Migranten mit Schutzmasken in Paris.

Paris: Bürokratie gegen Pandemie

Die Behörden verlangen Passierscheine, aber viele Pariser in ärmeren Vierteln ignorieren die Ausgangssperre, beobachtet CHRISTINA FEIST im 18. Arrondissement.

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Cafés, Restaurants, Fitnessstudios und dergleichen waren bereits geschlossen, als die französische Regierung knapp vor Beginn der landesweiten Quarantäne noch den ersten Durchgang der Kommunalwahlen abhielt. Absurderweise wurde gleichzeitig dazu aufgerufen, Reisen auf ein Minimum zu reduzieren und das Haus möglichst nicht zu verlassen.

Die Pariser ließen sich davon aber nur wenig beeindrucken. Viele genossen dicht gedrängt in Parks die Frühlingssonne. Wer konnte, floh mit Kind und Kegel in voll gepackten Autos aufs Land. Seither gleichen bourgeoise Pariser Stadtteile einer Geisterstadt … während in anderen Vierteln gesellschaftliche Probleme noch sichtbarer werden. Das ist auch im 18. Arrondissement, unweit der Touristenattraktionen von Montmartre, der Fall. Nahe der Métro-Station Barbès-Rochechouart, im Viertel Chateau Rouge, führen Armut, beschränkter Wohnraum und Obdachlosigkeit dazu, dass sich das Leben für viele weiterhin auf der Straße abspielt. Die Polizei, die die Einhaltung der Vorkehrungen hier verstärkt kontrolliert, wurde in den ersten Tagen beschimpft, bespuckt und angehustet. Drohende Geld- und Gefängnisstrafen werden nicht ernst genommen.

Auch nach acht Tagen Ausgangssperre belächeln viele noch die gesetzten Maßnahmen. „Unsere Regierung bekämpft die Pandemie mit Bürokratie“, heißt es in den Sozialen Medien über die eingeführten Passierscheine.

Denn wer die eigenen vier Wände verlassen will, muss sich selbst eine schriftliche Erlaubnis ausstellen und diese unterschrieben, in Papierform mitführen. Das zugehörige Formular steht auf der Homepage des französischen Innenministeriums zum Download bereit. Wer keinen Drucker zu Hause hat, darf die „Attestation de déplacement dérogatoire“ („Bescheid über die Fortbewegung in Ausnahmefällen“) per Hand schreiben.

Neben Name, Geburtsdatum und Wohnadresse, müssen auch das aktuelle Datum, die Uhrzeit und der Grund für das Verlassen des Hauses angegeben werden: Ausüben des Berufs, sofern das Arbeiten von zu Hause aus nicht möglich ist (zusätzlich braucht es hier eine Bestätigung des Arbeitgebers); notwendigster Einkauf in Supermarkt oder Apotheke; Arztbesuch; familiäre Gründe, etwa zur Kinderbetreuung oder zur Unterstützung von besonders gefährdeten Personen; Sport oder Gassi gehen mit dem Hund, wobei der Aufenthalt im Freien nur im Umkreis von einem Kilometer des Wohnhauses und für maximal eine Stunde am Stück erlaubt ist.

Trotz der immer strikteren Maßnahmen bleibt von der anfänglichen Fluchtpanik nur noch der gelassene Gang vorbei am halbvollen Nudelregal im Supermarkt. Doch jeden Abend um 20 Uhr zeigt sich dann die französische Brüderlichkeit, wenn die Pariser von Balkonen und Fenstern den Einsatzkräften an vorderster Front applaudieren – manchmal hupt auch die Müllabfuhr im Takt dazu.