Smer-Abgeordnete: „Die Slowakei kann der Ukraine nichts mehr geben“
Bei einem Wahlsieg Ficos würde die Slowakei die Waffenlieferungen an die Ukraine einstellen, sagt die Smer-Europaabgeordnete Katarína Roth Neveďalová.
Der Wahlkampf in der Slowakei ist von Gewalt begleitet. Politiker gehen aufeinander los, es gab Hetze in den sozialen Medien. Was ist in Ihrem Land los?
Roth Neveďalová
Es gab ein paar Vorfälle mit Beteiligung unterschiedlicher Parteien. Ich würde aber nicht sagen, dass der Wahlkampf gewalttätig ist. Die Menschen sind gereizt, es ist eine schwere Zeit. Während der vergangenen Krisen haben die Einkommen gelitten, die Inflation ist hoch. Die Slowakei ist jetzt das zweitärmste Land der EU nach Bulgarien. Die Menschen sind skeptisch gegenüber der Regierung und Politik im Allgemeinen. Sie wollen mehr Stabilität und Sicherheit – und genau dafür steht Smer.
Ihre Partei hat gute Chancen auf eine Rückkehr zur Macht. Hat Parteichef Robert Fico sich in den vergangenen Jahren als Oppositionsführer neu erfunden?
Roth Neveďalová
Nein, denn er war immer ein guter Politiker, der stärkste seit dem Ende des Kommunismus in der Slowakei. Er führt die Meinungsumfragen an, jeder weiß, wofür er steht: für soziale Sicherheit.
Smer-Politiker wie der Abgeordnete Ľuboš Blaha betreiben Hetze in den sozialen Medien. Er behauptete etwa, Präsidentin Zuzana Čaputová wäre eine „Volksverräterin“. Auf Deutsch wurde der Begriff von den Sozialisten eingeführt, später wurde er häufig von den Nazis verwendet. Warum neigt sich Smer so nach rechts?
Roth Neveďalová
Das hat nichts mit rechter Politik zu tun. Sie haben das falsch übersetzt.
Volksverräter“ ist ein Lieblingsbegriff Rechtsextremer und Rechtspopulisten.
Roth Neveďalová
Vielleicht auf Deutsch, bei uns nicht.
Fico schließt eine mögliche Koalition mit rechtsextremen Parteien wie „Rebublik“ nicht aus. Smer bezeichnet sich selbst als sozialdemokratisch und links …
Roth Neveďalová
Jede demokratisch gewählte Partei ist demokratisch legitimiert. Doch wer mit uns koalieren will, muss unsere demokratischen und antifaschistischen Grundprinzipien unterstützen.
Dann kann es wohl keine Koalition mit „Republik“ geben. Die sind bestimmt nicht antifaschistisch.
Roth Neveďalová
Wir schließen prinzipiell keine Parteien im Vorhinein aus.
Smer ist Mitglied der Sozialdemokraten in Europa. Was hat die Partei noch mit der Fraktion gemeinsam?
Roth Neveďalová
Vieles. Wir kämpfen für den sozialen Wohlfahrtsstaat und die Rechte der Menschen, der Gewerkschaften und vulnerabler Gruppen. Innerhalb der Fraktion gibt es verschiedene Zugänge und Meinungen. Doch wir haben viel gemeinsam und kämpfen Seite an Seite.
Sie fordern eine diplomatische Lösung des Krieges in der Ukraine und kritisieren die Waffenlieferungen des Westens. Ohne diese kann sich die Ukraine aber nicht verteidigen. Wie könnte da überhaupt eine diplomatische Lösung zustande kommen?
Roth Neveďalová
Wir kämpfen für das Ende des Krieges und für Verhandlungen. Jedes Land bestimmt selbst, ob es Waffen an die Ukraine liefert. Wir kritisieren den Zugang der EU, die sich zum Kriegsteilnehmer gemacht hat. Dabei ist sie ein Friedensprojekt und kein Militärbündnis.
