John Shipton: Hoffnung auf ein EU-Land, das WikiLeaks-Gründer Julian Assange Asyl gewährt.

Assange-Vater John Shipton: "Mein Herz brennt"

John Shipton über seinen Kampf um Unterstützung für seinen Sohn Julian Assange und seinen Besuch in Wien.

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profil: Was erwarten Sie von Ihrem Treffen im Außenministerium? Shipton: Ich werde für meinen Sohn eintreten und klarmachen, dass es einen historischen Wandel in Europa gibt, für Julian, freie Meinungsäußerung und freien Informationsaustausch in der EU einzutreten. Gestern in Paris waren 25 Kamerateams. Davor in London: 23 Kameracrews. Es gibt eine steigende Unterstützung.

profil: Erhalten Sie auch aus der Politik oder gar Regierungskreisen so positive Rückmeldungen? Shipton: In Deutschland ist die Unterstützung riesig. Sigmar Gabriel (der SPD-Politiker tritt für Assange ein, Anm.) war immerhin Außenminister. Dass es seitens der Regierung kein Wort des Widerspruchs gibt, bedeutet stille Zustimmung.

profil: Sie loten auch die Chancen aus, dass Ihr Sohn in einem europäischen Land Asyl bekommt. Wo machen Sie sich die größten Hoffnungen? Shipton: Beginnen wir in der Mitte: Die Schweiz wird Julian ein humanitäres Visum anbieten. Das ist die erste offizielle Anerkennung und sehr wichtig. Im absoluten Herzen Europas könnte er sich von den Folgen seiner Folter erholen und von dort aus Gastprofessuren in ganz Europa annehmen. Aber ich denke, es wird zu einem Wettbewerb kommen, wer den stärksten Schutz bieten kann. So sollte es zumindest sein. Nach zehn Jahren Arbeit an der Schnittstelle zwischen Regierungen und Information hat er noch sehr viel zu geben.

profil: Was ist das Ziel Ihrer Mission? Shipton: Ich bin jetzt in Wien, um im Außenministerium dafür zu werben, dass Österreich Teil der globalen Bewegung wird, die sich wünscht, dass Julian freikommt – als Ikone der Unterdrückung von Journalisten, Medien oder Publizisten. Die Unterdrückung von Journalisten ist ein globales Problem. Und wenn es nicht gelöst wird, wird es den Geschmack und den Geruch des kommenden Jahrhunderts bestimmen.

profil: Wie ist der gesundheitliche und mentale Zustand von Julian Assange? Shipton: Ich kann nur meinen eigenen mentalen Zustand kommentieren. Sein Gesundheitszustand ist nach neun Jahren zunehmender psychologischer Folter ein Problem, wie Nils Melzer (der UN-Sonderberichterstatter über Folter, Anm.) in seinem Bericht hervorgehoben hat. Julian ist ein Intellektueller, ein feinfühliger Mensch, aber eben einer mit einem sehr starken Willen. Und er sitzt in einem Hochsicherheitsgefängnis zusammen mit Terroristen und Mördern.

profil: Edward Fitzgerald, der Anwalt Ihres Sohnes, sagt, die US-Regierung habe eine Begnadigung angeboten, sollte Julian Assange eine Einmischung Russlands in den US-Wahlkampf 2016 zurückweisen. Wenn es dieses Angebot gab, warum hat er es nicht angenommen? Shipton: Ich weiß es nicht. Ich kenne die Fakten nicht. Ich denke, das Hearing kommende Woche wird in vielerlei Hinsicht Aufklärung bringen.

profil: WikiLeaks hat mitten im Wahlkampf 2016 E-Mails aus dem Umfeld von Trumps Konkurrentin Hillary Clinton veröffentlicht. Das hatte den Geruch einer Kreml-Aktion. Wie sieht Ihr Sohn das? Shipton: Ich weise Ihre Frage zurück. Keine von Julians Aktionen war im Sinne von Wladimir Putin. Alles, was auf WikiLeaks publiziert wird, kommt aus der Bevölkerung. Julian ist pro Wahrheit. Er verifiziert alles, was veröffentlicht wird, sehr genau und tut alles, um die Quellen zu schützen.

profil: Sollte Ihr Sohn Asyl finden – wird er weitermachen? Shipton: WikiLeaks ist eine robuste globale News-Organisation mit dem Ruf, genau und seriös zu sein.

profil: Die Causa WikiLeaks ist kein reiner Kriminalfall, sondern hat immense politische Tragweite. Denken sie, dass die geopolitischen Voraussetzungen für politische Unterstützung aus Europa günstig sind? Das transatlantische Verhältnis ist zerrüttet. Asyl für Julian Assange wird es nicht verbessern. Shipton: Es war von Anfang an ein politischer Fall. Ich mag Europa sehr. Wien ist wunderbar, Paris ist großartig, Genf ist fantastisch – ich würde gerne dort leben, aber das kann ich mir nicht leisten. Ich wünsche mir, dass Europa standhaft in seinen Beziehungen zu Washington ist, anstatt standhaft auf Zuruf Washingtons zu sein. Stärke und Unabhängigkeit bedeuten, dass man gute Entscheidungen treffen und dafür Verantwortung tragen kann. Das wünsche ich mir für Europa. Mein Herz brennt, wenn ich sehe, dass die EU nicht die Interessen ihrer Bürger vertritt.

Interview: Stefan Schocher

John Shipton

Der Vater von WikiLeaks-Gründer Julian Assange reist derzeit durch die EU, um sich dafür einzusetzen, dass sein Sohn in einem europäischen Land Asyl erhält. Am Freitag war er für ein Gespräch im Außenministerium in Wien. profil traf den Australier unmittelbar vorher zu einem Interview – ein stiller Mann, der seine Worte überlegt und mit Bedacht wählt. Nur gegen Ende der Unterhaltung mahnt Shipton zur Eile. Vor dem Termin am Minoritenplatz muss er noch schnell eine Krawatte besorgen.