"Der Ku-Klux-Klan ist kein Hirngespinst"
profil: Was zeichnet den Ku-Klux-Klan in Deutschland aus? Frederik Obermaier: Seine lange, in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannte Geschichte. Den Klan gibt es in Deutschland– mit kurzen Unterbrechungen – schon seit den 1920er Jahren. Laut einer Einschätzung der Bundesregierung vom Herbst 2016 sind derzeit vier Gruppen aktiv. In einer mittlerweile aufgelösten Gruppierung in Baden-Württemberg waren sogar Polizisten Mitglieder, ein Verfassungsschützer steckte dem Anführer Informationen. Was alle Klan-Gruppen eint, ist ihr Hass gegenüber Minderheiten, Ausländer und Juden. In einigen Gruppen wurde schon thematisiert, wie man sich bewaffnen und für einen Straßenkampf vorbereiten könnte.
profil: Der Klan ist also durchaus gewaltbereit? Obermaier: Ja, ganz klar. Zum Beispiel hat 1991 ein rechter Mob in Brandenburg versucht, einen Afrikaner zu töten. Die Gruppe grölte rhythmisch: „Ku-Klux-Klan“. Wenige Monate später erschlug in Berlin ein Klan-Mitglied einen Obdachlosen. Jahre Später, im Jahr 2011 stand in Berlin ein Klan-Führer wegen einer volksverhetzenden Internetseite vor Gericht. Zur gleichen Zeit verschickte er innerhalb seiner Gruppe E-Mails und schwärmte davon, dass die Zeit kommen würde, in der nicht nur Plakate an deutschen Laternen hängen.
Was nach außen vermeintlich verrückt wirkt, kann durchaus gefährlich werden.
profil: Wie gefährlich schätzen Sie die Gruppierungen ein, die derzeit aktiv sind? Obermaier: Der Ku-Klux-Klan in Deutschland ist sicherlich keine Massenbewegung, wie es sie zeitweise in den USA gab. Trotzdem können auch kleinere Gruppierungen zu schrecklichen Taten fähig sein, wie wir es zuletzt beim NSU in Deutschland gesehen haben. Kleine Gruppierungen sollte man nicht unterschätzen, wie auch das Phänomen der Reichsbürger zeigt. Sie wurden in der Berichterstattung lange Zeit eher belächelt. Als dann aber ein Polizist bei einer Razzia ums Leben kam, wurde wieder mal deutlich: Was nach außen vermeintlich verrückt wirkt, kann durchaus gefährlich sein.
profil: Was unterscheidet die amerikanischen Klans von jenen in Deutschland? Obermaier: Die Größe der Gruppierungen und der Grad der Organisation. In Deutschland sind es sehr lose Organisationen, die nach außen nicht in Erscheinung treten und im Geheimen agieren. Die Gruppierungen haben zwar Internetseiten, aber die Mitglieder präsentieren sich der Öffentlichkeit nicht als Klan-Mitglieder mit eigenem Namen und Gesicht, was in den USA durchaus üblich ist. Die Anhänger wollen sich dort nicht verstecken und legen es sogar darauf an, ein Bedrohungsszenario aufzubauen. In Deutschland ist dies derzeit undenkbar.
profil: Auch der rechtliche Aspekt ist ein anderer. Was dürfen sich Klan-Mitglieder in den USA und Deutschland erlauben, und wo liegt die Grenze? Obermaier: In den USA hat das Recht auf freie Meinungsäußerung seit jeher ein großes Gewicht. In Deutschland endet es, wo Inhalte einen volksverhetzenden Charakter haben, gegen Teile der Bevölkerung gehetzt oder zu Gewalt aufgerufen wird. In den USA wird dies viel laxer gehandhabt. Bei Demonstrationen von Rechtsextremisten sind Hakenkreuze und Hetzreden Alltag. Trotzdem ist der Ku-Klux-Klan in Deutschland bis heute nicht verboten, es ist auch erlaubt, mit Klan-Gewand in die Öffentlichkeit zu gehen. Aufkleber, Aufnäher, Buttons und T-Shirts mit Aufschriften wie „The KKK wants you“ können legal gekauft werden. Rein theoretisch könnte der Ku-Klux-Klan sogar eine Demonstration anmelden.
