler haben sich in Massen von Hollande abgewandt.

Hartherzige Austeritätspolitik
Der Präsident und seine Regierung gelten in Frankreich als Vertreter einer hartherzigen Austeritätspolitik - ohne dass sie bisher nennenswerte Einsparungen im Staatshaushalt vorgenommen hätten. Das Budgetdefizit galoppiert munter weiter, ein Wachstum ward nicht gesehen. Zudem lässt die Regierung linke Träume platzen. Ein vor wenigen Monaten beschlossenes Gesetz zur Mietzinsbegrenzung wird bereits stillschweigend wieder zu Grabe getragen, weil der Immobilienmarkt eingebrochen ist. Und das viele Geld, das sich die Bürger von der Millionärssteuer erhofften, gab es nie.

Zurück bleiben: eine betrogene Frau, die sich ihren Bestseller hart erarbeiten musste ("Die Pillen sind verstreut. Ich sammle einige auf und schlucke so viele ich kann.“); ein Präsident, der sowohl an den Urnen als auch in Partnerschaftsbörsen derzeit als schwer vermittelbar gilt; ein Volk, das 2017 die Wahl zwischen Hollande, dem abgewählten Nicolas Sarkozy und der rechtsrechten Marine Le Pen haben könnte; und schließlich die Armen, denen laut der Hilfsorganisation "Médecins du Monde“ in der Altersgruppe über 60 im Schnitt 15 Zähne fehlen.

Robert   Treichler

Robert Treichler

Ressortleitung Ausland, stellvertretender Chefredakteur