Balkan

Serbien sitzt auf einem Schatz

Europa braucht Elektroautos. Ein kleines Tal auf dem Balkan soll das Lithium dafür liefern. Mit Widerstand ist zu rechnen.

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In einer Holzhütte auf einem Acker im Westen Serbiens hängt das Konterfei von Gavrilo Princip an der Wand: jener nationalistische Attentäter, der am 28. Juni 1914 den österreichisch-ungarischen Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajevo ermordete.

„Wir sind alle ein bisschen wie Gavrilo“, sagt Zlatko Kokanović, ein Milchbauer mit klobigen Wanderschuhen und grimmigem Blick, „weil auch wir gegen ein Imperium kämpfen.“

Kokanović besitzt 30 Hektar Wald und Wiesen im Jadar-Tal, einer malerischen Landschaft an der Grenze zu Bosnien-Herzegowina. Das Gebiet wird auch die Kornkammer Serbiens genannt, ist bekannt für seine Schweinezucht und sein sauberes Trinkwasser. Jetzt störe ein „Imperium“ diese Idylle, so sieht das zumindest der Milchbauer Kokanović.

Kokanović besitzt 30 Hektar Wald und Wiesen im Jadar-Tal, einer malerischen Landschaft an der Grenze zu Bosnien-Herzegowina. Das Gebiet wird auch die Kornkammer Serbiens genannt, ist bekannt für seine Schweinezucht und sein sauberes Trinkwasser. Jetzt störe ein „Imperium“ diese Idylle, so sieht das zumindest der Milchbauer Kokanović.

Er meint „Rio Tinto“, der mit einem Jahresumsatz von 54 Milliarden US-Dollar einer der größten Bergbaukonzerne der Welt ist. Vor mehr als 20 Jahren schickte der britisch-australische Rohstoffriese die ersten Geologen in Kokanovićs Tal. Sie suchten nach Bor, einem Halbmetall, das unter anderem in der Glasindustrie eingesetzt wird, stießen am Ende aber auf etwas viel Wertvolleres: Lithium. Unter den Feldern von Kokanović schlummert ein Schatz, um den ein geopolitisches Wettrennen zwischen Europa und China entbrannt ist.

Ohne Lithium keine Energiewende

Lithium gilt als Schlüsselrohstoff für die Energiewende. Das Leichtmetall wird in den Batterien von Elektroautos verwendet. Rio Tinto will es aus der Erde schürfen und in einer Fabrik zu Lithiumkarbonat weiterverarbeiten, einem weißen Pulver. Bis zu acht Kilogramm davon braucht man für ein durchschnittliches Elektroauto, für einen Tesla sogar über 50 Kilogramm. Die internationale Energieagentur schätzt, dass sich der globale Bedarf bis 2040 verneunfachen wird. Ohne Lithium sind alle politischen Ziele, die sich die EU im Kampf gegen den Klimawandel setzt, wirkungslos. Ohne Lithium kein Verbrenner-Aus, keine Dekarbonisierung und kein Green Deal. Ab 2035 dürfen in der EU nur noch emissionsfreie Neuwagen auf den Markt gebracht werden. Österreichs Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) will dieses Ziel bereits ab 2030 einhalten.

Im Jadar-Tal fahren die Bewohner keine Teslas, sondern Traktoren und Benzinautos. „In Serbien können sich die Menschen keine Elektroautos leisten. Die sind für das Ausland, damit die junge Generation in Westeuropa eine gesunde und grüne Zukunft hat“, glaubt der Milchbauer Kokanović. Ihn hingegen plagen Sorgen. „Womit soll ich in Zukunft meine Kühe füttern? Wer wird meine Milch kaufen, wenn die Mine erst einmal steht?“, fragt er. Und immer wieder hört man im Jadar-Tal auch die Frage: „Warum bei uns? Europa hat doch selbst genug Lithium.“

Ein Anruf bei Matthias Wachter, Abteilungsleiter für Rohstoffe beim Bundesverband der deutschen Industrien (BDI). „Es ist nicht so, als ob Europa keine Rohstoffe hätte. Deutschland beispielsweise hat das zehntgrößte Lithium-Vorkommen der Welt. Aber wir fördern diese Rohstoffe nicht, weil Bergbau umweltbelastend und energieintensiv ist“, so Wachter.

Franziska Tschinderle

Franziska Tschinderle

schreibt seit 2021 im Außenpolitik-Ressort. Studium Zeitgeschichte und Journalismus in Wien. Schwerpunkt Südosteuropa / Balkan.