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Harsche NEOS-Kritik: Iranische Nuklear-Firma bei Kongress in Wien

Ein von den USA sanktioniertes iranisches Unternehmen nimmt diese Woche an einem Nuklearmedizin-Kongress in Österreich teil. Im Außenministerium sieht man darin offenbar kein Problem.

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„Wir freuen uns, Sie in Wien zu treffen! Lassen Sie sich das nicht entgehen!“ Mit diesen – von profil ins Deutsche übersetzten – Worten bewirbt das iranische Unternehmen „Pars Isotope“ via Kurznachrichtendienst „X“ (vormals Twitter) seinen bevorstehenden Auftritt bei einem Kongress in Wien. Warum das mancherorts für heftiges Stirnrunzeln sorgt: Pars Isotope steht seit geraumer Zeit auf der Sanktionsliste der USA. Das allein mag aus europäischer Sicht rechtlich keine entscheidende Rolle spielen. Ganz grundsätzlich betrachtet, handelt sich allerdings um ein Unternehmen, das im Nuklearbereich tätig ist – und aus einem Land kommt, dessen brutales Regime seit Jahren an Atomwaffen bastelt.

Anlass für den umstrittenen Österreich-Besuch der iranischen Firma ist ein Nuklearmedizin-Kongress der in Wien beheimateten „European Association of Nuclear Medicine“ (EANM). Bei der EANM handelt es sich um eine europäische Dachorganisation für nationale Vereinigungen, Wissenschaftler und Mediziner aus dem nuklearmedizinischen Bereich. Eigenen Angaben zufolge strömen jährlich mehr als 7000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu dem mehrtägigen Event. Der diesjährige Kongress geht ab Samstag im Wiener „Austria Center“ über die Bühne.

„Medizin und Industrie“

Pars Isotope produziert und vertreibt radioaktives Material – offiziell für den Einsatz im medizinischen Bereich, etwa bei der Krebsbehandlung. Auf der Unternehmenswebsite heißt es allerdings, die sogenannten Radioisotope und damit zusammenhängenden Dienstleistungen seien im Bereich der „Medizin und Industrie“ angesiedelt. Wenn es um den Iran und Nukleartechnologie geht, scheint jedoch ganz grundsätzlich eine gewisse Vorsicht geboten. Die USA haben Pars Isotope auf ihre Sanktionsliste gesetzt, weil das Unternehmen Verbindungen zur iranischen Atomenergieorganisation habe.

Auf profil-Anfrage betont der Kongress-Veranstalter EANM, man sei eine unabhängige Non-Profit-Organisation, die nicht unter die Gesetzgebung der USA falle. „Unser Hauptfokus ist die Förderung der Nuklearmedizin in Europa und darüber hinaus.“  Alle Entscheidungen und Handlungen seien ausschließlich auf dieses Ziel ausgerichtet. Die EANM habe eine „streng unpolitische Haltung“. Man wolle zum medizinischen Fortschritt beitragen und das Wohlergehen der Patienten verbessern. Pars Isotope betrachte man als Unternehmen, das die öffentliche Gesundheit in seiner Region durch die Förderung von Nuklearmedizin verbessern wolle.

Ministerium: „Keine näheren Informationen“

Auch im Außenministerium sieht man offenbar kein Problem darin, dass eine iranische Nuklear-Firma in Österreich Aktivitäten setzt. „Für Österreich sind nur die hier gültigen Rechtsvorschriften, unter anderem das EU-Sanktionsregime relevant, nicht aber US-Sanktionsvorschriften. Wir halten in diesem Zusammenhang ausdrücklich fest, dass Österreich alle EU-Sanktionsvorschriften unterstützt und vollumfänglich umsetzt“, heißt es aus dem Außenamt: Die EANM sei keine dem Außenministerium gemeldete beziehungsweise anerkannte Internationale Organisation, „nähere Informationen liegen uns nicht vor“. Die Überprüfung, ob Pars Isotope tatsächlich nur im medizinischen Bereich tätig sei, falle nicht in Zuständigkeit des Außenministeriums.

Krisper: „Keine Samthandschuhe mehr“

Heftige Kritik kommt indes von den NEOS: „Die österreichische Bundesregierung muss endlich aufhören, Regime wie Russland und den Iran mit Samthandschuhen anzugreifen“, sagt NEOS-Nationalratsabgeordnete Stephanie Krisper: „Wie kann es sein, dass eine Organisation, die eng mit der iranischen Atomenergiebehörde verbunden ist, zu einem Kongress nach Wien reisen und dort im Grunde Aushängeschild des iranischen Regimes sein darf? Jenes Regime, welches seine eigene Bevölkerung unterdrückt, den russischen Angriffskrieg militärisch unterstützt und einer der Hauptakteure der Spionage in Österreich ist.“ Krisper wirft der Bundesregierung vor, durch „Desinteresse und tatenloses Zuschauen“ die Sicherheit Österreichs zu gefährden. Die NEOS wollen nun eine Reihe von parlamentarischen Anfragen zum Thema Iran einbringen.

Was die breitere Debatte über Sanktionen und ihre Wirkung betrifft, ist „Pars Isotope“ jedenfalls ein besonders interessanter Fall. Ist es ethisch vertretbar, ein Unternehmen mit Strafmaßnahmen zu belegen, dessen Produkte schwer kranken Patientinnen und Patienten helfen können?

Auf den ersten Blick mag die Haltung der USA extrem hart wirken. Bei tiefergehender Betrachtung drängt sich freilich der Schluss auf, dass es die jahrelange Haltung des iranischen Regimes ist, welche die Sanktionen überhaupt erst hervorgerufen hat und hier potenziell Leid verursacht. Dass die Führung des Mullah-Staates mit Menschenleben im eigenen Land nicht besonders zimperlich umgeht, hat sie bei der Niederschlagung von Protesten im vergangenen Jahr eindrücklich und brutal unter Beweis gestellt (Der Anlass für diese Proteste – der Tod einer jungen Frau im Gewahrsam der sogenannten „Sittenpolizei“ – jährt sich übrigens kommende Woche zum ersten Mal.) Und dass Teheran bei seinem militärischen Nuklearprogramm nicht zumindest indirekt auch von zivilen Erfahrungen in diesem Bereich profitiert, lässt sich wohl auch nicht ausschließen.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.