Historische Entscheidung: Saudi-Arabien erlaubt Frauen das Autofahren
Historische Entscheidung in Saudi-Arabien: Als letztes Land der Welt erlaubt das wahhabitische Königreich Frauen das Autofahren. Völlig überraschend ordnete König Salman per Dekret an, Führerscheine auch an Frauen auszugeben. Menschenrechtsaktivisten kämpften seit mehr als drei Jahrzehnten gegen das Fahrverbot in dem streng islamischen Land. International wurde der Schritt begrüßt.
"Wir haben es geschafft", jubelte auch die saudi-arabische Menschenrechtsaktivistin Manal al-Sharif im Kurzbotschaftendienst Twitter. Sie hatte 2011 die Protestbewegung gegen das Fahrverbot für Frauen, "Women2Drive", ins Leben gerufen. Viele Frauen im Land konnten die Neuigkeit zunächst nicht fassen: "Das glaube ich erst, wenn ich es mit eigenen Augen sehe", sagte Shatha Dusri, eine Angestellte der Ölfirma Aramco im ost-saudiarabischen Dahran. Eine Frau twitterte ein Foto von drei Frauen in einem Cabriolet auf Einkaufstour. "Bald auch wir", schrieb sie dazu.
Andere spotteten über ultrakonservative Geistliche, die sich so lange Zeit erfolgreich gegen ein Ende des Banns gewehrt hatten – unter anderem mit dem Argument, Frauen am Steuer förderten die sexuelle Freizügigkeit oder beschädigten ihre Eierstöcke.
Ab Juni kommenden Jahres dürfen Frauen dem Dekret zufolge nun am Steuer sitzen, wie die staatliche Nachrichtenagentur SPA am Dienstagabend meldete. Bis dahin soll alles auf die Millionen neuen Teilnehmerinnen im Straßenverkehr vorbereitet sein.
Die Entscheidung des Königs ist Teil eines gigantischen Reformprojektes: Im Rahmen von "Vision 2030" will Riad seine Wirtschaft und Gesellschaft umfassend modernisieren. Treibende Kraft hinter dem Projekt ist der 32-jährige Kronprinz Mohammed bin Salman. Er will die absolutistische Monarchie, in der mehr als die Hälfte der Einwohner jünger als 25 sind, auf die Zeit vorbereiten, in der die Öleinnahmen nicht mehr so fließen wie bisher.
In dem streng islamisch konservativen Land unterliegen Frauen zahlreichen Beschränkungen: Noch immer muss ein männlicher Vormund – meistens der Vater, Ehemann oder Bruder – erlauben, dass eine Frau studieren oder reisen darf. Frauen müssen entweder für viel Geld einen Privatchauffeur nehmen. Oder ihr Mann muss sie fahren. Selbst fahren zu können, würde zudem Frauen viele Arbeitsmöglichkeiten eröffnen. Unklar war zunächst, ob die Frauen auch für den Erwerb des Führerscheins die Erlaubnis ihres Vormunds brauchen.
Zuletzt gab es bereits einige behutsame Lockerungen: Erst am vergangenen Wochenende begingen Männer wie Frauen den Nationalfeiertag erstmals gemeinsam tanzend auf der Straße. Frauen wurde außerdem zum ersten Mal Zutritt zu einem Sportstadion gewährt, wo sie in Begleitung ihrer Familien die Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag verfolgen konnten. Im Juli erlaubte das Bildungsministerium die Teilnahme von Mädchen am Sportunterricht staatlicher Schulen.
Im Ausland wurde das Ende des Fahrverbots für Frauen durchweg begrüßt. US-Präsident Donald Trump sprach von einem "positiven Schritt zur Förderung der Rechte und Möglichkeiten von Frauen" in Saudi-Arabien. UNO-Generalsekretär Antonio Guterres lobte den "Schritt in die richtige Richtung". Amnesty International feierte den "Mut der Aktivistinnen", deren jahrelanger Kampf das Umdenken erst ermöglicht habe.
Einige Experten sprechen aber auch von einem PR-Coup. Sie werfen Riad vor, mit den revolutionären Ausweitungen von Frauenrechten nur vom scharfen Vorgehen der Regierung gegen Kritiker ablenken zu wollen. Im September waren mehr als 20 Menschen festgenommen worden, unter ihnen einflussreiche Kleriker und Aktivisten.