Mindestens 25 Todesopfer

Gewalt in der Ukraine: EU-Sanktionen immer wahrscheinlicher

Aktuell. Gewalt in der Ukraine: EU-Sanktionen immer wahrscheinlicher

Drucken

Schriftgröße

Sollten sich die EU-Staaten auf Sanktionen gegen die Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine einigen, könnten diese "restriktiven Maßnahmen" nach dem geltenden Lissabon-Vertrag schnell in die Praxis umgesetzt werden. Dies versicherte Maja Kocijancic, Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton am Mittwoch in Brüssel. Die EU-Außenminister wollen am Donnerstag bei einer Sondersitzung über Strafmaßnahmen beraten.

Derzeit prüfen die EU-Staaten bei einer Sitzung der EU-Botschafter in Brüssel "alle möglichen Optionen", betonte die Sprecherin. Welche "restriktiven Maßnahmen" erwogen werden sagte sie nicht. "Wir können dazu jetzt nicht spekulieren." Üblicherweise verhängt die EU bei gezielten Sanktionen Einreiseverbote und Kontosperren gegen die Verantwortlichen im Ausland.

Ein weiterer Kommissionssprecher erklärte, trotz der eskalierenden Gewalt sei eine Unterzeichnung des Assoziationsabkommens mit der Ukraine denkbar. "Das ist immer denkbar". Es gehe um die Unterstützung des ukrainischen Volkes und der Reformbemühungen.

Othmar Karas: "Blutbad sofort beenden"
Der Vizepräsident des EU-Parlaments, Othmar Karas, betonte, die ukrainische Regierung müsse alles tun, um das Blutbad sofort zu beenden. Ein Bürgerkrieg vor unserer Haustür müsse verhindert werden. Auch er forderte den Rücktritt des ukrainischen Staatspräsidenten Viktor Janukowitsch. Außerdem forderte Karas, die EU-Geldwäscherichtlinie dazu zu nutzen, um zu "prüfen, ob das ukrainische Geld außerhalb der Ukraine sauber ist".

Nach einer Nacht der Gewalt dauert die Konfrontation in Kiew weiter an. Ein Ausweg der politischen Krise ist nicht in Sicht. Bei den blutigen Straßenkämpfen in der Ukraine sind bisher laut offiziellen Angaben mindestens 25 Menschen ums Leben gekommen.

Das Innenministerium in Kiew teilte am Mittwoch mit, dass mindestens neun Polizisten bei den Ausschreitungen starben. Zudem sei mehr als ein Dutzend Demonstranten getötet worden, teilte das Gesundheitsministerium mit. Ein Journalist der ukrainischen Tageszeitung "Westi" wurde von unbekannten Maskierten erschossen.

Präsident Viktor Janukowitsch verteidigte den Einsatz von Gewalt. Die Opposition habe die "Grenzen überschritten", als sie ihre Anhänger auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew "zu den Waffen gerufen" hätten. Es handle sich um "Kriminelle, die vor Gericht gehören".

Das Gewerkschaftshaus am Maidan, das der Opposition als Hauptquartier diente, musste wegen eines Brandes evakuiert werden. Etwa 40 Menschen wurden nach Darstellung des eigenen medizinischen Dienstes des Maidan in Sicherheit gebracht. Nach Berichten von Augenzeugen war die Lage am Morgen zunächst ruhiger, aber weiterhin angespannt. Beide Seiten standen sich weiter gegenüber, mit gelegentlichen Zusammenstößen. Rauchschwaden zogen über das Zentrum. Die Metro der Millionenstadt war weiterhin komplett gesperrt.

Der Oppositionspolitiker Vitali Klitschko zeigte sich enttäuscht über den ergebnislosen Verlauf eines nächtlichen Krisentreffens. Janukowitsch reagiere unpassend auf die Lage. Der prorussische Präsident müsse die Einheiten sofort zurückziehen. Weitere Gespräche mit Janukowitsch schloss Klitschko vorerst aus. "Welche Verhandlungen kann es geben, wenn Blut vergossen wird?", sagte der Ex-Boxchampion.

Janukowitsch warf den Regierungsgegnern seinerseits den Versuch einer gewaltsamen Machtübernahme vor. Sollten sich die Oppositionsführer nicht von radikalen Kräften distanzieren, werde er "andere Töne anschlagen", drohte der Präsident.

Nach unbestätigten Medienberichten liegen noch zusätzliche Leichen im Michailowski-Kloster der ukrainischen Hauptstadt aufgebahrt. Insgesamt sprechen die Behörden von bis zu 1.000 Verletzten.

Am Morgen kamen aus dem nationalistisch geprägten Westen der früheren Sowjetrepublik Busse mit weiteren Demonstranten in Kiew an. Zudem wollten Vertreter des russischen Außenministeriums in der ukrainischen Hauptstadt Gespräche über einen Ausweg aus der Krise führen. Die Proteste hatten im November begonnen, nachdem Janukowitsch ein unterschriftsreifes Abkommen mit der Europäischen Union auf Eis gelegt und sich Russland zugewandt hatte. Moskau gewährte dem finanziell klammen Nachbarn Milliardenkredite.

(APA/Red.)