Türkei

PKK-Chef Abdullah Öcalan an seine Kampfgenossen: Die Waffen nieder!

Spektakuläre Entwicklung im Kurden-Konflikt: Am Donnerstag rief der inhaftierte PKK-Führer Abdullah Öcalan seine Genossen auf, den bewaffneten Kampf zu beenden und die PKK aufzulösen.

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In einer aufsehenerregenden Ankündigung hat Abdullah Öcalan, 75, Mitbegründer und langjähriger Anführer der kurdischen Arbeiterpartei PKK, deren Anhänger am Donnerstagnachmittag dazu aufgerufen, den bewaffneten Kampf zu beenden: „Die PKK soll sich auflösen, ich fordere sie auf, die Waffen niederzulegen“, erklärte Öcalan wörtlich. Seit seiner Verhaftung durch türkische Spezialkräfte im Jahr 1999 ist Öcalan in der Türkei in Haft, fast durchwegs in völliger Isolation. Die von der Türkei und ihren westlichen Verbündeten als Terror-Organisation eingestufte und verbotene PKK kämpfte bis zuletzt mit Waffengewalt gegen den türkischen Staat. Erst im Oktober tötete ein PKK-Kommando in Ankara bei einem Angriff auf eine türkische Rüstungsfirma fünf Menschen. Zu dem Zeitpunkt waren die Verhandlungen zwischen der pro-kurdischen Partei DEM und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, die nun in Öcalans Deklaration mündeten, offenbar schon fortgeschritten.

Die PKK war 1978 gegründet worden und kämpfte seit 1984 gewaltsam für eine Autonomie Kurdistans von der Türkei; mehr als 40.000 Menschen sind in diesem Kampf ums Leben gekommen. Öcalan schickte seinen Aufruf von der Gefängnisinsel Imrali aus, wo er weiterhin in Haft ist. Ob die verschiedenen Fraktionen der PKK seinem Appell ohne Weiteres folgen werden, war zunächst nicht absehbar. Der britische "Guardian" zitierte einen PKK-Kommandanten, demzufolge die Waffen wohl nur dann schweigen würden, wenn Öcalan auch aus der Haft entlassen werde. Die Folgen der Ankündigung werden jedenfalls weit über die Türkei hinauswirken, sind bewaffnete kurdische Verbände doch vor allem in Syrien und im Irak stark präsent. In den Verhandlungen der pro-kurdischen DEM mit Ankara, in die auch die neue syrische Regierung eingebunden war, dürfte die Möglichkeit einer relativen kurdischen Autonomie in Nordsyrien ins Spiel gebracht worden sein. „Der demokratische Konsens ist der grundlegende Weg“, erklärte Öcalan am Donnerstag, und: „Ich übernehme die historische Verantwortung für diesen Aufruf.“

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur und ist seit 2020 Textchef dieses Magazins.