profil-Crime: Sieben mörderische Brüder
Dieser Text erschien im profil Nr. 21 / 2021 vom 21.05.2021
Eine Windhose wirbelt den roten Staub auf, der Häuser, Straßen und auch die Moschee bedeckt, die auf einer kleinen Anhöhe steht. Das Stück Land, das sich von dieser Moschee bis zum Ende des kleinen Tals erstreckt, gehört der Familie von Hamza Abdullah. Es ist kurz nach sechs Uhr abends, Hamza geht langsam, seine Worte vermischen sich mit dem Rauschen des Windes, bald werden sie lauter, schärfer. Er wiederholt die Worte, als fürchtete er, sie zu vergessen, als hätte er Angst, der Wind würde sie davontragen. Vermischt mit dem Wind klingen sie wie ein Gebet, doch das sind sie nicht: "Es war sein Land. Es war sein Zuhause. Er wollte hier begraben werden", sagt der 30-Jährige.
Hamza spricht von seinem Vater. Das Fleckchen Land am Rand der Stadt war stets der Ort, an dem er Ruhe fand. Heute ist es das Grab von fünf Menschen. Hamzas Vater, seine drei Brüder und ein Cousin, abgeführt in einer Winternacht, getötet ohne Gnade.
Das Haus der Familie, ein ockerfarbener Bau, wie alle anderen Häuser bedeckt von rotem Sand, ist zu einem Zuhause der Überlebenden geworden.
Hamza ist einer der Überlebenden, weil er nicht in Libyen war, sondern in Schottland, um seinen Studienabschluss zu machen, er ist Zivilingenieur. Oder besser: Er war einer.
Als sie alle Männer der Familie entführt hatten, kam er nach Hause, um sich um die zu kümmern, die noch da waren: die Frauen, die Kinder-und um die Fragen über das Verschwinden.
Als Hamza durch die Eingangstür tritt, ruft er die Erinnerungen an jene Nacht wach: die schwarzen Autos, die draußen warten, eine Gruppe bewaffneter Männer, die auf das Dach klettert, und andere, mit Kapuzen, die sich Zutritt zum Haus verschaffen, alle Türen aufreißen und die Männer mitnehmen, einen nach dem anderen.
Hamza kennt jedes Detail, denn seine Mutter und seine Schwestern haben ihm seither jeden Tag von dieser Nacht erzählt.
Jetzt bewegen sich die Frauen im Haus, die anderen Überlebenden, wie Gespenster. Sie huschen zwischen der Wäsche hindurch, die zum Trocknen aufgehängt ist, durch das Pfeifen des Windes und die Erinnerungen an ein zerbrochenes Leben.
"Mein Vater war Manager im Transportministerium. Eines Tages forderte man ihn auf, Dokumente zu unterzeichnen, um Projekte abzusegnen. Es waren Verträge, die ihnen widerrechtlich zuerkannt worden waren. Mein Vater verweigerte seine Zustimmung. Sie sagten nur: Wir schießen dir in den Kopf. Also packte mein Vater seine Sachen, verließ das Büro und fürchtete von da an um das Leben eines jeden in seiner Familie. Er plante ihre Flucht, doch noch ehe er sie aus der Stadt bringen konnte, hatte man sie schon entführt. Sie waren gnadenlos."
Wenn Hamza "sie" sagt, meint er die Al-Kani-Miliz, eine grausame bewaffnete Gruppe, die das Leben in Tarhuna über Jahre beherrscht hat.
"Jeder wusste, was hier los ist, die frühere Regierung unter Fayez al-Sarraj wusste es und unterstützte sie dennoch über Jahre, ihr neuer Verbündeter, Khalifa Haftar, weiß es, und auch die aktuelle Regierung weiß es. Ihre Grausamkeit war immer allen bekannt, und dennoch hat sie nie jemand gestoppt, denn es war einfach zu praktisch für viele, Al-Kani an ihrer Seite zu haben."
"Wir werden dich kriegen"
Hamza bekommt bis zum heutigen Tag Drohungen. Zum Beweis zeigt er sein Mobiltelefon. "Wir werden dich kriegen", steht auf dem Display, anonyme Botschaften im Auftrag der Al-Kani. Er kann nicht schlafen, ebenso wie seine Schwestern und die Kinder. Und wie seine Mutter, die seit jener Nacht kaum noch spricht oder isst oder das Haus verlässt.
