GEFECHTSÜBUNG: Ein österreichischer Militärberater folgt senegalesischen Soldaten beim Rückzug aus einem simulierten Hinterhalt.

Österreichische Soldaten trainieren Eliteeinheiten in Senegal

Österreich schickt Jagdkommando-Soldaten in den Senegal, um dort einheimische Spezialeinheiten zu trainieren. Warum eigentlich?

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Durch einen Wald aus Asche, über verbrannte Erde, angekokeltes Wurzelwerk und rußschwarze Steine rennen sie bergauf. Schüsse knallen, und wenn das keine Übung wäre, wären viele von ihnen jetzt tot. Gerade sind die senegalesischen Soldaten in einen Hinterhalt geraten; nun versuchen sie, zu entkommen. Aber das ist gar nicht so einfach, denn die Angreifer sitzen gut getarnt zwischen den Felsen. So bleibt nur der Rückzug hinter das verlassene Dorf weiter oben am Hang. Dort fällt das Gelände wieder ab, das Gras steht fast mannshoch, ein paar Bäume bieten Deckung.

Zwischen den einheimischen Kämpfern sprinten auch ein paar Weiße - die meisten mit Vollbärten im Gesicht, Sonnenbrillen vor den Augen, Schirmkappen auf dem Kopf und provisorisch zurechtgehackten Wanderstöcken in der Hand. Ähnlich verwegene Gestalten haben auch dabei geholfen, den Überfall vorzubereiten: Jagdkommando-Leute des österreichischen Bundesheeres, die in den Senegal gekommen sind, um die Elitetruppen des Landes auszubilden.

Ein paar Minuten später versammeln sich alle zur Manöverkritik und rekapitulieren mithilfe von verkohlten Grasbüscheln und Steinen auf dem sandigen Boden den Verlauf des Gefechts. Damit endet eine der letzten Übungen nach zwei Wochen Training, in deren Verlauf die Österreicher in der Region Kédougou unter anderem Know-how in Kampftaktik am Berg, Klettern und Patrouillieren weitergegeben haben -oder, wie man es fachlich korrekter ausdrücken würde: Gefechtsführung in schwierigem Gelände, Seiltechniken und gesicherter Fußmarsch.

"Keine klassische Militärhilfe"

Es ist das zweite Mal, dass Jagdkommando-Soldaten als Militärberater in den Senegal kommen. Bereits im vergangenen Jahr lernten sie Infanterietruppen an. Das zugrunde liegende Programm reicht aber viel weiter zurück. Beschlossen wurde es 2012, damals noch unter Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ). Seither wird es alljährlich dem Parlament zur Evaluierung vorgelegt und bestätigt, aber nie an die große Glocke gehängt. "In der Österreichischen Sicherheitsstrategie 2013 wurden vier Regionen an der Peripherie Europas identifiziert, die für uns prioritäre Bedeutung haben: nördliches und zentrales Afrika; Naher und Mittlerer Osten, Westbalkan sowie Osteuropa und Kaukasus. Dort haben wir nach Ländern gesucht, denen wir bilateral militärische Ausbildungskurse anbieten können", sagt Günther Barnet, Leiter der Projektgruppe Regionale Kooperationen im Verteidigungsministerium. Voraussetzungen: Die Partnerstaaten sollten klein und stabil sein, so weit wie möglich demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien genügen - und über Streitkräfte verfügen, die sich nicht nur substanziell an internationalen Einsätzen, etwa im Rahmen der UN oder der Afrikanischen Union (AU), beteiligen, sondern auch bei der eigenen Bevölkerung Vertrauen genießen. In Afrika fiel die Wahl auf Ghana, Burkina Faso und den Senegal: drei westafrikanische Staaten, in denen vergleichsweise respektable Bedingungen herrschen. "Wir betreiben keine klassische Militärhilfe, verkaufen auch keine Rüstungsgüter und stimmen unsere Aktivitäten eng mit der österreichischen Agentur für Entwicklungszusammenarbeit ab", sagt Barnet: "Uns geht es darum, die Armeen dieser Länder besser für internationale Aufgaben wie zum Beispiel Blauhelm-Missionen vorzubereiten - aber auch für nationale wie Grenzschutz und Terrorbekämpfung."

