profil-Morgenpost: Virale Verschwörungen
Wie geht es Donald Trump? Der US-Präsident ist an Covid-19 erkrankt, doch sein wahrer Zustand bleibt im Dunklen. In einer Videobotschaft von Sonntag sah er überraschend gut aus, auch bei seinem Kurzbesuch im gepanzerten SUV zu wartenden Fans vor dem Krankenhaus war ihm nichts anzumerken. Wie Trumps Erkrankung verläuft, welche Langzeitfolgen sie haben wird (auch politisch!), das wird sich erst zeigen. Klar ist schon jetzt: Die Diagnose hat eine neue Welle an Verschwörungstheorien losgetreten.
Der Präsident täusche die Krankheit nur vor, um das Virus durch eine rasche „Genesung“ zu verharmlosen, heißt es etwa. Oder: Trump wolle nur davon ablenken, dass er keine Steuern zahlt. Nach der desaströsen TV-Debatte mit Joe Biden wolle er sich vor weiteren Auseinandersetzungen drücken – oder überhaupt gleich die Wahlen verschieben.
Einmal abgesehen davon, dass die allermeisten dieser Theorien nicht nur haltlos sind, sondern auch keinen Sinn ergeben (wieso sollte Trump etwa kurz vor den Wahlen auf öffentliche Auftritte verzichten wollen?), ist seine Erkrankung mit Covid-19 nun wirklich keine große Überraschung: Trump war viel unter Leuten, hat bis zuletzt Hände geschüttelt und so gut wie nie eine Maske getragen. Er hat die Gefahr des Coronavirus heruntergespielt und sich über jene, denen es Angst macht, lustig gemacht.
Wie Trump selbst immer wieder Falschmeldungen verbreitet, wie er für große Verunsicherung sorgt und durch sein unvorhersehbares Verhalten zahlreiche Kabinettsmitglieder vergrault hat, schildert Robert Treichler eindrucksvoll im aktuellen profil. Seit vergangenen Freitag ist es vergleichsweise still geworden um den Präsidenten. Doch die Verschwörungsmaschine braucht ihn nicht, um sich weiter zu drehen.
Die Nachrichtenseite Buzzfeed veröffentlichte eine Liste von Falschmeldungen, die mit Trumps Erkrankung zu tun haben. Angefangen hat es am Freitag kurz nachdem Trump verkündet hatte, positiv auf das Coronavirus getestet worden zu sein. Zuvor war eines der sogenannten „Doomsday Planes“ aufgestiegen. Dabei handelt es sich um mobile Kommandoposten, die bei Krisen dafür sorgen sollen, dass die Regierung handlungsfähig bleibt. Eines dieser Flugzeuge war im Rahmen einer Routineübung gestartet – und nicht, wie ein tausendfach geteilter Tweet behauptete, aufgrund der Erkrankung Trumps.
Viel Reichweite erhielt auch die Behauptung, Trumps Herausforderer Joe Biden habe sich ebenfalls infiziert. Als „Beweis“ hielt eine zusammengeschnittene Rede her, die wirkt, als hätte Biden ständig gehustet. Dass der demokratische Präsidentschaftskandidat negativ getestet wurde, spielt keine Rolle: Während solche Fake News oft „viral gehen“, also tausendfach verbreitet werden, erreichen die Richtigstellungen die meisten Menschen nicht.
Wieder aufgewärmt wurde eine Falschmeldung von 2017. Schon damals kursierte in den Sozialen Medien ein vermeintlicher Ausschnitt aus einer Simpsons-Folge, die Trumps Tod während seiner Amtszeit vorhergesagt hätte. In dem tausendfach geteilten Bild liegt Trump – als gelbe Simpsons-Figur – in einem Sarg, davor steht ein Sicherheitsmann mit Sonnenbrille. Nur: Eine solche Simpsons-Folge hat es nie gegeben.
Den Vogel abgeschossen hat aber die Verschwörungstheorie der Anhänger QAnons. Die Gruppe verbreitet ihre bizarren Behauptungen seit 2016, zentral ist dabei das Hirngespinst, eine weltweite Elite würde Kinder entführen und foltern, um ihr Blut zu trinken. Für QAnon, die Trump als ihren Helden und Retter auserkoren haben, war nach der Verkündung seiner Erkrankung schnell klar: Der Präsident täuscht das alles nur vor, um die Verhaftung Hillary Clintons voranzutreiben – die der Verschwörungstruppe als Drahtzieherin des blutrünstigen Kinderhandelsrings gilt. Den Beweis für ihre aktuelle Behauptung wollen die Anhänger QAnons in einem Tweet Trumps gefunden haben. Die Verkündung, dass er und seine Ehefrau Melania positiv getestet wurden, schloss Trump mit den Worten „We will get through this together“, wir werden das gemeinsam durchstehen. „Together“, sei eine versteckte Botschaft, gemeint sei eigentlich „to get her“: Clinton zu kriegen, sie zu fassen.
Das mag jetzt absurd klingen, lachhaft. Nur: Bei QAnon handelt es sich nicht nur um ein paar Spinner im Internet. Nicht nur, dass die Republikaner die Verschwörungstheorien nicht als den bizarren Unsinn verurteilt haben, die sie sind, sie bewerben sie teils sogar. Das gilt nicht nur für knapp zwei Dutzend Kandidaten für den US-Kongress, sondern auch für Trump selbst. Der Präsident hat immer wieder Sympathien für QAnon gezeigt – und damit Millionen Menschen erreicht. Die Richtigstellungen durch seriöse Medien schaffen nur einen Bruchteil davon.
In diesem Sinne: Bleiben Sie nicht nur gesund, sondern auch (richtig) informiert.
Siobhán Geets