US-Wahl 2024

Mein Tag im MAGA-Rabbit-Hole

Was hören und sehen Menschen, die nur noch Social-Media oder Trump-Influencer konsumieren? Ein Selbstversuch.

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Die Republikaner sind außer sich. Wegen eines Eichhörnchens.

Es heißt „Peanut“, benannt nach der Erdnuss, die diese Tiere gerne knabbern. So viel vorweg: Peanut ist tot, aber am 5. November, dem Tag der US-Wahl, ist das Nagetier wieder auferstanden. Unzählige KI-generierte Memes machen auf „Truth Social“, der Social-Media-Plattform von Donald Trump, sowie auf "X" (ehemals Twitter) die Runde. Eines zeigt Trump mit Anzug und roter Krawatte, in der rechten Hand Peanut, das Eichhörnchen. „Make Pets safe again – Vote Trump“ (Sicherheit für Haustiere – wählt Trump!) steht darüber. 

Die Geschichte von Peanut ist schnell erzählt. Der US-amerikanische Influencer Mark Longo hatte das Tier vor sieben Jahren in New York gefunden, nachdem die Mutter des Nagetiers von einem Auto überfahren worden war. Er nahm es mit nach Hause und machte es zum Internet-Star. Allein auf Instagram hatte Peanut mehr als eine halbe Million Follower. In einem Video sieht man Herrchen und Tierchen miteinander frühstücken. Peanut knabbert an einer Waffel, Longo schüttet sich Ahornsirup über den Teller.

Ende Oktober kam die Umweltschutzbehörde bei Longo vorbei und beschlagnahmte Peanut. Der Vorwurf: Illegale Haltung von Wildtieren. Am Ende wurde das Eichhörnchen eingeschläfert. „Ruhe in Frieden mein bester Freund. Danke für die besten sieben Jahre meines Lebens", schrieb der am Boden zerstörte Longo auf Instagram. 

Hier könnte die Geschichte von Peanut enden, aber das tut sie nicht. Denn sie könnte nicht besser in das Narrativ passen, auf dem die Republikaner ihren Wahlkampf aufgebaut haben. Hier „die ganz normalen Menschen“, die einfach nur ihre Ruhe haben wollen. Dort eine „bösartige Elite“, die ihnen das Leben zur Hölle macht. Hier ein unschuldiges Eichhörnchen, das niemandem etwas getan hat. Dort die herzlose Biden-Regierung mit ihrer Überregulierung. 

Rache für Peanut! 

Und so beginnt der Wahltag für die Republikaner mit einer Botschaft: Rache für Peanut! Ein Bild auf "X" zeigt Donald Trump, der mit einem Maschinengewehr auf einem goldenen Tron sitzt, umgeben von einer Schar Eichhörnchen.

Allein der Tech-Milliardär Elon Musk, seit Oktober 2022 Besitzer von „X“, setzt zwanzig Postings über das Eichhörnchen ab. „Warum sind die Demokraten so grausam?“ fragt er und erreicht damit 38 Millionen Views.

Musk, der mehr als 75 Millionen Dollar an Trump gespendet hat, entwarf vor der Wahl düstere Szenarien. Es sei die letzte Chance, eine Diktatur unter Kamala Harris zu verhindern. Er selbst müsse dann damit rechnen, festgenommen zu werden. 

Mit dem Gefühl, alles zu verlieren, ging die erste Stufe des Wahltages los. 

Stufe 1: Skepsis! 

„Sie kommen zu dir nach Hause. Sie schnappen sich deine Haustiere und schläfern sie ein. Weil sie es wollen und weil sie es können“, heißt es in einem Podcast namens „In the litter Box“ (Im Katzenklo). Der Name wirkt etwas sonderbar, aber die Reichweite ist nicht zu unterschätzen. Die Social-Media-Accounts der beiden Hosts – ein Mann, der sich im Netz „Catturd“ nennt und eine Frau mit dem wohl nicht minder erfundenen Namen „Jewels Jones“ – erreichen mit ihren Postings Hunderttausende Menschen. 

Am 5. November, dem Tag der Wahl, nimmt das Duo seine 684. Folge auf. Sie trägt den Namen „Defeat the cheat! Vote!“ (Gegen den Betrug! Wählt!) Beide glauben an die von Trump verbreitete Lüge, dass ihm 2020 der Sieg gestohlen worden sei. Und dass das wieder geschehen könne. „Sie werden schummeln, wo es nur geht“, warnen die Hosts. 

Franziska Tschinderle

Franziska Tschinderle

schreibt seit 2021 im Außenpolitik-Ressort. Studium Zeitgeschichte und Journalismus in Wien. Schwerpunkt Südosteuropa / Balkan.