Das Konzept ist nicht exklusiv österreichisch. Auch andere EU-Länder wie etwa Deutschland oder Dänemark haben ähnliche Programme. Dahinter steht die Hoffnung, über die Professionalisierung der Streitkräfte für mehr Stabilität zu sorgen.

SENEGALESISCHE ELITEEINHEITEN: Zwei Wochen Training mit Militärberatern aus Österreich

Afrikanische Armeen genießen im Rest der Welt zwar keinen guten Ruf, aber sie sind laut einer Erhebung des Instituts der Europäischen Union für Sicherheitsstudien (ISS) in der Bevölkerung weitaus höher angesehen als die für ihre Korruptheit bekannten Polizeibehörden. Zudem haben sich die Militärs in den vergangenen Jahren öfter als demokratiepolitischer Faktor erwiesen, als man annehmen würde. 2015 verhinderten sie in Burkina Faso beispielsweise, dass sich Präsident Blaise Compaoré nach 27 Jahren an der Macht eine weitere Amtszeit genehmigte. Anschließend ebneten sie den Weg für freie Wahlen.

In Simbabwe kehrte die Armee wenige Wochen nach einem Putsch, mit dem sie den Langzeit-Despoten Robert Mugabe im vergangenen November zum Abdanken gezwungen hatte, am 18. Dezember in die Kasernen zurück.

Und in Gambia sorgten Truppen der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas Anfang 2017 dafür, dass Staatschef Yahya Jammeh eine verlorene Wahl nicht mit einem Gewaltausbruch beantworten konnte, sondern ins Exil gehen musste. An dem Einsatz waren auch senegalesische Soldaten beteiligt, die zuvor eine Ausbildung durch das Bundesheer absolviert hatten. Entsprechend groß war die Erleichterung im österreichischen Verteidigungsministerium, dass die Intervention professionell und ohne Blutvergießen ablief. "Es ist abzusehen, dass es in Afrika viele Umbrüche geben wird. Umso wichtiger sind Armeen, die nicht selbst die Macht an sich reißen, sondern politische Lösungen ermöglichen wollen. Erst dadurch besteht eine Chance, dass auch ökonomische Maßnahmen greifen", so Barnet: "Wenn wir wollen, dass Afrikaner selbst afrikanische Probleme lösen, müssen wir sie unterstützen. Darauf läuft es letztlich hinaus."

Was 2012, als die Militärkooperation mit Westafrika beschlossen wurde, noch niemand vorhersehen konnte, waren die dramatischen Entwicklungen in den Sahel-Ländern. Im Schatten des Arabischen Frühlings machten sich auch in Regionen, die zuvor ein sehr entspanntes Verhältnis zur Religion ausgezeichnet hatte, Hardcore-Islamisten breit. Zeitweise standen große Teile von Mali unter der Fuchtel der Fundamentalistengruppe Ansar Dine, bis diese durch einen französisch geführten Militäreinsatz vertrieben wurde; im Norden Nigerias wütet bis heute die mit der Terrormiliz IS verbündete Gruppe Boko Haram.

Extremismus und Schleppergeschäft

Dazu kommen die Wirtschaftskrise, von der die Währungssysteme der Region in den vergangenen Jahren schwer in Mitleidenschaft gezogen wurden, und das extreme Bevölkerungswachstum, mit dem Infrastruktur, Bildungssystem, medizinische Versorgung und andere staatlichen Strukturen ebenso wenig mithalten können wie der Arbeitsmarkt, was junge Menschen ohne Aussicht auf Jobs dazu veranlasst, ihr Glück in der Auswanderung zu suchen - oder sie anfällig für religiösen Extremismus macht. Hier schließt sich ein Kreis. Denn die islamistischen Terrorgruppen im Sahel mischen auch im Schleppergeschäft mit. Sie verdienen in Zusammenarbeit mit kriminellen Organisationen an den Hunderttausenden Flüchtlingen und Migranten, die Westafrika auf ihrem Weg Richtung Europa passieren oder von dort aufbrechen.

"Wenn wir unsere Arbeit ordentlich machen, kann auch die Armee hier ihre Arbeit ordentlich machen. Und dann kommen weniger Flüchtlinge zu uns nach Österreich." So habe er seinen Eltern Sinn und Zweck der Entsendung nach Afrika erklärt, sagt einer der Jagdkommando-Leute.

Was sich zu Hause schon schwieriger vermitteln lässt, sind die Umstände, unter denen die österreichischen Soldaten in Kédougou hausen. Der 19 Mann starke Trupp hat als Quartier eine aufgelassene Hotelanlage am Stadtrand bezogen, in der es sich nur mit grimmigem Vergnügen an einem grindigen Dasein aushalten lässt - aber das muss man ohnehin mitbringen, wenn man sich zum Jagdkommando meldet: Das Spezialkommando des Bundesheers ist spezialisiert auf Einsätze unter besonders schwierigen Bedingungen.

Daran herrscht absolut kein Mangel, zumindest was den Zustand der Null-Stern-Unterkunft betrifft. An den Außenwänden der Ferienhäuschen blättert die Farbe ab; im Pool simmert eine giftgrüne Brühe. Wer in den Zimmern nachts die Taschenlampe einschaltet, hört das eilige Trippeln kleiner Füße in Richtung der nächstgelegenen dunklen Ecke.

Zusammenarbeit auf Augenhöhe

Sollte hier jemand ernsthaft verletzt werden oder erkranken, dauert es mindestens 16 Stunden bis zu einem Spital, das diesen Namen tatsächlich verdient. Kédougou liegt zwei volle Tage Fahrt von der Hauptstadt Dakar entfernt im äußersten Osten des Senegal. Nach Guinea sind es 20, nach Mali keine 100 Kilometer. Hier befindet sich die einzige nennenswerte Erhebung des Landes, ein knapp 600 Meter hoher Gebirgszug. An seinen Ausläufern finden die Übungen statt, die das Jagdkommando mit den senegalesischen Spezialeinheiten durchführt. Die Österreicher sagen, dass sie im Laufe des Trainings einigen Respekt vor der Professionalität, Disziplin und Wissbegier der senegalesischen Elitesoldaten bekommen haben. Diese wiederum lassen durchblicken, dass sie mit den Österreichern weitaus besser zurechtkommen als etwa mit den Militärberatern der früheren Kolonialmacht Frankreich - weil sie sich von Ersteren auf Augenhöhe behandelt fühlen.

Am letzten Trainingstag geht es zu einem Berg nahe der Ortschaft Bandafassi, der von den Jagdkommando-Leuten "Hohe Wand" getauft wurde, weil er fast senkrecht Richtung Südosten abfällt. Dort haben die Bergführer der Jagdkommando-Truppe einen Seilgarten angelegt. Nach dem Aufstieg gilt es, sich rund 50 Meter tief abzuseilen.

NULL-STERN-UNTERKUNFT: Das Quartier des Jagdkommando-Trupps in einer verlassenen Ferienanlage am Rand von Kédougou

Warum aber ein Klettertraining, wenn es im Senegal , abgesehen von der Gegend um Kédougou, keine Berge gibt?

Der Senegal kooperiert eng mit der G5 Sahel, zu der sich Mauretanien, Mali, Niger, Burkina Faso und Tschad zusammengeschlossen haben, um Maßnahmen zu Armutsbekämpfung, Infrastrukturausbau, Landwirtschaft und Sicherheit in der Region zu koordinieren. Unter reger Beteiligung Frankreichs und seines Tausendsassa-Staatspräsidenten Emmanuel Macron ist dabei in jüngster Zeit die Terrorbekämpfung in den Vordergrund getreten.

Die Senegalesen rechnen offenbar damit, verstärkt in Mali zum Einsatz zu kommen, wo immer noch mehrere dschihadistische Gruppierungen aktiv sind - etwa in der Provinz Kidal. Dort kamen durch Anschläge von Islamisten heuer bereits sechs UN-Blauhelme ums Leben.

Und Kidal ist durchaus gebirgig. Bis zu 800 Meter hoch sind die Felsstöcke, die dort aus der Sahara ragen. In diesem Terrain können Kenntnisse der alpinen Bergsteigerei durchaus von Vorteil sein. Also den Klettergurt angelegt und ab in die Tiefe. So martialisch es tags zuvor beim simulierten Gefecht zugegangen ist, so ruhig wirkt die Atmosphäre jetzt. Seile, Knoten und Karabiner werden penibel kontrolliert. In einer Felswand gibt es die Kategorie "Übung" nicht. Wer einen Fehler macht, stürzt ab. Und das kann keine nachträgliche Manöverkritik wiedergutmachen.

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