Ist das schon die Kriegswende?
Es sind Meldungen der Hoffnung, die uns dieser Tage aus der Ukraine erreichen, auch wenn es schwerfällt, in Zeiten des Krieges und der globalen Umwälzungen überhaupt noch an so ein großes Wort wie Hoffnung zu glauben. Immerhin: Der Krieg in Europa wird wohl nicht so enden, wie sich der russische Aggressor Wladimir Putin seine “Spezialoperation” noch am 24. Februar vorgestellt hat. Keine Sorge, alles laufe nach Plan, pflegte der russische Präsident in den vergangenen Wochen und Monaten mantraartig zu wiederholen; so richtig glauben wollen das nach den jüngsten Gebietsverlusten auch seine Getreuen nicht mehr. Läuten die Rückeroberungen der ukrainischen Armee im Osten und Süden des Landes das Ende dieses unsäglichen Krieges ein? Wahrscheinlich nicht. Die aktuelle Entwicklung zeigt aber, wie wichtig die Waffenlieferungen an die Ukraine waren und sind - und dass die Sanktionen weiterhin in Kraft bleiben müssen. Das bestätigt auch Außenminister Schallenberg im großen profil-Interview: “Ich sehe bei den Sanktionen keinen Grund für Zweifel. Die Sanktionen wirken.”
Orientierungslosigkeit
Österreich bereitet sich indes auf die Bundespräsidentschaftswahl am 9. Oktober vor, die dieses Mal leider ohne weibliche Kandidatin, dafür aber - wie sage ich das jetzt diplomatisch? - mit einer durchaus originellen Kandidatenliste aufwartet. Diesen Samstag wird das Innenpolitik-Ressort von profil die nächste große Umfrage und Geschichte zur Wahl publizieren (das E-Paper lesen Sie ab Samstag früh) und zudem ausloten, wie sich die letzten Querelen und Grabenkämpfe in der Kanzlerpartei ÖVP rund um Ex-Generalsekretärin Laura Sachslehner (“Kabale und Hiebe”, Zitat Christian Rainer im Politik-Podcast) auf die Sonntagsfrage auswirken werden. “In der Tat laboriert die ÖVP allerdings an Orientierungslosigkeit, auch wegen der zahlreichen Korruptionsaffären, die sich um (ehemalige) ÖVP-Politiker ranken”, urteilt Eva Linsinger in ihrer gestrigen Morgenpost. Meinungsforscher Peter Hajek wird das Ganze am Sonntag in bewährter Manier im profil-Podcast analysieren.
Das Ende der Leichtigkeit
Zum Schluss noch eine Buchempfehlung für die beste Lesezeit des Jahres: den Frühherbst. Die deutsche Autorin Carla Kaspari hat diesen Sommer ihr Romandebüt “Freizeit” (Kiepenheuer & Witsch) vorgelegt – und damit ein veritables Generationenporträt geschaffen. In kurzen und knappen Sätzen, die stellenweise an Textnachrichten oder Tweets erinnern, erzählt Kaspari von Franziska, einer Twentysomething-Autorin, die über ihr Leben, ihren Gefühlshaushalt und ihre Generation ein bisschen zu genau Bescheid weiß. Denn: Zwischen einer zu erwachsenen Beziehung (inklusive Affäre) in Paris, den alten Freunden in Westdeutschland und der ewigen Frage, ob das Leben, das man zwischen Auftragsjobs, Auslandsjahr und Social Media verbringt, das richtige ist, entspinnen sich kleine Alltags-Dramen zu einer mittelgroßen Tragödie. “Sie war eine weiße deutsche Frau, die von ihren Eltern geliebt wurde, und war damit viel zu gut weggekommen, um ihre eigene Identität zu politisieren”, heißt es da. Nachsatz: “Außerdem kostete es sie viel zu viel Energie”. Kaspari erzählt in “Freizeit” vom Ende der Leichtigkeit, von jungen Menschen, die zwischen Klimakrise, Pandemie und Kriegsnachrichten aufgerieben scheinen und sich dennoch zuerst mal um sich selbst kümmern müssen. Oder wie Franziska sagen würde: “An den Küsten staut sich der Schmerz, weil das Meer ihn nicht haben will.”
Einen schmerzfreien Start in das Wochenende wünscht
Philip Dulle