"Werden sie uns vor den Mördern beschützen, früher oder später, oder werden sie das Land für immer in den Händen der Milizen lassen?" Hamza sagt das mehr zu sich selbst als zu den Leuten, die im Raum sind. Er sagt es und denkt dabei an seine Angst vor den Al-Kani, die im Gegensatz zu ihnen sicher sind, die im vergangenen April, als sie erkannten, dass der Krieg um Tripolis sich dem Ende zuneigte, Richtung Osten in die Kyrenaika geflohen sind.
Die türkische Armee war zur Unterstützung der Regierung in Tripolis angekommen, mit Männern, Kampfdrohnen und Söldnern. Tarhuna sollte die entscheidende Schlacht werden. Die Al-Kani wussten, dass es aussichtslos war, und flohen kampflos.
Seither leben sie ungestört in Bengasi, beschützt von Haftars Truppen. Wahrscheinlich warten sie darauf, dass sich der Wind erneut dreht; um sich dann, zum x-ten Mal, neu zu positionieren.
Die Geschichte der Stadt Tarhuna reicht aus, um zu erzählen, was in Libyen geschehen ist, was heute geschieht, und um die Angst zu beschreiben vor dem, was noch kommen könnte.
Die jüngere Geschichte der Stadt genügt, um die Widersprüche des ganzen Landes zu erklären; die Geheimnisse, die sich seit einem Jahr offenbaren; die Geister, begraben in Massengräbern, 17 davon wurden seit dem Ende des Krieges um Tripolis im Frühling 2020 entdeckt.
Die Al-Kani-Miliz hatte Tarhuna lange Zeit beherrscht: Sieben Brüder-Abdul-Khaliq, Mohammed, Muammar, Abdul-Rahim, Mohsen, Ali und Abdul-Adhim-unterwarfen Zehntausende Menschen acht Jahre lang ihrem Terror-Regime.
Sie waren einst Anhänger des Diktators Muammar al-Gaddafi gewesen und folgerichtig Gegenrevolutionäre nach dessen Sturz im Jahr 2011. Seither schafften sie es jedes Mal, sich neue Allianzen zu suchen, wann immer der Wind sich drehte. Sie organisierten eine schlagkräftige Brigade von Tausenden Kämpfern und übernahmen die Kontrolle in Tarhuna. Wie die meisten Milizen profitierten sie vom Zugang zu staatlichen Geldern und ernteten Zustimmung mithilfe von Waffengewalt.
Die andere Seite der Macht folgte den Regeln ethnisch begründeter Rache und Erpressung. Ihre Autorität sicherte sie ab, indem sie Terror verbreitete.
In Tarhuna erinnern sich die Leute an eine Parade eines Konvois ihrer Militärfahrzeuge im Jahr 2017. Auf dem Dach eines weißen Pick-ups lagen zwei Löwinnen als Symbol der Angst, die den Bewohnern von den Al-Kani-Brüdern eingeflößt werden sollte. Man erzählt sich, dass die sieben Brüder die Löwinnen mit den Leichen ihrer Feinde fütterten.
Im "Todesdreieck"
Sie kontrollierten das gesamte öffentliche Leben und schufen einen Staat im Staat. Sie übernahmen die Polizei, verleibten sich die Zementfabrik ein, die Mineralwasserfabrik Qasr Ben Ghechir und all die anderen Unternehmen in der Gegend südlich von Tripolis bis herauf nach Tarhuna.
Sie bauten ein einträgliches Geschäft auf, indem sie Ladenbesitzern ihre Unternehmen abzwangen. Außerdem bereicherten sie sich durch Lösegeld aus Entführungen. Bankangestellte mussten ihnen Namen und Adressen von Kontoinhabern nennen, die hohe Summen auf ihren Konten hatten. Diese Leute wurden dann nachts gekidnappt. Die Entführungsopfer mussten erst all ihre Ersparnisse beheben, danach wurden sie getötet. Ihre Leichen wurden an einer Kreuzung an der Einfahrt zur Stadt für alle sichtbar platziert. Dieser Ort trägt seither den Namen "Todesdreieck".
