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Supreme-Court in den USA: Was kommt als Nächstes?

Das Ende des liberalen Abtreibungsrechts in den USA könnte erst der Anfang sein. Welche Grundrechte stehen noch auf dem Prüfstand?

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Liebe Leserinnen und Leser!

„Volle Kraft rückwärts“ – so hat meine Kollegin Siobhán Geets ihren dieswöchigen Kommentar übertitelt. Vergangenen Freitag hat der Supreme Court, der Oberste Gerichtshof in den USA, das landesweite Recht auf Schwangerschaftsabbrüche gekippt.

Mehr als 60 Prozent der US-Bürgerinnen und -Bürger sprechen sich laut Umfragen für das Recht auf Abtreibung aus. Doch am Supreme Court sind seit Donald Trump erzkonservative Richterinnen und Richter in der Mehrzahl: Es steht 6 zu 3.

Das, was in den USA passiert, ist zutiefst besorgniserregend. Zuallererst, weil Millionen Frauen nicht mehr über ihren eigenen Körper bestimmen können, aber auch, weil das Urteil ein Präzedenzfall sein könnte, dem weitere Rückschritte bei Grund- und Freiheitsrechten folgen.

Clarence Thomas, 74 Jahre alt, seit 1991 Richter am Obersten Gerichtshof und zutiefst konservativ, hat es in einer ersten Stellungnahme angekündigt: „In künftigen Fällen sollten wir alle Präzedenzfälle dieses Gerichtshofs, einschließlich Griswold, Lawrence und Obergefell, überdenken.“ Und weiter: „Wir haben die Pflicht, den in diesen Präzedenzfällen festgestellten Fehler zu korrigieren.“ Wofür stehen diese Schlagwörter? Es geht um Fragen, die das intimste Privatleben von Menschen berühren: Verhüte ich oder nicht? Mit wem habe ich Sex und darf ich meinen Partner heiraten?

Obergefell v. Hodges

Mit diesem Präzedenzfall ebnete der Oberste Gerichtshof 2015 den Weg zur Ehe für Alle. Seitdem dürfen Schwule und Lesben in den USA heiraten, wie heterosexuelle Paare auch.

Griswold v. Connecticut

Damit wurde 1965 das Recht auf Empfängnisverhütung in der Ehe ohne staatliche Einmischung festgelegt. Vereinfacht gesagt: Seitdem hat es den Staat nicht zu interessieren, ob Mann und Frau beim Sex Kondome oder die Pille benutzen oder nicht.

Lawrence vs. Texas

Mit diesem Grundsatzurteil wurden 2003 die sogenannten Sodomiegesetze aufgehoben. Seitdem steht einvernehmlicher Sex zwischen erwachsenen Männern nicht mehr unter Strafe.

Steht all das jetzt auf der Kippe? Können die Demokraten nur machtlos zusehen, wie Grund- und Freiheitsrechte in den USA erodieren?

Präsident Biden sprach von einem „tragischen Fehler“. Wortwörtlich nannte er das Urteil gegen das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche einen „zutiefst unamerikanischen Angriff.“

Seine Partei, die Demokraten, würden das Recht auf Abtreibung gerne bundesweit per Gesetz regeln. Dafür brauchen sie bei den Kongress-Wahlen im November aber die nötige Mehrheit. Das dürfte schwierig werden: Umfragen prognostizieren den Republikanern Zugewinne, nicht zuletzt aufgrund der grassierenden Inflation und den hohen Energiepreisen.

Die Demokraten werden dennoch mit dem Thema Freiheitsrechte in den Wahlkampf ziehen. Sie tun es bereits. „Der Schwangerschaftsabbruch ist nur der Auftakt“, meinte Nancy Pelosi, die Sprecherin des Repräsentantenhauses, nach der Urteilsverkündung.

Franziska Tschinderle

Franziska Tschinderle

Franziska Tschinderle

schreibt seit 2021 im Außenpolitik-Ressort. Studium Zeitgeschichte und Journalismus in Wien. Schwerpunkt Südosteuropa / Balkan.