NPD-Abgeordneter Voigt: "Deutschland braucht eigene Atomwaffen"
profil: Würden Sie sich als Nationalsozialisten bezeichnen? Udo Voigt: Ich habe mich bei dieser Frage immer als nationalen Sozialisten bezeichnet. Ich möchte mich aber nicht in dem Kontext zum historischen Nationalsozialismus sehen, den ich als Hitlerismus bezeichne. Dort fehlen wesentliche Elemente, die einen modernen Nationalisten prägen.
profil: Was unterscheidet die NPD von der NSDAP? Voigt: Die demokratische Struktur. Dass man in einer Partei mitwirkt, die von unten nach oben aufgebaut wurde, und man die Möglichkeit hat, bestimmte Posten abzuwählen. Ich bin auch kein Rassist. Ich habe kein Verständnis dafür, dass ein Mensch wegen seiner Herkunft, wegen seiner Hautfarbe, wegen seiner politischen Meinung verfolgt und deswegen umgebracht wird oder in ein Konzentrationslager kommt. Es fehlte auch die Rechtsstaatlichkeit im Nationalsozialismus. Man hatte nicht die Möglichkeit, die entsprechenden Gerichte anzurufen. Das sind einfach Dinge, mit denen ich mich nicht identifizieren kann.
profil: In einer Umfrage der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung stimmten 10,1 Prozent der Befragten der Aussage zu, dass der Nationalsozialismus auch etwas Gutes hatte. Stimmen Sie dieser Einschätzung ebenfalls zu? Voigt: Es ist heute als Deutscher immer schwierig, eine solche Frage zu beantworten, weil wir dafür ein besonderes Strafgesetz in Deutschland haben, wo man sehr schnell gewisse Paragrafen überschreitet. Aber ich denke, dass man sehr wohl sagen kann, dass die schnellen und nachhaltigen sozialen Fortschritte, die damals gemacht worden sind, etwas Positives waren.
Eine Nation braucht ein Staatsvolk. Wir sind im Prinzip dagegen, dass es hier einen Mischmasch gibt und dass die Identität eines Volkes verloren geht.
profil: Im NPD-Parteiprogramm heißt es: "Integration ist gleichbedeutend mit Völkermord." Glauben Sie wirklich, dass die deutschen Fußballweltmeister Sami Khedira oder Mesut Özil durch ihre Integration das deutsche Volk ermorden? Voigt: Na ja gut, das ist natürlich auf die Fußballnationalmannschaft sicherlich etwas überspitzt dargestellt. Aber Tatsache ist, wir lehnen die Integration ab, weil wir sagen, die Völker der Welt sollten erhalten bleiben und sollten sich nicht miteinander vermischen. Eine Nation braucht ein Staatsvolk. Wir sind im Prinzip dagegen, dass es hier einen Mischmasch gibt und dass die Identität eines Volkes verloren geht. Insofern sind wir gegen die Integration, aber deswegen nicht gegen Ausländer. Das wird eben allzu oft vermischt.
profil: Wäre die deutsche Fußballnationalmannschaft ohne Spieler mit Migrationshintergrund Weltmeister geworden? Voigt: Wir wären dann vielleicht noch viel öfter Weltmeister geworden.
profil: Wirklich? Voigt: Na ja gut, das war jetzt auch auf eine rhetorische Frage eine rhetorische Antwort.
profil: Tausende Menschen aus den afrikanischen Staaten sind bereits im Mittelmeer ertrunken. Wie würden Sie das Problem lösen? Voigt: Was im Moment passiert, ist lächerlich und beschämend. Man nimmt billigend in Kauf, dass Schlepperbanden Millionäre, vielleicht sogar Milliardäre werden. Man muss den Menschen vor Ort helfen. Man kann der Migration nicht Herr werden, indem man die Ausgaben für Frontex erhöht und immer mehr aus Illegalen Legale macht. Man muss die Ursachen der Migration bekämpfen. Und die Ursache liegt eben bei dem Großteil der Migranten, die keine Kriegsflüchtlinge sind, in der Armut. Diese Armut sollte massiv bekämpft werden. Hier habe ich auch schon verschiedene Ideen in den Ausschuss eingebracht, die natürlich nicht debattiert werden, weil sie von mir sind und auch nicht mehrheitsfähig. Aber ich halte es für durchaus möglich, dass man, ähnlich wie die CO2-Abgabe zum Schutz der Umwelt, eine Migrationsabgabe einführt und dieses Geld dazu einsetzt, den Menschen nach dem Prinzip "Hilfe zur Selbsthilfe" in den eigenen Heimatländern hilft, damit sie dort eine Perspektive haben und gar nicht erst fliehen müssen.
profil: "Über die Wiedereinführung der Todesstrafe ist ein Volksentscheid durchzuführen", heißt es in Ihrem Parteiprogramm. Wie würden Sie abstimmen? Voigt: Ich habe mich als Parteivorsitzender immer dafür eingesetzt, dass die Todesstrafe auf ganz eklatante Fälle beschränkt wird. Den mehrfachen Kindesmord haben wir damals als Beispiel angebracht. Es war nicht leicht, diese Forderung überhaupt ins Parteiprogramm hineinzubekommen. Da gab es insbesondere von christlicher Seite erheblichen Widerstand. Ich würde mich aber dafür entscheiden, weil ich einfach nicht verstehe, wie ein Wiederholungstäter, der schon mehrere Kinder umgebracht hat, wieder auf freien Fuß kommt, um dann nochmals ein Kind zu töten. Um das zu verhindern, bin ich in solch ganz konkreten Fällen für die Einführung der Todesstrafe.