Die Al-Kani-Brüder wurden auch von Menschenhändlern und Schmugglern bezahlt, denn Tarhuna liegt an jener Route, die von der Wüste zur Küste führt. Wer immer durch die Stadt fuhr, musste eine Art Bestechungsgeld abliefern.
Mit den Erträgen erweiterten sie ihr Militärarsenal und heuerten lokale und ausländische Söldner an, etwa aus dem Tschad und dem Sudan. Jeder der Brüder spielte in dem Stadtstaat eine eigene Rolle, Abdul Rahim etwa war der Chef des Sicherheitsapparates, Moshen befehligte die Miliz. Sein Gesicht wurde zu seinen Ehren auf die Mauer der Militärbaracken gemalt. Heute ist es von Einschusslöchern übersät. Im Jahr 2016 unterstützte die Al-Kani-Familie die Regierung der Nationalen Übereinkunft unter Präsident Fayez al-Sarraj, die den Rückhalt der Vereinten Nationen genießt. Im Gegenzug profitiert die Al-Kani-Familie von wirtschaftlicher Unterstützung durch die Vereinten Nationen. Weil die Al-Kani auch eine Art Antiterrortruppe betreiben, haben sie ein Anrecht auf finanzielle Zuwendungen des Innenministeriums. So arbeiten viele bewaffnete Gruppierungen. Es reicht aus, eine bewaffnete Einheit zum Kampf gegen den Terror und das Verbrechen zusammenzustellen, um politische Legitimität zu erlangen und staatliche Förderungen zu bekommen. Auch wenn der andere Teil der Miliz seine Hände in illegalem Menschenhandel hat und abscheuliche Verbrechen begeht.
Doch obwohl die Al-Kani-Miliz formell mit der Regierung der Nationalen Übereinkunft verbunden ist, wurde sie an den Rand gedrängt, als die vier mächtigsten Milizen der Hauptstadt das sogenannte "Tripolis-Kartell" gründeten.
Die Al-Kani-Miliz geriet in Konflikt mit anderen Milizen und galt vorübergehend als Teil des Verbundes von lokalen Al-Kaida-Milizen, bis sie zu Beginn des Tripolis-Krieges im April des Jahres 2019 zu den Hauptverbündeten des Warlords Khalifa Haftar in dieser Gegend wurde. Damit wechselte sie de facto die Seite und unterstützte ihre früheren Feinde.
Plötzlich wurde sie in Haftars Medien als "militärische Elite-Einheit" gefeiert und führte in seinem Auftrag einen schmutzigen Krieg. Einmal kidnappte sie zwölf Soldaten der Regierungsseite, folterte sie, schnitt ihnen die Genitalien ab und schändete ihre Leichen.
Haftar machte aus der Stadt Tarhuna, die 80 Kilometer südöstlich von Tripolis liegt, einen strategischen Stützpunkt, um von dort aus die Hauptstadt einzunehmen. Tarhuna zu verlieren, das war gleichbedeutend mit der Niederlage im Krieg.
So kam es auch, als die Türkei im vergangenen Jahr schwere Waffen und Truppen zur Verstärkung der Regierungsarmee ins Land brachte. Anstatt sich auf ein aussichtsloses Gefecht einzulassen, verließ die Al-Kani-Miliz die Stadt und flüchtete in die von Haftar kontrollierte Region Kyrenaika im Osten des Landes.
Sie hinterließ eine Spur von Blut und Tod, die an den Rand der Stadt führt; zu den 17 Massengräbern, wo bereits 200 Leichen entdeckt wurden. 50 von ihnen wurden bereits identifiziert und in Würde bestattet. Hunderte Menschen sind noch abgängig.
Muhammad Ali Kosher ist der provisorische Bürgermeister von Tarhuna. Sein Clan war immer schon ein Gegenspieler des Al-Kani-Clans. Sein Haus ist zerstört, die männlichen Familienmitglieder wurden entführt und sind nicht wieder aufgetaucht.
