Sprechchöre und Nachtwachen

In den ersten 100 Tagen der Amtszeit des Präsidenten haben sich auch die Protestgruppierungen organisiert.

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Wer heute, von San Francisco kommend, in den Süden des Silicon Valley fährt, wird auf der Interstate 880 von einer eher wenig subtilen Form des Protests empfangen: Auf einer riesigen, digitalen Plakatwand leuchtet den Abertausenden Autofahrern, die hier täglich vorbeikommen, die Aufforderung entgegen: "Elon: Please Dump Trump.“ Elon, bitte wirf Trump auf den Müll.

Im Tal der Techies, in dem Giganten wie Google, Facebook oder Uber zu Hause sind und das für seine sozial-liberalen Einstellungen bekannt ist, muss niemandem erklärt werden, wer damit gemeint ist - zumal die Fabrik des CEO des Elektroautobauers Tesla, Elon Musk, auch nur einen Steinwurf vom grellen Billboard entfernt ist. Die Aufforderung an Musk, den Wirtschaftsrat von Donald Trump zu verlassen, ist aber nicht nur an der I-880 zu sehen, sondern auch auf weiteren Plakatwänden im Tal sowie in einer Kampagne in lokalen Zeitungen. Überall auf den Anzeigen findet sich zudem in der unteren Ecke das Wort "Resist“ (Leiste Widerstand).

Es hat eine Zeit gedauert, bis der Widerstand gegen den neuen US-Präsidenten Donald Trump und seine Regierung Fahrt aufgenommen hat. Die ersten Wochen nach Trumps Wahlsieg verbrachten viele Demokraten damit, sich vom Schock der Wahlnacht zu erholen und zu grübeln, wie es möglich sein konnte, dass sie ihr eigenes Land und ihre Mitbürger so falsch eingeschätzt hatten. Im Dezember hatten sich die Ersten wieder gesammelt, trafen sich landauf und landab in kleinen Gruppen und feilten an einer Strategie, was nun zu tun sei.

Die Entwicklung glich ein wenig einer langen Zündschnur: E-Mail-und SMS-Listen von Unterstützern der Resist-Bewegung wuchsen über die Wochen sukzessive an, Anleitungen für künftige Aktivisten wurden erstellt und erst hundert-, dann tausendfach heruntergeladen, Gruppentreffen hatten plötzlich nicht mehr ein Dutzend, sondern über 1000 Teilnehmer. Am 21. Jänner schließlich erlebten die USA den größten Protest ihrer Geschichte. Drei bis fünf Millionen Menschen demonstrierten gegen den am Vortag vereidigten Präsidenten. Viele Teilnehmer berichten davon, dass jener Tag, der gemeinsame Marsch, die Sprechchöre und die Energie, der massive Aufstand in so vielen Städten, sie verändert habe.

Seither verbringen viele ihre Abende und Wochenenden damit, auf unterschiedliche Arten Widerstand zu leisten. Sie stürmen öffentliche Treffen von Kongressabgeordneten, protestieren vor deren Büros, halten Märsche für Rechte von Immigranten oder Transgender-Studenten ab, fordern Trump in Kundgebungen dazu auf, seine Steuererklärung zu veröffentlichen. Der Dienstag wurde zum Anti-Trump-Tuesday erklärt, wöchentliche Nachtwachen sollen Obamacare, das Krankenversicherungsgesetz, bewahren helfen. In den allermeisten Fällen verlaufen die Aktionen friedlich. Manchmal jedoch taucht der "Schwarze Block“ auf, und es kommt zu Ausschreitungen, wie zuletzt in der Universitätsstadt Berkeley.

Präsident Trump hat den Demonstranten wiederholt vorgeworfen, sie würden für ihre Proteste bezahlt. Republikanisch gesinnte Amerikaner bezeichnen die Widerstandsgruppen und ihre Aktionen als "Überreaktion“ oder "hysterisch“.

Geht es nach den Aktivisten, ist die Resist-Welle weiter ungebrochen. "Vielleicht kommen nicht immer Tausende, jedenfalls aber Hunderte Menschen zu lokalen Protestveranstaltungen“, sagt Kimi Lee, eine Aktivistin aus Oakland. Mittlerweile sei aber auch praktisch jeden zweiten Tag eine Aktion angesetzt. Der SMS-Verteiler von Bay Resistance, dem Zusammenschluss von mehreren Organisationen rund um San Francisco, dem Lee angehört, sei in drei Monaten auf 16.000 Mobilnummern angewachsen.

Auch wenn das Silicon Valley anfangs als eine der Brutstätten des Widerstands galt, hat sich laut Vanessa Williamson von der Denkfabrik Brookings Institution bis heute kein Ort und keine Organisation als Zentrum der Proteste hervorgetan. Die Anti-Trump-Bewegung spricht weder mit einer Stimme, noch gibt es eine übergreifende Strategie; sie besteht aus neu gegründeten Gruppierungen und alteingesessenen Institutionen wie der Bürgerrechtsorganisation ACLU oder Planned Parenthood (Geplante Elternschaft).

Mittlerweile offenbaren sich erste Änderungen im Zugang der Aktivisten. Lee erklärt, ihre Gruppe wolle nicht mehr nur protestieren, sondern vermehrt überlegen, wie man Menschen, die von der Politik Trumps betroffen sind, aktiv schützen kann. Laut Williamson stellen sich die Gruppen zunehmend die Frage, wie sie die Graswurzel-Energie in etablierte Organisationen und schließlich in Wählerstimmen konvertieren können. "Niemand ist so naiv, zu glauben, dass Protest alleine genügt.“