Nach Trump-Drohung: Die Abrüstungsabkommen im historischen Überblick
Donald Trump kündigte am Wochenende an, die USA würden aus dem INF-Vertrag aussteigen. Das Abkommen aus dem Jahr 1987 zwischen den USA und der damaligen Sowjetunion untersagt den Bau und Besitz landgestützter, atomar bewaffneter Raketen oder Marschflugkörper mit einer Reichweite von 500 bis 5.500 Kilometern. Die USA und Russland werfen sich gegenseitig vor, den Vertrag gebrochen zu haben.
profil nimmt die aktuellen Entwicklungen zum Anlass, um einen Blick auf die Geschichte der Abrüstungsabkommen zwischen den USA und der Sowjetunion bzw. Russland zu werfen:
Nach dem Zweiten Weltkrieg begannen die beiden Supermächte USA und die Sowjetunion ein beispielloses atomares Wettrüsten, das mehrmals in einem militärischen Konflikt zu eskalieren drohte. Die wechselseitige Androhung des Atomkrieges gipfelte in der Kubakrise im Jahr 1962, die erstmals die mögliche Selbstauslöschung der Menschheit durch einen möglichen nuklearen Konflikt der beiden Supermächte heraufbeschwor. Die apokalyptische Dimension der Krise führte zu ersten Verhandlungen über eine Rüstungskontrolle.
17. November 1969, Helsinki: Die ersten Bemühungen, eine nukleare Eskalation des Kalten Krieges zu verhindern, beginnen mit den Gesprächen zu den sogenannten SALT I–Verträgen (Anm.: SALT steht für „Strategic Arms Limitation Talks“, also "Verträge zur nuklearen Rüstungsbegrenzung"). Die weiteren Sitzungen finden abwechselnd in Wien und Helsinki statt.
26. Mai 1972, Moskau: US-Präsident Richard Nixon und der sowjetische Generalsekretär Leonid Breschnew in Moskau unterzeichnen (nach über 130 Sitzungen) als Ergebnis der Verhandlungen den SALT I-Vertrag. Dieser beinhaltet den sogenannten ABM-Vertrag (Vertrag über die Begrenzung von antiballistischen Raketenabwehrsystemen) und ein Interimsabkommen, das im Wesentlichen aus einem Bauverbot für neue landgestützte Interkontinentalraketen (ICBM) und seegestützte Submarine-launched ballistic missiles (SLBM) besteht.
In den 1970er-Jahren kam es vorübergehend zu einer leichten Entspannung des Konfliktes - speziell nachdem die USA am 27. Januar 1973 mit dem kommunistischen Nordvietnam ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichneten und sich die letzten US-Truppen aus Südvietnam zurückgezogen hatten.
18. Juni 1979, Wien: Leonid Breschnew und US-Präsident Jimmy Carter unterzeichnen die sogenannten SALT II-Verträge, deren Verhandlungen 1972 in Genf begonnen hatten. SALT II war eine Reaktion auf SALT I, da bei SALT I nur die Langstreckenraketen limitiert wurden und nicht die Mittelstreckenraketen. Die Vertragsparteien verpflichten sich zu beiderseitig gleichen zahlenmäßigen Begrenzungen ihrer nuklear-strategischen Waffensysteme.
Später im Jahr 1979 markierten zwei nahezu gleichzeitig stattfindende Ereignisse das Ende der Entspannungspolitik und eine Verschärfung des Kalten Krieges: Der NATO-Doppelbeschluss, der das entstandene Übergewicht sowjetischer Mittelstreckenraketen neutralisieren sollte, und der sowjetische Einmarsch in Afghanistan, der auch strategische Interessen der USA an den Erdölreserven im Nahen und Mittleren Osten berührte. Hierauf reagierten die USA unter Präsident Jimmy Carter mit einem Boykott der Olympischen Sommerspiele 1980 in Moskau, dem die meisten westlichen Staaten sich anschlossen. 1984 boykottierte wiederum die Sowjetunion die Olympischen Spiele in Los Angeles. 1985 leitete der neue Generalsekretär des Politbüros, Michail Gorbatschow, ein Reformprogramm ein, das er Perestroika (Wende in Wirtschaft und Verwaltung) und Glasnost (Offenheit und Transparenz nach innen und außen) nannte. Die Beziehung zwischen den Supermächten verbesserte sich in der Folge stetig.