profil: Wie sieht die Situation in Österreich aus? Hat es auch hier den Ku-Klux-Klan gegeben? Obermaier: Es gab durchaus Verbindungen, die nach Österreich führen, das erste Mal 1925, wo laut Archivakten aus dieser Zeit einige Österreicher dem deutschen Orden „Ritter zum Feurigen Kreuz“ beigetreten sind: dem deutschen Ku-Klux-Klan. Es gab in den 1980er Jahren auch ein neonazistisches Schülermagazin „Gäck“ aus Österreich, in dem Werbung für den Klan gemacht wurde, um neue Mitglieder für Deutschland zu gewinnen. Ein Klan-Mitglied hat auch erzählt, dass er während einer Zeremonie in Österreich in den Klan aufgenommen wurde. David Duke, Ex-Chef des amerikanischen Ku-Klux-Klans in Louisiana, hat auch eine Zeit lang in Salzburg und Zell am See gelebt.
Was alle gemeinsam haben, ist die Faszination am Geheimbündlerischen.
profil: Welche Leute schließen sich dem Klan an? Obermaier: Die Mitglieder ziehen sich durch so gut wie alle Altersklassen, vom Teenager- bis ins Rentenalter, und reichen von Skinheads, jungen Neonazis, bis hin zu NPD-Mitgliedern und selbst ernannten Bischöfen. Aber auch Leute, die ein Faible für amerikanische Traditionen besitzen und diese dann mit einer rassistischen Grundeinstellung verbinden. Was aber alle gemeinsam haben, ist die Faszination am Geheimbündlerischen.
profil: Was haben die Klan-Mitglieder für ein Selbstverständnis? Obermaier: Sie haben in der Regel keinerlei Unrechtsbewusstsein und versuchen sich nach außen möglichst harmlos darzustellen, als wäre man ein kirchlicher Traditionsverein. Es kommt oft auch der Vorwurf von aktiven Mitgliedern, warum Journalisten sich überhaupt für das Thema interessieren, denn es sei ja nichts Schlimmes daran. Das ist absurd, wenn Klan-Gruppierungen in ihren Broschüren und auf ihren Internetseiten schreiben, dass sie keine Hassgemeinschaft sind und auch nicht verfassungsfeindlich agieren – ein paar Seiten oder Klicks weiter dann aber ganz klar Rassenhass verbreiten. Die Mitglieder sind maskierte Rassisten.
profil: Wie ist dies bei ehemaligen Mitgliedern? Obermaier: Das ist ganz unterschiedlich. Es gibt jene, die sich komplett bekehrt geben und bereuen, was sie getan haben. Andere behaupten, nicht mehr Mitglied zu sein, machen aber keinen Hehl aus ihrer fortbestehend rassistischen Grundeinstellung.
profil: Was kann man gegen den Ku-Klux-Klan tun? Obermaier: In Deutschland wurde den Aktivitäten des Klans lange Zeit kaum Beachtung geschenkt. Die Polizei, die Geheimdienste und auch der Bundestag haben das Thema ignoriert. Sie tun es teils auch heute noch. Der Klan war zwar immer wieder mal Gegenstand von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen, aber dabei blieb es auch. Die Polizisten etwa, die Klan-Mitglieder waren, verrichten auch heute noch ihren Dienst. Was man erwägen könnte, wäre ein Verbot der Klan-Kluft. Wenn man diese Kapuze verbieten würde, dann gäbe es auch diesen Kult nicht und der Klan würde sich schwerer tun. Regelmäßige Erwähnungen in Verfassungsschutzberichten wären zudem ein klares Signal an die Mitglieder: Wir haben euch im Blick und halten euch ganz klar für Feinde der Demokratie und des Rechtsstaates in Deutschland. Es sollte klar sein: Der Ku-Klux-Klan ist kein Hirngespinst. Mal ist er klein und kümmerlich, ein andermal brandgefährlich.