Das klingt, als sehen Sie Russland und die Ukraine als zwei gleichberechtigte Parteien in einem Konflikt. Können wir bei diesem Angriffskrieg wirklich neutral sein?
Roth Neveďalová
Die EU sollte sich für Frieden einsetzen und nicht für eine Verlängerung des Krieges. Die Slowakei kann der Ukraine nichts mehr geben, wir haben alles Militärmaterial geschickt, was wir haben. Die EU sollte sich aus diesem Konflikt heraushalten und vermitteln, anstatt sich für gemeinsame Beschaffung von Waffen einzusetzen. Ein jahrelanger Krieg hilft niemandem.
Fico macht die Ukraine und den Westen für den Krieg in der Ukraine verantwortlich. Stimmen Sie ihm zu?
Roth Neveďalová
Ich weiß nicht, was er genau gesagt hat, ich kann das nicht kommentieren.
Der Krieg, sagt Fico, „hat ja irgendwie begonnen“ – und nennt angebliche Massaker an russischen Zivilisten im Donbass durch die Ukraine. Ihr Parteikollege Blaha meint gar, dass „Krieg und Faschismus immer aus dem Westen kamen, Freiheit und Frieden aus dem Osten“. Blaha will die Slowakei von der „euro-amerikanischen Okkupation“ befreien. Was kann die Slowakei mit dieser antiwestlichen, prorussischen Haltung gewinnen?
Roth Neveďalová
Unsere Haltung ist nicht antiwestlich oder prorussisch. Fico hat so etwas nie gesagt. Blaha und Fico sind zwei verschiedene Menschen. Wir schätzen die Mitgliedschaft in EU und NATO und wollen daran nichts ändern.
Ficos Aussagen sind nicht antiamerikanisch? Er hat Präsidentin Čaputová als amerikanische Agentin bezeichnet.
Roth Neveďalová
Das ist doch nicht antiamerikanisch. Das ist eine von Medien vorangetriebene Vereinfachung, die nicht zutrifft.
Sie bezeichnen sich als Feministin, setzen sich für Gleichberechtigung ein. Es gibt in der slowakischen Politik nicht viele Frauen. Die bekannteste ist Čaputová – die heftig von Smer attackiert wird. Wie kommen Sie eigentlich mit dem Sexismus Ihrer männlichen Kollegen zurecht?
Roth Neveďalová
Ich sehe da keinen Sexismus. Kritik an Frauen ist nicht per se Sexismus.
Bei den Angriffen auf Čaputová handelte es sich nicht um sachliche Kritik, sondern um eine Schmutzkampagne gegen sie und ihre Familie, auch Čaputovás Aussehen wurde verhöhnt. Fico behauptete, das Präsidialamt werde von der US-Botschaft in Bratislava geleitet, Čaputová erstattete wegen dieser Verleumdungen Strafanzeige.
Roth Neveďalová
Das ist kein Sexismus. Es ist eine politische Meinung. Ja, es gibt nicht viele Frauen in der slowakischen Politik. Aber wieso sollte ich bei ihnen von Kritik absehen? Eines stimmt: Wir müssen mehr Frauen für Politik begeistern.
Wie verkraften Sie es als linke Feministin, dass die Smer-Regierung im Jahr 2020 mit Rechten und Neofaschisten kollaborierte, um die Ratifizierung der Istanbul-Konvention zur Verhinderung von Gewalt gegen Frauen abzulehnen?
Roth Neveďalová
Meine Partei hat etliche Gesetze zum Schutz von Frauen beschlossen. Die Debatte über die Istanbul-Konvention war sehr aufgeheizt, konservative Kräfte haben sie instrumentalisiert. Wir haben in der Slowakei ein gutes Gesetz gegen Gewalt an Frauen. Wir brauchen aber eine breite Debatte darüber – inklusive Gespräche mit Polizisten und Staatsanwälten.