Trump und der Alptraum von der Riviera
Der Ausgangspunkt
Am Anfang steht ein Problem, im konkreten Fall ein ausgesprochen kompliziertes. Der Gazastreifen, bewohnt von rund zwei Millionen Palästinensern, wird nach wie vor von der islamistischen Terrororganisation Hamas kontrolliert. Die israelische Regierung wehrt sich dagegen, eine andere palästinensische Regierung zu unterstützen. Durch Israels Krieg gegen die Hamas sind rund 65 Prozent aller Gebäude des Gazastreifens zerstört.
Der überraschende Vorschlag
US-Präsident Donald Trump tritt vor die Medien und verkündet an der Seite von Israels Premier Benjamin Netanjahu, die USA würden „Gaza übernehmen“. Die palästinensische Bevölkerung werde „abgesiedelt“, und zwar nach Ägypten und Jordanien. Im Gazastreifen werde dank der USA eine wunderbare „Riviera“ entstehen.
Die Provokationen
Vieles an diesem Vorschlag ist rechtlich unzulässig: Die USA haben keinerlei Recht, Gaza zu „übernehmen“. Ebenso wenig kann das Weiße Haus dekretieren, die Bevölkerung solle „abgesiedelt“ werden. Eine palästinensische Familie hat dasselbe Recht, in Khan Junis zu leben, wie Familie Trump das Recht hat, in Mar-a-Lago zu residieren. Selbst wenn man Vertreibungen „freiwillige Ausreise“ nennt, ändert das völkerrechtlich nichts am Tatbestand.
Die Prinzipienlosigkeit
Dass sich Trump ungeniert über internationale Rechtsnormen hinwegsetzt, ist nicht weiter bemerkenswert. Aber selbst Werte, die einem Politiker wie ihm ans Herz gewachsen sind, wie etwa die Ablehnung von Migration, gelten plötzlich nicht mehr. Sein Vorschlag bedeutet nichts anderes, als zwei Millionen Menschen zu Flüchtlingen zu machen. Ägypten und Jordanien sind darüber aus mehreren Gründen ebenso erbost, wie es Trump selbst wäre, stellte man ihm zwei Millionen Migranten vor die Haustür.
Die Unausgegorenheit
Der Plan entstand ohne Rücksprache mit Experten des State Department oder irgendwelchen kundigen Personen. Dementsprechend musste Trump seinen Vorschlag auch bald wieder
zurechtstutzen: Nein, US-Soldaten würden nicht nach Gaza geschickt; die Palästinenser müssten nur vorübergehend abwandern; das Geld für die Entwicklung der „Riviera“ käme nicht von der US-Regierung.
Die Kollateralschäden
Auch bloß dahingesagte Gedankenspiele haben reale Auswirkungen. Die Glaubwürdigkeit der USA ist ramponiert – wer Palästinenser vertreiben und deren Land „übernehmen“ möchte, kann sich schwer darüber beklagen, wenn Russlands Präsident Wladimir Putin Ukrainer vertreiben und die Ostukraine seinem Reich einverleiben möchte.
Die Bevölkerung von Gaza muss unmittelbar nach einem Krieg auch noch mit der Angst leben, ihrer Heimat beraubt zu werden.
Rechtsextreme Kräfte in Israel – auch solche in der Regierung – spüren Rückenwind für ihre Pläne, die Palästinenser „freiwillig abzusiedeln“ und im Gazastreifen wieder jüdische Siedlungen zu errichten.
Die Bilanz
Kein erkennbarer Fortschritt bei der Lösung des Problems, viel unproduktive Aufregung und die Androhung eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit.