Religion

Ende eines Provokateurs

Komplex, widersprüchlich, revolutionär und fast immer freundlich – Papst Franziskus war unbestritten einer der interessanten, spannendsten und provokantesten Päpste der modernden Kirchengeschichte. Er verstarb am Ostermontag 88-jährig an den Folgen einer Bronchitis.

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„Da werden sich jetzt weltweit einige die Hände reiben”, meint ein Monsignore aus dem Vatikan, der namentlich nicht genannt werden will. „Nicht wenige warten seit Jahren auf das Ableben seiner Heiligkeit.”

Wen der Insider aus dem Kirchenstaat, der in der Verwaltung des Staatssekretariats arbeitet, damit meint? „All jene, denen der ganze Kurs dieses Pontifikats komplett gegen den Strich geht”.

Es war ein erstaunliches Prontifikat, voller Reformen und Widersprüche. Dass er einmal Pontifex seiner Kirche werden würde, hätte er selbst wohl am wenigsten erwartet. Als am 13. März 2013 sein Name als Nachfolger von Papst Benedikt XVI. verkündet wurde staunten nicht wenige. Galt er doch in keiner Weise als „papabile”, als möglicher Nachfolger.

Im Jahr 1936 als Sohn italienischer Auswanderer geboren, überraschte Jorge Mario Bergoglio schon früh. Zunächst arbeitete er als Chemietechniker. 1958 dann die radikale Kehrtwende: Bergoglio trat in den Jesuitenorden ein, studierte Theologie und wurde zum Verfechter einer sog. Theologie des Volkes, eine argentinische Variante der Befreiungstheologie. 1969 erhielt er die Priesterweihe. Sein Verhältnis zur argentinischen Militärdiktatur ist nicht ganz geklärt und immer noch umstritten. Es sollen Beweise dafür vorliegen, dass er zwei  linke Jesuitenpriester, Franz Jalics und Orlando Yorio, 1976 beim Militär als Terroristen denunziert haben soll. Das behaupten vor allem die beiden Betroffenen.

Kritik an der Kirche

1992 begann Bergoglios Kirchenkarriere. Johannes Paul II. ernannte den bescheiden auftretenden Geistlichen zum Weihbischof und danach zum Erzbischof. Ein Erzbischof, der sich im Kampf gegen die Armut einen Namen machte. 2001 erhielt er die Kardinalswürde. Diese Karriere hielt Bergoglio aber nicht davon ab, sich auch weiterhin gegen die Armut und gegen eine Kirche auszusprechen, die seiner Meinung zu wenig gegen die Wurzeln von Armut und Ungerechtigkeit tut. Und so eckte er zunehmend an, vor allem mit der konservativen katholischen Kirche und konservativen Politikern. In Italien – und in den USA.

Zu den entschiedensten Gegnern von Papa Francesco gehörten etwa die US-amerikanischen Anhänger der „Kirche des Widerstands”. Gemeint ist der Widerstand gegen die politischen und kirchenpolitischen Ansichten und Entscheidungen des im Alter von fast 88 Jahren verstorbenen Papstes.

Dieser Kirche des Widerstands gehört seit einigen Jahren auch James D. Vance an. Der heutige Vizepräsident der Vereinigten Staaten diente 2019 als Marine im Irak, als er „Die Stadt Gottes” des Heiligen Augustinus las – und sich zum Katholizismus bekehrte. Zum Katholizismus, wie er beispielsweise von Carlo Maria Viganò repräsentiert wird – jenem berühmt-berüchtigten Monsignore aus Italien, der von 2011 bis 2016 Nuntius des Heiligen Stuhls in den USA war. Im Juli vergangenen Jahres wurde er von der römischen Glaubensbehörde auf Anweisung seines Vorgesetzten, Papst Franziskus, exkommuniziert.

Eine aufsehenerregende Entscheidung, aber Viganò hatte sich zu oft und zu laut kritisch gegen den Papst ausgesprochen.

Nicht nur, dass er ein radikaler „no-vax“ ist, ein kompromissloser Impfgegner, und die Ansichten der rechtsextremen Gruppe QAnon vertritt. Vor allem sein militanter Kampf gegen die Kirche von Franziskus machte Viganò den Garaus. Hatte er Franziskus doch nicht nur scharf kritisiert und beschimpft, sondern auch dessen sofortigen Rücktritt aufgefordert. Viganò nannte Franziskus einen „Feind der Kirche”, der Freimaurerideen in das Haus Gottes gebracht habe, um die Rückkehr des Antichristen vorzubereiten.