Spanien schafft schrittweise den Stierkampf ab

Nicht nur den Sangría-Kampftrinkern auf dem "Ballermann“ sagt Mallorca den Kampf an: In der Arena der Hauptstadt Palma de Mallorca soll fortan auch kein einziger Tropfen Kampfstierblut mehr vergossen werden.

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Nachdem Tierschützer für die Kampagne "Mallorca Sense Sang“ (mallorquinisch für "ohne Blut“) gegen Stierkämpfe mehr als 130.000 Unterschriften gesammelt hatten, ist das Verbot in der Hauptstadt der spanischen Balearenregion nun Gesetz.

Die sozialistische PSOE hatte zusammen mit den linken "Podemos“-nahen Bürgerlisten "Som Palma“ ("Wir sind Palma“) und "Més per Palma“ ("Mehr für Palma“) für eine Mehrheit im Stadtrat gesorgt. Die neue, rechtsbürgerliche "Ciudadanos“-Liste ("Bürger“) und der in Spanien noch regierende rechtskonservative Partido Popular (PP) von Premier Mariano Rajoy stimmten gegen ein Verbot.

Nach Palma könnte nun auch im Regionalparlament der Balearen (Mallorca, Menorca, Ibiza, Formentera, Cabrera) eine Mehrheit für das Verbot des blutigen Spektakels gefunden werden. Tierschützer starteten kürzlich ein Volksbegehren, das auch das traditionelle "Correbous“-Bullentreiben abzuschaffen sucht. Die Urlaubsinseln wären damit nach Katalonien, das 2010 das Verbot durchsetzte, und den Kanarischen Inseln, seit 24 Jahren stierkampffrei, die dritte Region in Spanien, die "Corridas de Toros“ untersagt.

Auch Madrids neue Bürgermeisterin Manuela Carmena von der "Podemos“-nahen Bürgerliste "Ahora Madrid“ kündigte - wie ihre Amtskollegen in den Städten Saragossa und Valencia - an, fortan jegliche Subventionen für Stierkämpfe in Sozialhilfen umzuwidmen. Dasselbe Vorhaben brachte der neuen Bürgermeisterin von Ciempozuelos (Region Madrid), María Jesús Alonso ("Ahora Ciempozuelos“), Morddrohungen über diverse soziale Netzwerke ein. Während dem Stierkampf tendenziell ein Ende gesetzt wird, zogen in der baskischen Stadt San Sebastián, wo die linksnationalistische "Bildu“-Partei bei den jüngsten Wahlen abgewählt wurde, nach einem fünfjährigen Verbot wieder Bullen und Toreros in die Arena ein.

Stierkampf-Befürworter heben neben der kulturellen Tradition meist auch den Arten- und Landschaftsschutz hervor: Der iberische Stier (spanisch: "toro bravo“), eine alte, mit dem Auerochsen verwandte Art, würde ohne die Stierkämpfe aussterben. Und weitläufiges, von Stein- und Korkeichen gesäumtes Weideland, "Dehesa“ genannt, wäre nicht mehr bewirtschaftbar. Allerdings wird nur ein Zehntel dieser Landstriche - von in Summe knapp drei Millionen Hektar - für die Kampfstierzucht genutzt. Zum Vergleich: Auf 1,2 Millionen Hektar leisten hier Iberíco-Schweine einen weit größeren Beitrag zur Landschaftspflege. Von den rund 200.000 Jobs, die vom Stierkampf abhängig seien, lebten 15.000 Familien, lautet ein weiteres Argument: vom Zuchtbetrieb über Schwert- und Lanzenschmieden, Sattlern und Schneidern bis hin zum Management der Arenen. Laut einem Bericht des Vereins "Veterinärmediziner gegen Tierquälerei“ ist diese Zahl weit übertrieben; sie verschleiere außerdem die vielen Teilzeitstellen und damit einhergehenden prekären Beschäftigungen.

Zeitgeist

Ohne Förderungen der öffentlichen Hand wäre der Stierkampf wirtschaftlich nicht überlebensfähig. Nicht nur die sinkenden Besucherzahlen machen dem Stierkampfsektor in Spanien zu schaffen. Nach den Regional- und Kommunalwahlen von Ende Mai, bei denen "Podemos“-nahe, linke Bürgerlisten in einer Vielzahl von Städten und Gemeinden erfolgreich waren, streichen diese Fördermittel für Stierkämpfe.

Finanzierung

Die EU fördert Spaniens Stierkämpfe indirekt aus dem Agrar- sowie den Regionalentwicklungsfonds (2013: fast 130 Millionen Euro). Hinzu kommen jährlich 400.000 Euro aus dem Madrider Landwirtschaftsministerium sowie regionale und kommunale Subventionen: In Summe macht das fast 500 Millionen Euro für 270.000 Tiere.

Staatlicher Rundfunk als Stütze

Nicht zuletzt profitiert der Stierkampfsektor von Einnahmen für TV-Übertragungsrechte vom staatlichen Rundfunk RTVE - und somit vom Geld der Steuerzahler. Nun werden wieder Stierkämpfe entgegen dem Jugendschutz selbst im Nachmittagsprogramm gezeigt.

Frisierte Beschäftigungszahlen

Der "Verein der Veterinärmediziner gegen Tierquälerei“ wirft der Stierkampfbranche vor, Beschäftigungszahlen nach oben zu manipulieren: Binnen acht Jahren sank die Zahl der Stierkämpfe um mehr als 51 Prozent (2007: 3651; 2014: 1868). Zugleich stieg die Zahl der damit verbundenen Arbeitsplätze um 27,4 Prozent. Von den Toreros, die im offiziellen Register gelistet sind (2014: 10.194), sind außerdem 11,3 Prozent der als Beschäftigte geführten über 65 Jahre alt, sie müssten also dem Kollektivvertrag nach pensioniert sein.