Kriegstagebuch

„Ganz oben Ganz unten”: Christian Wulff rechnet mit seinen Gegner ab

Deutschland. Christian Wulff rechnet mit seinen Gegner ab

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Von Andreas Förster, Berlin

Recht haben und Recht bekommen sind zweierlei Dinge, heißt es. Vor Gericht hat Deutschlands Kurzzeit-Präsident Christian Wulff, der am 17. Februar 2012 nach nur 598 Tagen wegen Korruptionsvorwürfen zurücktrat, bereits Recht bekommen - Freispruch in allen Punkten. Das reicht ihm aber nicht. Nun will Wulff auch die Deutungshoheit über sein Scheitern zurückgewinnen. In seinem Buch "Ganz oben Ganz unten“ (C.H. Beck, 20,60 Euro) rechnet er zu diesem Zweck gnadenlos mit Politikern, Kirchenvertretern und Journalisten ab, die ihn vor mehr als zwei Jahren in einer - wie er es nennt - "niederträchtigen Schmutzkampagne“ zu Fall gebracht hätten. Es ist ein Kriegstagebuch geworden, voller Zorn und Larmoyanz, Wahrheit und Selbstbetrug. Ein Buch, wie es Verlierer schreiben.

Stille Verschwörung
Aber auch Verlierer können Recht haben. Wulffs Analyse der Hintergründe und Hinterleute, die zu seinem Sturz beitrugen, ist jedenfalls nicht so einfach von der Hand zu weisen, wie es die meisten deutschen Medien und Politiker derzeit tun. Natürlich besaß der CDU-Politiker aufgrund seiner diffusen Nähe zu reichen Unternehmern und Freunden nicht die notwendige moralische Integrität für das Amt des Bundespräsidenten. Das allein aber, und damit hat Wulff Recht, hätte nie zu seinem Sturz geführt. Der Christdemokrat glaubt daher eine Art stille Verschwörung zwischen konservativen Politikern, Journalisten und Kirchenvertretern ausgemacht zu haben, die ihn von der Spitze des Staates entfernen wollten. Mit diesen einflussreichen Kreisen will er es sich gleich zu Beginn seiner Amtszeit verscherzt haben. Grund sei seine Rede zum 20. Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung im Oktober 2010 gewesen, schreibt Wulff. Damals hatte er gesagt, dass Christentum und Judentum zu Deutschland gehören, und hinzugefügt: "Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.“ Wenig später sprach er sich auch dezidiert für eine weitere Annäherung der EU an die Türkei aus.

Zum Abschuss freigegeben
Zu jener Zeit tobte in Deutschland die Debatte über die rassistischen Thesen des Rechtspopulisten Thilo Sarrazin, der in einem Buch Muslime als degeneriert und minderbemittelt abstempelte und die Gefahr einer vom Islam bedrohten westlichen Kulturgemeinschaft heraufbeschwor. Konservative Blätter wie die "FAZ“ und die Presse des Springer Verlags, allen voran die "Bild“-Zeitung, nahmen die Stammtischthesen auf und schürten Ressentiments gegen Muslime. Auch Politiker vom rechten CDU-Flügel stellten sich hinter Sarrazin. Er sei wegen seiner Gegenposition, die in Migrantenkreisen begeistert aufgenommen worden war, zum Abschuss freigegeben worden, glaubt Wulff. Eine Allianz aus enthemmten Medien und einer übereifrigen Justiz habe ihn schließlich zur Strecke gebracht. Das ist starker Tobak, der das politische System in Europas Musterland der Demokratie nachhaltig infrage stellt. Eine Rückkehr in die Politik hat sich Wulff, der inzwischen wieder als Rechtsanwalt arbeitet, damit jedenfalls endgültig verbaut.