Jahresrückblick

Das war 2024: Ein Stück Russland für die Ukraine

Die prägenden Stunden des Jahres. Dienstag, 6. August, 4 Uhr: Die Ukraine fällt überraschend in Russland ein.

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In der blauen Stunde, kurz vor Sonnenaufgang, rollen die ersten Stryker- und Challenger-Panzer über die Grenze. Es ist Dienstag, der 6. August 2024, und soeben hat die ukrainische Militäroffensive im russischen Oblast Kursk begonnen. Es ist eine streng geheime Mission, von der angeblich nicht einmal die USA im Vorfeld Bescheid wussten.

Spezial- und Eliteeinheiten der ukrainischen Armee, darunter die 80. und 82. Luftsturmbrigade, rücken mit westlichen Panzern, Artillerie und etwa 12.000 Soldaten vom ukrainischen Oblast Sumy in Richtung der Dörfer Nikolayevo-Darino und Oleshnya ein. Deckung erhalten sie von mobiler ukrainischer Flugabwehr, Panzergräben überwinden sie mithilfe mobiler Brücken und Pionierpanzer, Minen räumen sie mit Sprengschnüren aus dem Weg. Drohnen steigen in den Himmel auf, um die Spähdrohnen des Gegners zu suchen und zu zerstören. Ohne sie sind die Russen blind – und die Ukrainer haben freie Fahrt.

Am Vormittag des 6. August tauchen die ersten Videos des erfolgreichen Vorgehens in den sozialen Medien auf. Gepanzerte Fahrzeuge fahren im Sonnenschein durch russische Dörfer und auf staubigen Straßen entlang riesiger Maisfelder. Schon bald erreichen die ukrainischen Soldaten den Ort Sudscha, etwa zehn Kilometer östlich der Grenze. Dort nehmen sie die russische Flagge vom Rathaus und besetzen eine wichtige Versorgungsroute sowie eine Gaspumpstation, über die russisches Gas in die Slowakei und nach Österreich gelangte.

Der Überraschungsangriff ist gelungen, der russische Gegner überrumpelt, und bald überwinden die ukrainischen Soldaten die erste von zwei Verteidigungslinien. Stationiert sind dort hauptsächlich schlecht ausgerüstete junge Soldaten ohne Kampferfahrung – und bald auch ohne Führung. Ukrainische Spezialeinheiten machen Jagd auf Kommandeure, und die angefragte Verstärkung bleibt aus. Die Ukrainer haben sich entlang der Versorgungsrouten verschanzt und starten Überraschungsangriffe und Hinterhalte auf anrückende russische Konvois. Der Rückzug der Russen wird zur Blamage.

Siobhán Geets

Siobhán Geets

ist seit 2020 im Außenpolitik-Ressort.