In Koshers Büro herrscht hektisches Treiben, hier arbeiten die Mitglieder der Vereinigung für Verschwundene, und hierher kommen auch Menschen, die nach ihrer Flucht aus der Stadt nach Hause zurückgekehrt sind und finanzielle Hilfe benötigen.
Auch Karima, die aus Sicherheitsgründen ihren Nachnamen nicht nennen will. Sie sitzt nur da, weint und wiederholt immer wieder: "Alle tot, alle tot." Sie trauert um ihre Brüder und ihren Ehemann, die getötet wurden, und die Kinder, die verschwunden sind.
Vor drei Jahren hatte ein junger Mann aus ihrer Familie eine Auseinandersetzung mit einem Mitglied des Al-Kani-Clans. Ein Massaker war die Vergeltung. Innerhalb einer einzigen Nacht wurden alle Männer von Karimas Clan gefangen genommen und weggebracht.
"Sie verschonten nicht einmal die Kinder", sagt Karima und erzählt, wie sie versuchte, einen ihrer Neffen zu retten, indem sie ihm Mädchenkleider anzog und mit sich nahm. "Wenigstens den einen", sagt sie. Doch am Checkpoint an der Stadtgrenze wurde der Bub erkannt und vor ihren Augen getötet. Er war acht Jahre alt.
Im Büro des Bürgermeisters sind auch eine Menge Soldaten, die von außerhalb der Stadt zurückkehren und von den Teams berichten, die dort an den Massengräbern arbeiten.
"Heute haben sie drei Leichen gefunden", sagt Bürgermeister Ali Kosher, "es waren zum Glück erwachsene Männer."
Es ist ihm sichtlich unangenehm, die Worte "zum Glück erwachsene Männer" auszusprechen, deshalb setzt er zu einer Erklärung an. Er habe auch schon Leichen von Frauen gesehen, darunter eine Schwangere, und die Leichen gefolterter Kinder, und Leichen, die Sauerstoffmasken trugen. Man hatte sie aus dem Krankenhaus mitgenommen, hinaus auf die Felder. Möglicherweise seien sie bei lebendigem Leib begraben worden.
Ein Mann wurde in seinem Auto begraben, die Hände ans Lenkrad gefesselt. Ein Bagger hob eine Grube aus, sie stellten das Auto hinein und schütteten das Loch wieder zu.
Die meisten dieser Massengräber befinden sich in einem Gebiet namens Machrou al Rabt, etwa zehn Kilometer außerhalb der Stadt. Man entdeckte sie gegen Ende des Krieges im Frühling des vergangenen Jahres.
Die Bewohner von Tarhuna begannen, die Polizei zu benachrichtigen und zu schildern, was sie gehört hatten - den nächtlichen Lärm der Bagger - und was sie gesehen hatten. Wie ganze Familien im Morgengrauen weggebracht und nie wieder gesehen wurden. Seit Monaten gibt nun der rötliche Boden rund um Tarhuna seine Geheimnisse preis, und die einsamen Frauen, die Überlebenden dieser Geisterstadt, haben begonnen zu reden.
Das Land ist unterteilt in Rechtecke, die mit rot-weißen Bändern markiert sind, um das Arbeitspensum der Teams abzugrenzen. Sobald Überreste einer Leiche auftauchen, beginnen die Arbeiter vorsichtig zu schaufeln, um zunächst herauszufinden, um wie viele Körper es sich handelt.
"Die Gräber sind von Migranten geschaufelt worden, wir haben Beweise dafür in den Gefängnissen gefunden", sagt Farj Ashgheer, ein Mitglied der Vereinigung der Familien der Vermissten. Ein Milizionär des Al-Kani-Clans habe nach seiner Verhaftung gestanden, dass man Migranten dazu genötigt hatte, Massengräber auszuheben und in Gefechten Munition nachzuladen. In den Gefängnisarchiven habe man weitere Beweise gefunden. Die Al-Kani-Miliz notierte die Daten, an denen Migranten abgeholt und weggebracht wurden.
Am Tag der Befreiung fand man Dutzende von ihnen, eingesperrt in illegalen Internierungslagern, verschreckt und hungrig. Sie hatten seit Tagen nichts gegessen.
