Matteo Salvini, Silvio Berlusconi und Giorgia Meloni am Freitag in Rom.
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Italien-Wahl: Der angekündigte Rechtsruck

Italien wählt an diesem Sonntag. Favoritin ist Giorgia Meloni von den Fratelli d’Italia. Ein Guide durch den Parteien-Dschungel.

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Könnte Giorgia Meloni tatsächlich Italiens erste Frau am Regierungsruder werden? Das frohlockten die Mitte-Rechtsparteien und ihre Klientel schon vor diesem Wahlsonntag, dem 25. September. Und das befürchteten bis auf Ungarns Premier Viktor Orbán und die polnische Regierung alle anderen europäischen Regierungskanzleien.

Zusammen mit Meloni könnte dann Matteo Salvini, Chef der ausländerfeindlichen Lega wieder Innenminister werden. Ein Mann, der erst kürzlich sagte, dass man illegale Einwanderer gleich wieder zurückschicken „und am Strand aussetzen soll, mit einem ermutigenden Schlag auf die Schulter, einem Säckchen Nüsse und einem leckeren Speiseeis“. Auch wenn sich Melonis kleiner Koalitionspartner Silvio Berlusconi und seine Forza Italia inzwischen als Verteidiger der Europäischen Union aufspielen, spricht der Medienzar immer noch oft und gerne von seiner Freundschaft zu Vladimir Putin. Zuletzt meinte der ehemalige Skandal-Premier im Sommer, dass man „Kiew davon überzeugen müsse, den Wünschen Russlands nachzukommen“.

Aber vielleicht wird die Ex-Neofaschistin und heute strammrechte Meloni ihr Land doch nicht anführen. Vielleicht werden die auf rund 40 Prozent geschätzten Nichtwähler ein entscheidendes Zünglein an der Waage sein. Denn sollten nur rund 10 Prozent von ihnen, so Wahlsoziologen, doch zu den Urnen eilen, könnte Melonis Erfolgsgeschichte doch noch gestoppt werden.

Enrico Letta, Chef der Sozialdemokraten PD, spricht dieser Tage häufig von „wir“ und „die“. Mit „wir“ meint er die Mitte-Linksparteien, die die Demokratie vor rechten Übergriffen bewahren wollen. Mit „die“ meint er die Orban-Freundin und Trump-Begeisterte Meloni und den Putin-Fan Salvini. Sie würden Italien zu einem weiteren Pariastaat in Europa machen.

Nicht ausgeschlossen war also, dass ein Teil der Nicht-Wähler und Unentschiedenen doch noch in letzter Minute eine Entscheidung trifft. Vor allem, um einen Rechtsruck an der Regierung zu vereiteln. Vor diesen Wählern hatten Meloni und Partner am meisten Angst.

Doch eine Mitte-Rechts-Niederlage schafft nicht automatisch eine klare Alternative. Zu zerstritten sind die Mitte-Links-Parteien untereinander.

Enrico Letta, Chef der Sozialdemokraten PD, bei einer Wahlkampfveranstaltung Anfang September.

Letta hatte zunächst versucht, eine Wahl-Koalition mit Carlo Calenda und seiner Partei „Azione“ zu bilden. Calenda war Manager und Minister unter den sozialdemokratischen Regierungschefs Matteo Renzo und Paolo Gentiloni. 2019 gründete er „Azione“, seine eigene sozialliberale Partei. Dass er zusammen mit den Sozialdemokraten gemeinsame Sache gegen die rechte Gefahr machen würde, hielten linke Wähler zunächst für ausgemachte Sache. Doch Calenda tat sich mit dem Ex-Sozi Matteo Renzi zusammen. Der hatte nach einem Streit mit der PD ebenfalls eine eigene Partei, „Italia dei Valori“, gegründet, die sich ebenfalls sozialliberal positioniert.

Calenda und Renzi gingen eine Wahlpartnerschaft ein. Sie sehen sich als wahres politisches Zentrum Italiens. Ihre Gegner links der Mitte befürchteten nicht zu Unrecht, dass jedes Kreuz für diese beiden Zwergparteien der großen Linkspartei PD wichtige Stimmen rauben würde.

Im Fall einer mangelnden Regierungsmehrheit für Meloni, Salvini und Berlusconi müssen sich Letta, Calenda, Renzi und einige andere Linksparteien sowie die Grünen zusammenraufen. Das könnte Wochen dauern und schlussendlich scheitern, vor allem an den Egomanen Renzi und Calenda. Aber auch wegen Giuseppe Conte. Der Chef des „Movimento 5 Stelle“ (Fünf-Sterne-Bewegung; M5S) war mitverantwortlich für den Sturz von Regierungschef Mario Draghi, was zu den vorgezogenen Neuwahlen führte. Ein schwerer Schlag für PD-Chef Letta. Er werde deshalb nie wieder, so schwor er sich, mit der M5S zusammenarbeiten.

Sollten Meloni & Co. nicht siegen und sollte sich die Mitte-Links-Parteien nicht schnell zu einer Regierungskoalition zusammenraufen gibt es kaum Alternativen in Italien. Neuwahlen mit einem neuen Wahlgesetz wären möglich. Oder aber Staatspräsident Sergio Mattarella würde zum wiederholten Mal einen Regierungschef „von oben“ bestellen. Wie zuletzt Mario Draghi. Eine so genannte Technikerregierung oder eine Große Koalition wären die Folge. Aber das ist angesichts der inzwischen tiefen Fronten zwischen den meisten Parteien nahezu undenkbar.

Und auch wenn Meloni, Salvini und Berlusconi siegen: Angesichts der ausgeprägten Egozentrik der drei Parteichefs gibt es keine Garantie für ein Durchregieren in den nächsten fünf Jahren. Meloni oder nicht: Italiens politische Zukunft sieht nicht gerade rosig aus.