AfD-Chefin Frauke Petry. Mit Waffengewalt gegen Flüchtlinge

Rechtspopulismus der AfD: Ach, liebe Deutsche!

Rechtspopulismus der AfD: Ach, liebe Deutsche!

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Nein, wir wollen jetzt nicht hämisch sein, bestimmt nicht. Wir hatten bloß schon länger das Gefühl, dass es nicht mit rechten Dingen zugehen kann, wenn ihr gleichzeitig Fußballweltmeister seid, einen Budgetüberschuss erwirtschaftet und keine unappetitliche Rechts-Partei im Bundestag habt. Gut, irgendwer muss Fußballweltmeister werden, und einen Budgetüberschuss kann man auch durch übertriebene schwäbische Knausrigkeit erreichen. Kein Neid also. Aber wie ihr es geschafft habt, die Anti-Ausländer-Anti-Islam-Anti-EU-Meute von überall fernzuhalten, wo Erwachsene sich vernünftig darüber austauschen, wie das Land regiert werden soll, das war uns schleierhaft.

Leider ist damit jetzt wohl Schluss. Die Partei Alternative für Deutschland (AfD) liegt in Umfragen bei 12,5 Prozent und etabliert sich zusehends als das, was wir höflich als „rechtspopulistische Kraft“ bezeichnen müssen und uns dabei in die Lippe beißen. Tröstet euch: Es könnte schlimmer sein. Ihr habt mit der AfD Glück im Unglück. Die Partei wurde 2013 als Protestbewegung gegen die Euro-Rettungspolitik gegründet – ein Gründungsgedanke, den wir unserer heimischen Rechtspartei FPÖ wünschen würden; deren Geschichte verzeichnet in den Worten des Politologen Anton Pelinka „eine Kontinuität, die auch die NSDAP mit einschließt“. Der historische Unterschied hatte unter anderem zur Folge, dass die stellvertretende AfD-Chefin Beatrix von Storch die EU-Rettungsmechanismen ESM und EFSF als „wirklich unverschämt“ bezeichnete, während der selige FPÖ-Chef Jörg Haider die Beschäftigungspolitik der Nazis als „ordentlich“ würdigte. Das ist mehr als eine Nuance.

Außerdem sind 12,5 Prozent als allerhöchster Umfragewert der AfD zwar beachtlich, aber in Österreich würden viele auf den Straßen tanzen, wenn die FPÖ unter 20 Prozent rutschte. Andererseits hat auch hier Haider mal klein angefangen, und heute liegt die Partei mit seinem Nachfolger Heinz-Christian Strache in bundesweiten Umfragen bei 30 Prozent. Was tun also? Ihr diskutiert in Deutschland gerade sehr lebhaft, ob TV-Sender zu Talkshows AfD-Politiker einladen sollen. Der Versuch, „alle ins Gespräch zu bringen“ sei „in manchem eine Selbstaufgabe“, schreibt spiegel.de-Kommentator Georg Diez. Also nein. „Es gilt, diese geistigen Brandstifter als zutiefst undemokratisch und verfassungsfeindlich zu entlarven. Totschweigen oder ignorieren geht nicht mehr“ sagt ARD-Kommentator Rainald Becker. Also doch ja?

Wer Mandate erringt und Wahlen gewinnt, muss auch an Debatten teilnehmen dürfen.

Leute, wir haben all das hinter uns. Und nicht nur wir, auch die Franzosen, die Niederländer, die Finnen. Marine Le Pen, Chefin des Front National, wurde jahrelang nicht als Gast in Nachrichtensendungen eingeladen und beschwerte sich darüber genüsslich. „Warum wird sie denn nicht eingeladen? Haben sie Angst vor ihr?“, fragten ihre Anhänger. Sie draußen zu lassen, war ohnehin nicht durchzuhalten. Wer Mandate erringt und Wahlen gewinnt, muss auch an Debatten teilnehmen dürfen.

Noch schwieriger ist die politische Ausgrenzung. Als Österreichs Bundeskanzler Franz Vranitzky 1986 schwor, nicht mit der FPÖ unter Haider zusammenzuarbeiten, lag diese bei unter zehn Prozent. Als Vranitzky 1997 abtrat, kam die FPÖ auf über 20 Prozent. Je nach Wahlrecht kann man die jeweils drittstärkste Partei auch ganz von der Macht fernhalten. In Frankreich gelang das mit dem Front National ganz gut. Bloß führte die Märtyrer-Rolle dazu, dass der FN mittlerweile in Umfragen stärkste Partei ist – wie auch die FPÖ.

Vorsicht bei ewigen Schwüren, niemals mit den Rechtspopulisten zusammenzuarbeiten. Die Ewigkeit findet unvermutet – etwa anlässlich einer burgenländischen Landtagswahl – ein jähes Ende, und was dann?

Wir haben alles versucht. Donnerstags-Demonstrationen, EU-Sanktionen und sogar die Verhinderung von Bällen. Wir können euch leider nur Rezepte für eine Sachertorte geben, die sitzen bleibt.

In unserem Fundus an vermeintlichen Wahrheiten über den Erfolg von Rechtspopulisten haben wir noch ein paar Ladenhüter. Zum Beispiel den: Die Wähler der Rechten sind immer mehrheitlich männlich. Dummerweise hat Marine Le Pen den Anteil der weiblichen Wählerschaft massiv erhöht. Das deutet darauf hin, dass rechte Wählerinnen lieber rechte Politikerinnen wählen, aber was fangen wir mit der Weisheit an?

Klingt all das schrecklich fatalistisch? Nun ja, wir haben eben schon ein gutes Dutzend Ausländerwahlkämpfe hinter uns, und Heinz-Christian Strache ist in der Kanzlerfrage Nummer eins.

Moment, hier ist vielleicht doch ein Tipp, den wir selbst beherzigen sollten: Wir tappen viel zu oft in die Empörungsfalle, anstatt den Quatsch, den Rechtspopulisten sagen, als das zu behandeln, was er ist. Quatsch eben. AfD-Chefin Frauke Petry will die Grenze mit Waffengewalt gegen Flüchtlinge verteidigen? Die Frau ist zum Schießen! Marine Le Pen will Frankreich aus dem Euro lotsen? Sogar fast die Hälfte der Front-National-Wähler hält das für Unsinn.

Zugegeben, viele gute Ratschläge waren das nicht. Aber falls ihr wissen wollt, wie man eine Autobahnmaut einführt, da könnten wir euch helfen.

Robert   Treichler

Robert Treichler

Ressortleitung Ausland, stellvertretender Chefredakteur