Iran-Proteste: Schon mindestens 21 Tote - 450 Festnahmen in Teheran
Im Zusammenhang mit den Protesten im Iran sind bisher insgesamt 21 Menschen getötet worden, darunter 16 Demonstranten. In der Hauptstadt Teheran wurden in den vergangenen drei Tagen nach Angaben der Behörden rund 450 Menschen festgenommen.
200 Menschen seien am Samstag festgenommen worden, 150 am Sonntag und rund hundert am Montag, sagte Ali-Asghar Naserbakht, ein Vertreter des Gouverneurbüros von Teheran, am Dienstag der Nachrichtenagentur Ilna, die den reformorientierten Kräften nahe steht. Eine genau Zahl für die Verhaftungen im ganzen Land liegt noch nicht vor, es sollen aber unbestätigten Berichten zufolge mehrere Hundert sein.
In den vergangenen drei Tagen versuchten in der Hauptstadt nur mehrere hundert Menschen zu demonstrieren. In zahlreichen anderen Städten des Landes kam es seit Beginn der Proteste am Donnerstag zu gewaltsamen Zusammenstößen.
Bei den Protesten im Iran soll es nach Angaben des staatlichen Fernsehens Irib vom Dienstag weitere neun Tote gegeben haben. Zunächst war unklar, ob es sich dabei um Demonstranten, Polizisten oder Revolutionswächter handelte. Die Revolutionswächter oder Revolutionsgarden (IRGC) sind eine paramilitärische Organisation zum Schutz des iranischen Systems.
Irib hatte zuvor berichtet, dass in der Nacht zum Dienstag in der Stadt Najafabad im Zentraliran ein Revolutionswächter von Demonstranten erschossen wurde. Ob der getötete Revolutionswächter in der Zählung der neun neuen Toten vom Dienstag schon inbegriffen war oder nicht, war zunächst unklar. Nach Ansicht von Irib beweist die Tat, dass einige der Demonstranten bewaffnet seien.
Nach Angaben der Nachrichtenagentur Isna haben sich die Revolutionswächter erst am Dienstag bereit erklärt, der Polizei bei den Ausschreitungen zu helfen. Beobachter jedoch glauben, dass die IRGC bei den Unruhen bereits eingesetzt worden sind.
Kritik gegen die Führung des islamischen Staates
Die Proteste hatten am Donnerstag in der zweitgrößten iranischen Stadt Mashhad begonnen und sich dann auf das ganze Land ausgebreitet. Sie richteten sich zunächst vor allem gegen die hohe Arbeitslosigkeit und Preissteigerungen. Inzwischen zielt die Kritik gegen die Führung des islamischen Staates.
Bis zum Montag waren nach Angaben des Staatsfernsehens bereits mindestens zehn Demonstranten ums Leben gekommen - jeweils zwei in Dorud (Westiran) und Iseh (Südwestiran) und jeweils drei in Shahinshar (Zentraliran) und Toserkan (Westiran). Zudem kamen bei einem Unfall während der Proteste im westiranischen Dorud ein alter Mann und ein Kleinkind um.
Der iranische Abgeordnete Hojatollah Khademi sagte der Nachrichtenagentur Ilna, in der Stadt Iseh seien bei einigen Festgenommenen Waffen, Munition und Sprengstoff entdeckt worden. Nach unbestätigten Berichten in sozialen Netzwerken soll Iseh kurzfristig sogar von Regimegegnern besetzt gewesen sein.
In sozialen Netzwerken wird behauptet, dass die Polizei in Dutzenden Städten auf die Demonstranten schieße; es habe am Montag erneut Tote gegeben. Diese Berichte ließen sich jedoch nicht unabhängig überprüfen. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Tasnim haben Demonstranten in der Nähe von Najafabad auch eine Polizeiwache in Brand gesetzt. Dem Staatsfernsehen zufolge haben Bewaffnete zudem in mehreren Städten staatliche Einrichtungen attackiert. Auch diese Berichte ließen sich nicht unabhängig verifizieren.
Der iranische Sicherheitsrat (SNSC) bezeichnete am Dienstag die Proteste als einen vom Ausland gesteuerten "Stellvertreterkrieg". SNSC-Sekretär Ali Shamkhani beschuldigte US-Präsident Donald Trump und Irans Erzfeind Saudi-Arabien, hinter den Unruhen zu stecken. "Die haben in der Region viel investiert, aber alles verloren", sagte Shamkhani dem libanesischen Sender Al-Mayadeen. Der Iran werde die Unruhen aber stoppen, "und die Iraner brauchen sich keine Sorgen zu machen", sagte Shamkhani.
Irans Verteidigungsminister Amir Hatami hatte Medienberichten zufolge schon am Montag in Richtung USA gesagt, Feinde des Landes hätten die Proteste angefacht, um die Islamische Republik zu destabilisieren.
Probleme der Menschen nicht nur wirtschaftlicher Natur, sondern sie fordern auch mehr Freiheiten
Präsident Hassan Rouhani hatte am Montag bei einer Krisensitzung im Parlament zugegeben, dass die Regierung die Lage nicht mehr völlig kontrolliere. Rouhani sagte auch, es wäre ein Fehler, die Proteste nur als ausländische Verschwörung einzustufen. "Auch sind die Probleme der Menschen nicht nur wirtschaftlicher Natur, sondern sie fordern auch mehr Freiheiten." Er kritisierte damit indirekt die Hardliner im Klerus, die seine Reformen blockieren.
Seit Montag funktioniert das zwischenzeitlich gestörte Internet im Iran tagsüber wieder normal. Da iranische Medien über die Proteste selbst kaum berichten, werden viele Berichte und Videos über soziale Netzwerke verbreitet. An den Abenden, wenn die Protestmärsche beginnen, wird es deutlich langsamer oder fällt mitunter ganz aus. Ähnlich ist es mit einigen Plattformen der sozialen Medien.
USA und Israel sprachen sich für einen Führungswechsel aus
Die USA und Israel sprachen sich angesichts der Proteste im Iran für einen Führungswechsel in Teheran aus. Trump twitterte, die Menschen im Iran würden nicht länger hinnehmen, "wie ihr Geld und ihr Wohlstand zugunsten von Terrorismus gestohlen und vergeudet wird". Am Neujahrstag legte er nach und schrieb, das "große iranische Volk" sei über Jahre unterdrückt worden. Seinen Tweet beendete er in Großbuchstaben mit den Worten: "ZEIT FÜR EINEN WECHSEL!"
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu drückte ebenfalls die Hoffnung auf einen Führungswechsel in Teheran aus. "Das Regime hat Angst vor seinem eigenen Volk, deswegen werfen sie Studenten ins Gefängnis, deshalb verbieten sie soziale Medien", sagte er.
Am Montagabend rief die Europäische Union die iranische Führung angesichts der Unruhen im Iran zur Wahrung des Demonstrationsrechtes auf.
Syrien kritisierte die Proteste im Iran als Verschwörung der USA und Israels. Die Haltung der beiden Länder zur Lage im Iran bestätige, dass sie bei der Destabilisierung der Region eine "zerstörerische Rolle" spielten, hieß es am Dienstag aus dem Außenministerium in Damaskus, wie die staatliche Nachrichtenagentur SANA meldete.
Die Türkei zeigte sich besorgt über die Eskalation der gewaltsamen Proteste im Nachbarland Iran und warnte zugleich vor einer Einmischung durch ausländische Kräfte. Die Türkei lege großen Wert auf die Beibehaltung des gesellschaftlichen Friedens und der Stabilität im "brüderlichen Iran", erklärte das Außenministerium in Ankara.