Robert Treichler: Freuen Sie sich (nicht zu früh)!

Mit einem Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump sollte man noch warten.

Drucken

Schriftgröße

Haben Sie schon unterschrieben? Sie müssen nicht einmal die US-Staatsbürgerschaft besitzen, um auf change.org eine Petition zu unterzeichnen, in der ein Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Donald Trump gefordert wird. 246.299 Personen haben dies bereits getan. Noch mehr, nämlich 1,108.625 Unterzeichner, sind es auf impeachdonaldtrumpnow.org. Letztere Initiative genießt allerdings den Startvorteil, bereits am 20. Januar 2017, dem Tag der Angelobung von Donald Trump, zu dessen Absetzung aufgerufen zu haben.

Nach nur vier Monaten sieht es so aus, als würde der Aktivismus der Trump-Gegner der ersten Stunde bald belohnt. Das „I-Wort“ hat den Washingtoner Kongress erreicht. Ein Impeachment, ein Amtsenthebungsverfahren, ist die einzige legale Möglichkeit, einen US-Präsidenten gegen seinen Willen aus dem Weißen Haus zu entfernen.

Gibt es bereits jetzt gute Gründe dafür, dieses drastische Mittel einzusetzen?

Einiges spricht dafür. Trump habe sich – so der Vorwurf – der Behinderung der Justiz schuldig gemacht, als er FBI-Chef James Comey unter vier Augen aufforderte, die Ermittlungen gegen Michael Flynn, Trumps bereits entlassenen Nationalen Sicherheitsberater, einzustellen. Behinderung der Justiz ist ein Delikt, das ein Impeachment rechtfertigt.

Der Verdacht, wonach Trumps Wahlkampfteam illegale Kontakte mit russischen Amtsträgern gepflogen habe, richtet sich hingegen – bislang – nicht gegen den Präsidenten selbst.

Es ist noch nicht bekannt, ob es von dem Gespräch zwischen Trump und Comey eine Tonbandaufzeichnung gibt, bisher ist ein Aktenvermerk, den Comey unmittelbar nach der Unterredung angefertigt haben soll, der einzige Beleg. In einem Verfahren müsste allfälliges Beweismaterial jedenfalls herausgerückt werden und Trump unter Eid aussagen.

Das klingt durchaus viel versprechend.

Allerdings birgt ein Impeachment-Verfahren zum jetzigen Zeitpunkt auch ein enormes Risiko. Zur Einleitung einer solchen Prozedur bedarf es einer einfachen Mehrheit im Repräsentantenhaus. Dort halten die Republikaner, Trumps Partei, eine Mehrheit von 238 zu 193 gegenüber den Demokraten. Das ist die erste Hürde. Danach wandert der Prozess in den Senat, der am Ende per Abstimmung über Schuld oder Freispruch urteilt. Auch dort haben die Republikaner eine Mehrheit von 52 zu 48 Sitzen. Für einen Schuldspruch bedarf es dann einer Zweidrittelmehrheit.

Wie wahrscheinlich ist das?

Ein voreiliges Impeachment könnte sich leicht als kontraproduktiv erweisen.

Das Impeachment-Verfahren gegen US-Präsident Bill Clinton, das 1999 mit einem Freispruch endete, liefert einige Anhaltspunkte. Auch damals lautete einer der Anklagepunkte Behinderung der Justiz (der zweite war Meineid). Bei der namentlichen Abstimmung im Senat stimmten alle Abgeordneten von Clintons Demokratischer Partei mit „nicht schuldig“, während nur fünf Republikaner ebenso in beiden Fällen einen Freispruch fällten. Die Bewertung von Schuld oder Unschuld hängt also sehr stark von der Parteibindung ab.

Noch hält die große Mehrheit der Republikaner an Trump fest – das könnte sich ändern, wenn sie eine Niederlage bei den Kongresswahlen im November 2018 befürchten müssen. Noch steht eine Anklage gegen Trump auf zu schwachen Beinen, um entgegen der Zusammensetzung des Kongresses Erfolgsaussichten zu haben.

Ein voreiliges Impeachment könnte sich leicht als kontraproduktiv erweisen. Gegen den US-Präsidenten George W. Bush wurde während seiner Amtszeit eine Resolution mit insgesamt 35 potenziellen Gründen für ein Amtsenthebungsverfahren eingebracht – vom Irakkrieg über das Versagen des Krisenmanagements beim Hurrikan Katrina bis zur Klimaerwärmung. Erwartbar ohne weitere Konsequenzen.

Ein klarer Freispruch in einem Impeachment-Verfahren im ersten Jahr seiner Amtszeit würde Donald Trump für die verbleibenden drei Jahre stärken. Viel sinnvoller ist es, auf die hartnäckige Arbeit des Sonderermittlers Robert Mueller zu setzen. Der frühere FBI-Chef ist beauftragt, die obskuren Verbindungen zwischen Trumps Wahlkampf-Team und russischen Behördenvertretern zu beleuchten. Es kann Monate dauern, bis Muellers Nachforschungen Ergebnisse zeitigen, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass am Ende auch der Präsident selbst ins Fadenkreuz des Ermittlers gerät.

Auch da belegt ein Rückblick auf das Impeachment-Verfahren gegen Clinton, welche anfangs ungeahnten Konsequenzen die Einsetzung eines Sonderermittlers entfalten kann: Der damalige Sonderermittler Kenneth Starr hatte 1994 mit Untersuchungen rund um Immobiliendeals der Clintons begonnen. Bedrohlich für den Präsidenten wurde es erst, als Starr vier Jahre später die außerehelichen Beziehungen des Präsidenten ins Visier nahm.

Der vom Justizministerium eingesetzte Robert Mueller hat die Kompetenz, die nötigen Befugnisse und die erforderliche Glaubwürdigkeit, um allenfalls eine Akte Trump vorzulegen, die ein Impeachment unausweichlich macht.

Die Beweise müssen erdrückend sein, der öffentliche Druck riesig, die Republikaner unter Zugzwang.

Erst dann sollten Sie unterschreiben.

[email protected] Twitter: @robtreichler

Robert   Treichler

Robert Treichler

Ressortleitung Ausland, stellvertretender Chefredakteur