Ein Jahr ist seit der Befreiung der Stadt vergangen, und immer noch kommen Geister aus den Gefängnissen hervor. Sogar die abgestandene Luft, die aus den Zellen strömt, enthüllt ihre Geheimnisse.
Tarek Mohammed Dhaw al-Amri war sieben Monate lang zusammen mit 70 anderen in den Militärbaracken von Da'am eingesperrt. Die Al-Kani-Miliz verdächtigte ihn, ein Verräter zu sein, der Informationen an die Soldaten der Regierungsarmee weitergebe.
Die ersten zehn Tage wurde er gefoltert. Zwei Männer hielten ihn fest, zwei weitere schlugen ihn mit Plastikstangen und peitschten ihn aus. Dann sperrten sie Tarek in Zelle Nummer eins. Drei mal zwei Meter groß, mit zehn Häftlingen belegt. "Wir schliefen abwechselnd",erzählt er, "fünf standen, fünf lagen am Boden."
Die Zelle war dunkel und kalt, aber immerhin war es nicht die Zelle der zum Tod Geweihten, Zelle Nummer zwei, ohne Licht und mit wenig Luft.
"Jeden Tag holten sie jemanden aus Zelle Nummer zwei, verbanden ihm die Augen, und zwei oder drei Minuten später hörten wir einen Schuss. Wir verstanden sehr bald, dass das die Zelle derer war, die zum Tod verurteilt waren."
Als den Al-Kani-Leuten klar wurde, dass sie den Krieg verloren hatten, begannen sie, willkürlich zu töten, grundlos und brutal. "Jeden Tag dachte ich, dass ich bald drankomme, jedes Mal, wenn sie die Zellentür öffneten, dachte ich: Jetzt bin ich dran."
Erinnerung an die Tragödie
Er kam nicht dran, die Stadt wurde befreit, bevor er exekutiert werden konnte. Tarek ist am Leben, aber er hat Freunde und Verwandte sterben sehen, darunter Ezzedine Bouzwaida. Als er sich an die Worte seines Freundes erinnert - "bitte die Frauen in meiner Familie, mir zu vergeben"-, weint Tarek. Die Tränen laufen ihm die Wangen herab und landen auf seiner Uniform. Er wischt sie ab - mit der Bescheidenheit eines Überlebenden, wie einer, der die Erinnerung an die Tragödie aufzubewahren weiß.
Dort bewahrt er auch sein Verlangen nach Rache auf. Tarek ist jetzt Teil der Sicherheitskräfte der Stadt. Die sogenannten "444th Men", vermummt und bewaffnet, bewachen die Ein- und Ausfahrten der Stadt. Im März haben die EU-Außenminister wegen schwerer Menschenrechtsvergehen Sanktionen gegen die Al-Kani-Brüder verhängt. Die neue Regierung des endlich vereinten Libyen war da schon in Genf vereidigt worden.
Doch nationale Einheit gab und gibt es nur auf dem Papier.
Libyen bleibt ein gebrochenes Land. Die Al-Kani leben ungestört, unbestraft und sicher in Bengasi, immer noch unter der Kontrolle Haftars, und bedrohen, selbst aus der Entfernung jene, die in Tarhuna geblieben sind. Vielleicht warten sie nur darauf, zurückzukehren, vielleicht warten sie nur darauf, dass der Wind sich wieder dreht.
Vielleicht warten sie darauf, sich nach ihrem Machtverlust neu zu gruppieren.
"Frieden ist das Ziel unserer Religion", sagt Tarek an der Tür des Raumes, der einmal seine Zelle war; doch ein Frieden mit den Mördern sei nicht möglich. Es könne keine Versöhnung geben mit jenen, die die Menschen Tarhunas ausgerottet haben.
"Keine Gnade Haftars Männern."
FRANCESCA MANNOCCHI ist eine italienische Journalistin, Filmemacherin und Autorin. Gemeinsam mit dem Fotografen Alessio Romenzi berichtet sie seit Jahren aus und über Libyen. Sie lieferte zudem Reportagen aus dem Irak, Syrien und der Türkei. Im Jahr 2016 erschien Mannocchis und Romenzis Film "If I Close My Eyes" über syrische Flüchtlinge im Libanon.