8. Dezember 1987, Washington: Reagan und Gorbatschow unterzeichnen den sogenannten INF-Vertrag (Anm.: im deutschen Sprachraum als „Washingtoner Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme“ bekannt). Der Vertrag sieht die Vernichtung aller landgestützten Flugkörper mit mittlerer und kürzerer Reichweite (500 bis 5500 Kilometer) und deren Produktionsverbot zwischen der Sowjetunion und den USA vor. Er wird am 1. Juni 1988 während eines Gipfeltreffens in Moskau in Kraft gesetzt.
Gorbatschows Politik, die die selbstbestimmten Entwicklungen in - ehemals von der Sowjetunion kontrollierten - osteuropäischen Ländern und den Fall der Berliner Mauer zur Folge hatte, führte dazu, dass am 21. November 1990 der Kalte Krieg formell beigelegt wurde. Mitte 1991 folgte schließlich die Auflösung des "Warschauer Pakts".
31. Juli 1991, Moskau: Fünf Monate vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion unterzeichnen US-Präsident George Bush und Michail Gorbatschow das START I-Abkommen (Anm.: START steht für „Strategic Arms Reduction Treaty“, also „Vertrag zur Verringerung strategischer Waffen“). START I sieht Maßnahmen zur gemeinsamen allmählichen Reduzierung strategischer Trägersysteme für Nuklearwaffen zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion bzw. Russland vor.
Die Sowjetunion wurde zum Jahresende 1991 aufgelöst. Die USA erlangten vorläufig den Status als "einzige globale Supermacht".
3. Januar 1993, Moskau: George Bush und Boris Jelzin unterzeichnen START II. Der Nachfolger von START I verlangt die Deaktivierung aller landgestützten Interkontinentalraketen mit Mehrfachsprengköpfen MIRV. Damit mussten alle russischen SS-18 Satan und amerikanischen Peacekeeper-Raketen vernichtet werden.
Unter Boris Jelzin (russischer Präsident von 1991 bis 1999) normalisierte sich das Verhältnis zwischen den einst so verfeindeten Mächten fast gänzlich. Mit US-Präsident Bill Clinton (Amtszeit 1993 bis 2001) verband Jelzin sogar eine persönliche Freundschaft. Seit Beginn der Amtszeit von Wladimir Putin (wurde im Mai 2000 russischer Präsident, Amtspause zwischen 2008 und 2012) verkomplizierte sich das bilaterale Verhältnis wieder zunehmend.
24. Mai 2002, Moskau: George W. Bush und Wladimir Putin unterzeichnen das SORT-Abkommen (Anm.: Strategic Offensive Reductions Treaty - "Vertrag zur Reduzierung Strategischer Offensivwaffen"). Beide Seiten erklärten sich bereit, anstelle des Abschlusses von START II unilateral die Sprengköpfe zu reduzieren. Dabei bezieht sich SORT jedoch anders als START II nicht auf Trägersysteme, sondern nur auf einsatzbereite Sprengköpfe.
13. Juni 2002, Washington: Die USA tritt unter Präsident George W. Bush einseitig vom ABM-Vertrag zurück, nachdem sie, wie vertraglich festgelegt, 6 Monate zuvor eine Absichtserklärung abgegeben hatten, in der sie dem Vertragspartner den Rücktritt ankündigten.
8. April 2010, Prag: Nachdem Ende Dezember 2009 der START I-Vertrag ausgelaufen war, unterzeichnen die Präsidenten Barack Obama und Dmitri Medwedew (von 2008 bis 2012 russischer Präsident) den bis 2020 gültigen New-START-Vertrag über Maßnahmen zur weiteren Reduzierung und Begrenzung der strategischen Angriffswaffen.
21. Oktober 2018, Washington: US-Präsident Donald Trump kündigt an, den im Jahr 1987 unterzeichneten INF-Vertrag aufkündigen zu wollen. Trump wirft Moskau vor, gegen das Abkommen verstoßen zu haben. Der russische Vize-Außenminister Sergej Rjabkow warnt vor dem "sehr gefährlichen Schritt".