Krieg in Syrien: Ein Frühling vor zehn Jahren

Syriens Rebellion begann mit Protesten und endete in Krieg und Not.

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Am 15. März 2011, also genau vor zehn Jahren, berichtete die BBC über einen Protestmarsch in der Altstadt von Damaskus. Nach dem Mittagsgebet waren Hunderte Bürger dem Aufruf einer Facebook-Gruppe gefolgt und hatten lautstark demokratische Reformen und die Freilassung aller politischen Gefangenen gefordert. Die Sicherheitskräfte verhafteten sechs Personen. Die Bewegung, die in der Stadt Dar' ā begann, hatte die Hauptstadt erreicht.

Das war der Anfang einer Revolte, die hoffnungsvoll als Versuch begann, mit der Dynamik des Arabischen Frühlings das Langzeitregime von Baschar al-Assad zu stürzen. Der Machthaber jedoch begann einen Krieg gegen die Aufständischen, der bald so viele ausländische Kriegsparteien anzog, dass sich Syrien zu einem geopolitischen Wirrwarr entwickelte. Mehr als eine halbe Million Menschen starben, über zwölf Millionen flüchteten.

Baschar al-Assad ist dank der Unterstützung durch Iran und Russland weiterhin an der Macht, sein Regime kontrolliert die meisten großen Städte und insgesamt etwa 60 Prozent des Landes. In wenigen Monaten wird er sich zum vierten Mal auf undemokratische Weise wählen lassen. Die Situation im Land ist desaströs. Das Syrische Pfund hat am Schwarzmarkt nur noch ein Prozent jenes Wertes, den es vor Beginn des Krieges hatte, wie der britische "Economist" errechnet hat. Nicht nur der anhaltende Konflikt, auch die Konsequenzen der Coronavirus-Pandemie sind zu spüren. Die Einfuhr aller Güter ist extrem teuer, weil sich Grenzbeamte mittels Korruption bereichern. Ein Kilo Mehl kostet 0,4 US-Dollar, das Gehalt eines Beamten beträgt 15 Dollar pro Monat.

Al-Assads mächtige Freunde Iran und Russland haben ihm zwar geholfen, den Krieg zu gewinnen, doch jetzt bleibt die Unterstützung karg. Kürzlich kündigte ein hoher General der Regierungsarmee an, Vermögen und Häuser aller Syrer konfiszieren zu wollen, die in den vergangenen Jahren weder Militärdienst noch eine Ersatzzahlung geleistet hätten. Wer zehn Jahre lang seinen Personalausweis nicht erneuert hat, verliert laut einem eben beschlossenen Gesetz die Staatsbürgerschaft. Das macht eine Rückkehr der Flüchtlinge noch unwahrscheinlicher.

Nichts deutet darauf hin, dass al-Assad zu einem "politischen Prozess" bereit ist, der zu einem "glaubhaften, alle Seiten einschließenden Regierungssystem" und "freien und fairen Wahlen" führen soll, wie es die UN-Resolution aus dem Jahr 2015 vorsieht.

Robert   Treichler

Robert Treichler

Ressortleitung Ausland, stellvertretender Chefredakteur