Um heute ein souveräner Staat zu sein, braucht Deutschland die Verfügungsgewalt über eigene Atomwaffen.
profil: Die Souveränität Deutschlands hat für die NPD oberste Priorität. Wie wollen Sie diese in einer globalisierten Weltordnung wiederherstellen? Voigt: Deutschland ist heute kein souveräner Staat. Die Bundesrepublik unterliegt nach wie vor alliierten Sonderrechten. Seit Egon Bahr das Buch "Erinnerungen an Willy Brandt" geschrieben hat, wissen wir, dass es eine Kanzlerakte gibt und dass in dieser Kanzlerakte der jeweilige Bundeskanzler in Washington unterschreiben muss, dass er die Souveränitätseinschränkungen der Bundesrepublik auch einhält. Bei Willy Brandt, der das nicht tun wollte, hatte das zwei Whiskyflaschen gekostet, damit er unterschrieben hat, laut Egon Bahr. Das sind untragbare Zustände. Auch die Tatsache, dass nach wie vor amerikanische Atombomben auf deutschem Boden lagern, obwohl Deutschland eben keine Atomwaffen besitzen darf, ist eine nicht haltbare Souveränitätseinschränkung.
profil: Sind Sie der Meinung, dass Deutschland seine eigene Atombombe haben sollte? Voigt: Selbstverständlich. Um heute ein souveräner Staat zu sein, braucht Deutschland die Verfügungsgewalt über eigene Atomwaffen. Deutschland ist heute mehr oder weniger auf dem Weg von einer Mittelmacht zu einer Großmacht, wirtschaftlich ist sie es schon. Die Regierung sollte bestrebt sein, die Verfügungsgewalt darüber zu haben. Ansonsten sind wir von jeder Mittelmacht, die heute ebenfalls Atomwaffen besitzt, jederzeit erpressbar.
profil: Sind Sie auch der Meinung, dass der Iran eine Atombombe bauen sollte? Voigt: Ich bin der Meinung, das sollte ein souveräner Staat grundsätzlich tun können. Der Iran hat in den letzten Jahrzehnten bewiesen, dass er durchaus eine berechenbare und kluge Politik betreibt. Aus meinen Gesprächen mit Iranern weiß ich, dass sie selber nicht an einer Atomwaffe, sondern nur an der friedlichen Nutzung der Atomenergie interessiert sind. Die westliche Welt, wenn man heute noch davon sprechen kann, glaubt dem Iran diese Haltung nicht. Der Iran möchte sich in diesem Abkommen, das jetzt unterzeichnet wird, die Option einer eigenen Atomwaffe selbstverständlich offenhalten, denn ansonsten würde er seine eigene Souveränität aufgeben. Insofern habe ich Verständnis, wenn die Iraner argumentieren, wir wollen keine Atombombe, aber wir wollen uns auch nicht vertraglich binden lassen.
profil: Mit wem im Europaparlament kooperieren Sie? Voigt: Wir arbeiten sehr eng mit der Goldenen Morgenröte aus Griechenland zusammen und der Jobbik-Partei aus Ungarn. Ansonsten beschränkt sich das mehr oder weniger auf inoffizielle Kontakte. Nicht alle Kollegen, mit denen ich zusammenarbeite, möchten erwähnt werden.
profil: Würden Sie in einer Europapartei mit der Front National und der FPÖ beitreten? Voigt: Die genannten Parteien möchten mit der NPD, der "Goldenen Morgenröte" und der Jobbik nicht in einem Boot sitzen. Und aus dem Grunde haben wir bereits die Europapartei APF (Allianz für Frieden und Freiheit) gegründet. Wir müssen jedoch noch die entsprechenden Unterschriften bis zum 25. September einreichen. Acht haben wir, sieben brauchen wir, aber es fallen bald wieder zwei raus, die dann kein Mandat mehr im Oktober haben, sodass wir jetzt noch weiter auf Reserve-Unterschriftensuche sind.
profil: Wie ist Ihr Verhältnis zu den FPÖ-Europaabgeordneten? Voigt: Normal kollegial. Wir trinken kein Bierchen zusammen oder Sonstiges, wenn Sie das meinen. Es ist normal, dass man guten Tag und auf Wiedersehen sagt. Es ist bei den Kollegen stark zu spüren, dass sie sich nicht, in Anführungszeichen, "belasten" möchten durch zu enge Kontakte. Das gilt auch für die Front National. Wobei man den alten Chef Jean-Marie Le Pen und Bruno Gollnisch und einige wenige ausnehmen muss. Die zeigen gelegentlich Sympathiebeweise und scheren auch im Abstimmungsverhalten immer wieder mal aus.
profil: Erfüllt Sie die Arbeit im Europaparlament? Voigt: Schwere Frage. Die Arbeit macht mir Spaß, erfüllend ist sie natürlich nicht, weil man keine Möglichkeit hat, hier zur Wirkung zu kommen.
Udo Voigt, 63
Als das Magazin der "Süddeutschen Zeitung" kürzlich ein zwölfseitiges Porträt des EU-Abgeordneten der rechtsextremen Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) publizierte, zeigte sich ein Kommentator des "Tagesspiegels" schockiert. "Richtiges Augenreiben" sei die adäquate Reaktion, befand er. Aber Voigt gehört zur politischen Realität Deutschlands, und die NPD ist Teil der europäischen, ultrarechten Partei "Allianz für Frieden und Freiheit". Das Interview mit Voigt führte der Publizist Martin Ehrenhauser, der von 2009 bis 2014 fraktionsloser Abgeordneter im EU-Parlament war.