Frontex: Von einem Skandal in den nächsten

Fabrice Leggeri: Ermittlungen gegen die EU-Grenzschutzagentur konnten nicht abgeschlossen werden, weil Frontex-Chef Informationen zurückhielt.

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Dieser Text erschien im profil Nr. 5 / 2021 vom 31.01.2021.

Neue, eigene Uniformen, deutlich mehr Geld, eine Aufstockung auf 10.000 Beamte - in den kommenden Jahren soll Frontex zur Super-Behörde für den Schutz von Europas Außengrenzen ausgebaut werden. Doch ist die Agentur dafür überhaupt geeignet? Daran besteht derzeit Zweifel, zuletzt schlitterte Frontex von einem Skandal in den nächsten.

Im Herbst hatte eine Medienkooperation Fälle von illegalen Zurückweisungen von Migranten in der Ägäis Richtung Türkei aufgedeckt. Offenbar war Frontex an einigen dieser Pushbacks direkt beteiligt gewesen. Doch das ist nicht alles: Interne Dokumente, die profil vorliegen, deuten darauf hin, dass der Chef der Grenzschutzagentur Fabrice Leggeri versuchte, diese Fälle zu vertuschen.

Bereits vor Monaten hat der Verwaltungsrat der Grenzschutzagentur, in dem Vertreter der Schengenstaaten sitzen, Untersuchungen eingeleitet, um den Vorwürfen gegen Frontex nachzugehen. Abgeschlossen sind sie noch immer nicht - offenbar, weil Frontex Informationen unterschlägt.

"Leider hat die Agentur es versäumt, rechtzeitig Informationen über drei der Fälle bereitzustellen", heißt es in einem internen Bericht der Arbeitsgruppe, der profil vorliegt. In einem Fall habe Frontex - trotz mehrmaliger Aufforderungen - erst am Ende der Ermittlungen Informationen geliefert. Endgültige Ergebnisse gibt es keine, die Sache wird vertagt. Der Verwaltungsrat muss sich bei seinem nächsten Treffen im März noch einmal damit befassen.

Auch die EU-Kommission verliert die Geduld mit Leggeri. Bis 5. Dezember hätte Frontex 40 Leute einstellen müssen, die sich um die Wahrung der Menschenrechte an den EU-Außengrenzen kümmern sollten. Leggeri hat bis heute keinen einzigen dieser Posten besetzt.

Seit Kurzem ermittelt auch die Anti-Betrugsbehörde der EU (Olaf) gegen Frontex. Dabei geht es neben Pushbacks auch um mutmaßliches Missmanagement sowie Vorwürfe gegen Mitarbeiter wegen Belästigung.

Und auch das Europaparlament geht gegen Leggeri vor. Bei einer Befragung vor dem Innenausschuss über die Verwicklung in illegale Pushbacks zog Leggeri Anfang Dezember den Zorn der Abgeordneten auf sich. Von ihren Fragen lenkte er ab oder antwortete ausweichend, in einem Fall sagte er die Unwahrheit. Etliche Parlamentarier fordern seinen Rücktritt. Es liegt zwar nicht an ihnen, das zu entscheiden. Aber sie könnten Frontex die finanziellen Mittel für 2022 blockieren. Der Plan, die Agentur bis 2027 massiv auszubauen, wäre damit vorerst dahin.

Siobhán Geets

Siobhán Geets

ist seit 2020 im Außenpolitik-Ressort.