Ivorer in libyschem Gefängnis: "Sie schlugen uns die ganze Zeit"
INTERVIEW: ANNA ROXVALL
profil: Warum haben Sie sich entschlossen, nach Libyen zu gehen? Gnapo: Ich bin 33 Jahre alt und muss Geld verdienen. Ich will eine Familie gründen. Das Mindeste ist es, einen Job zu finden. Ich hatte gehört, dass die Lage in Libyen schlecht ist, aber mein Freund und ich haben beschlossen, das Risiko einzugehen. In den sozialen Medien ist auch viel von Chancen die Rede, und wir wussten, dass man, wenn man Glück hat, einen arabischen Chef finden kann, der einen beschützt. Wenn man verhaftet wird, kann er den Wachen Geld geben, und man kommt wieder raus. Unser Plan war, genug Geld zu verdienen, um ein Boot nach Europa nehmen zu können.
profil: Wie sind Sie nach Libyen gelangt? Gnapo: Mein Freund und ich nahmen einen Flug nach Tunesien und arbeiteten dort ein paar Monate am Bau. Ich war Maurer. Mit dem Geld fuhren wir weiter nach Ben Gardane, einer Stadt nahe der libyschen Grenze. Wir überquerten die Grenze in einem Lastwagen versteckt, der Fische transportierte. Die Polizei arbeitet mit den Schleppern zusammen, deshalb werden die Laderäume nicht kontrolliert. Aber auf der Fahrt durch die Wüste war es extrem heiß.
profil: Was hat Sie nach der Ankunft in Libyen erwartet? Gnapo: Wir fanden einen Job auf einer Baustelle in der Hafenstadt Zuwara, aber wir mussten uns dauernd verstecken. Wir konnten nicht einmal das Haus verlassen, um Geld nach Hause zu schicken. Libyer mögen keine Schwarzen, sie sehen sie als Ware an, die man kauft und verkauft. Wenn uns die Polizei nicht schnappt, besteht immer noch die Gefahr, von Banditen gekidnappt zu werden, die vorgeben, Arbeiter zu suchen. Genau das passierte uns dann auch. Nach drei Monaten kamen Männer auf die Baustelle und führten uns ab. Vielleicht waren es Polizisten, aber wir hörten, dass sie von der Mafia waren. Wie auch immer, sie brachten uns ins Gefängnis.
profil: Wie war die Situation im Gefängnis? Gnapo: Es war ein Alptraum.
Ich habe gesehen, wie Gefangene Blut urinierten.
profil: Können Sie etwas davon erzählen? Gnapo: Alle Libyer tragen dort schwere Waffen. Wir schliefen übereinander. Wenn ein Gefängniswärter hereinkam, verprügelte er uns so lange, bis er müde war. Sie schlugen uns die ganze Zeit. Wenn du isst, schlagen sie dich, wenn du nicht isst, schlagen sie dich. Wenn sie dich auf Arabisch ansprechen, und du verstehst sie nicht, schlagen sie dich zu Brei. Besonders schlimm war es für die Rastafari. Die Wärter zündeten ihre Haare an und sahen zu, wie sie brannten. Manche versuchten zu entkommen. Wenn sie erwischt wurden, hängten die Wärter sie mit den Füßen an der Zimmerdecke auf und schlugen sie. Ich habe gesehen, wie Gefangene Blut urinierten.
profil: Wie sind Sie aus dem Gefängnis entkommen? Gnapo: Es gab Streiks und Zusammenstöße, und schließlich brachen die Mauern ein. Wir flohen nach Tripolis, fanden dort einen Stützpunkt der Internationalen Organisation für Migration (IOM) und baten, dass man uns nach Hause bringt.
profil: Wie fühlten Sie sich, als Sie nach Abidjan heimkehrten? Gnapo: Es ist gut, wieder zu Hause zu sein, aber es ist gleichzeitig sehr schwierig. Als wir verhaftet wurden, habe ich all das Geld verloren, das ich verdient hatte. Mir blieb nichts mehr, ich hatte nicht einmal eine Zahnbürste. Ich wohne jetzt bei meinem Bruder. Er unterstützt mich, denn ich habe keinen Job. Manche machen sich lustig über uns, weil wir gescheitert sind, ich fühle mich lächerlich. Es scheint keinerlei Pläne der Regierung zu geben, die Situation von Leuten wie uns zu verbessern. Ich bin jetzt zwar frei in dem Sinn, dass ich nicht mehr in einem Gefängnis bin und geschlagen werde, aber in meinem Kopf bin ich nicht frei. Man kann nicht sagen, dass man frei ist, solange man sein Leben nicht selbst organisieren kann.
profil: Werden Sie in Côte d'Ivoire bleiben? Gnapo: Ja, wenn ich einen Job finde. Ich hätte nie all das durchgemacht, wenn ich hier Arbeit gefunden hätte. Hoffentlich wird die Regierung eine Art Reintegrationsplan für uns machen. Aber sie soll sich beeilen, denn einige von uns planen bereits, sich wieder auf den Weg zu machen. Ich habe mich noch nicht entschieden.
Gnadou Gnapo, 33, kommt aus Abidjan, der Hauptstadt von Côte d'Ivoire (Elfenbeinküste). Er verbrachte zwei Monate in libyscher Haft. Vergangene Woche kam er im Zuge eines Rückführungsprogramms, das von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) durchgeführt wird, nach Hause.
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