„Trump muss ein russischer Einflussagent sein“

Von Siobhán Geets
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Sie haben drei Bücher über die Russland-Verbindungen Donald Trumps geschrieben. Müssen wir uns Sorgen machen?
Craig Unger
Ja, wir müssen uns große Sorgen machen. Aus diesem Grund habe ich mich dem Thema immer wieder gewidmet.
Sie haben unzählige Interviews mit ehemaligen russischen und amerikanischen Agenten geführt. Was macht Sie so sicher, dass Trump ein sogenanntes Asset ist, ein Einflussagent Russlands?
Unger
Ich bin mir komplett sicher. Anders als Agenten wissen Assets nicht unbedingt, dass sie als solche rekrutiert wurden. Der Agent übernimmt Operationen und Aufgaben und bekommt Geld. Die Beziehung zum Asset ist loser, es geht um den Handel mit Gefälligkeiten: Ich gebe dir eine Million Dollar, du bist nett zu mir. Du musst nicht einmal Kontakt zu Moskau haben, um ein Asset zu sein.
Craig Unger,
geboren 1949, ist ein US-amerikanischer Investigativjournalist. Der ehemalige Chefredakteur des „Boston Magazine“ und der „New York Metro“ schreibt für „Vanity Fair“, „The New Yorker“ und „The New York Magazine“. Mit „Trump in Putins Hand“ (2018) und „American Kompromat“ (2021) hat er zwei Bestseller über die Russland-Beziehungen Donald Trumps geschrieben. Zuletzt erschien im vergangenen Oktober „Den of Spies: Reagan, Carter, and the Secret History of the Treason That Stole the White House“ über die Präsidentschaftswahlen von 1980.
Kontakte hatte Trump aber nachweislich durchaus.
Unger
Die Sowjetunion hat ab den späten 1970ern Beziehungen zu den Trumps aufgebaut (1977 heiratete Donald Trump die Tschechoslowakin Ivana Zelníčková, Anm.). Trump war ein grottenschlechter Geschäftsmann, er ist sechsmal bankrottgegangen und wurde immer wieder mit russischem Geld gerettet. In den 1980ern hat er Beziehungen zur russischen Mafia aufgebaut. Ich habe mit Leuten vom KGB gesprochen, die genau beschreiben, wie es abgelaufen ist. Sie wussten damals natürlich nicht, dass er Präsident werden würde, so funktioniert das nicht. Das Ziel ist, Beziehungen zu Geschäftsleuten aufzubauen, zu Leuten, die Macht und Geld haben. Zu ihnen gehörten auch der britische Medienmogul Robert Maxwell und der amerikanische Ölbaron Michael Armand Hammer. Letzterer war damals schon recht alt, und so sah sich der KGB nach neuen Geschäftsleuten um. Es müssen Hunderte gewesen sein. Zum US-Präsidenten gewählt wurde dann aber nur einer.
In „American Kompromat“ beschreiben Sie, wie Trump über einen ukrainisch-jüdischen Geschäftsmann rekrutiert worden sei, der in Manhattan so etwas wie das Zentrum des KGB betrieb. Trump kaufte ihm 200 Fernseher ab …
Unger
Semyon Kislin betrieb ein Elektrowarengeschäft, für den KGB agierte er als Spotter, also als Agent, der geeignete Kandidaten für eine Rekrutierung sucht. Das Ganze begann etwa 1980, damals weitete die russische Mafia ihren Einfluss in New York aus. In seinem Laden verkaufte Kislin Fernseher und Videorekorder an russische Agenten, an Diplomaten, an alle, die zurück in die Sowjetunion flogen. Kislin kontaktierte Trump, so viel hat er mir bestätigt.

© Privat
American Kompromat
Craig Unger, englische Orginalversion, Dutton Verlag. 351 S., ab EUR 22,–
American Kompromat
Craig Unger, englische Orginalversion, Dutton Verlag. 351 S., ab EUR 22,–
Ihre Hauptquelle ist der Ex-KGB-Major Juri Schwez, der damals in Washington stationiert war. Was hat er Ihnen erzählt?
Unger
Dass sie Trump damals rekrutiert haben. Der sowjetische Botschafter Juri Dubinin kontaktierte Trump, sie gingen mittagessen, sprachen über ein Projekt in Moskau: Trump Tower. Die Russen schmeichelten Trump, denn während des Kalten Krieges hatte die Sowjetunion eigentlich kein Interesse an einer Konsumhochburg mitten in Moskau. Im Juli 1987 flog Trump das erste Mal nach Moskau. Was genau dort passierte, wissen wir nicht, und viel interessanter ist ohnehin, was danach geschah: Trump änderte sein Image. Der Bad Boy der New Yorker gehobenen Gesellschaft sprach plötzlich über Außenpolitik.
Wenig später schaltete er eine Anzeige in den großen Tageszeitungen mit der Zeile „Let’s not let our great country be laughed at anymore“.
Unger
Und er spielte das erste Mal mit dem Gedanken, als Präsident zu kandidieren. Ronald Reagan hatte zwei Amtszeiten hinter sich, es war klar, dass George H. W. Bush der Favorit der Republikaner war und Trump keine Chance hatte. Aber er fuhr dennoch nach New Hampshire, wo die parteiinternen Vorwahlen starten.
Machte sich Trump also zum nützlichen Idioten der Sowjets?
Unger
Der nützliche Idiot ist einer, der nicht weiß, was er tut. Das trifft auf Trump nicht zu. Er wusste, was er tat, er wusste, dass er die Interessen Russlands vertrat.
Trump in Putins Hand
Die wahre Geschichte von Donald Trump und der russischen Mafia. Craig Unger, Econ Verlag. 465 S., ab EUR 22,–
Sie schreiben, Trump baute in den 1980ern auch Beziehungen zur russischen Mafia auf. Wie kann man sich das vorstellen?
Unger
Im Jahr 1984 kam ein Mann namens David Bogdan, laut FBI Mitglied der russischen Mafia, mit einem Koffer voller Geld zum Trump Tower in New York. Er hat fünf Apartments gekauft, das war Geldwäsche.
Der Trump Tower war eines der wenigen Häuser, in das man anonym investieren konnte.
Unger
Ja, das ist sehr wichtig. Jedes Apartment kostete etwa 250 Millionen Dollar. Wenn man das wieder verkauft, hat man das Geld quasi legalisiert. Die russische Mafia ist so etwas wie der exekutive Arm des KGB und dessen Nachfolgeorganisation FSB, und nun überhäuften sie Trump mit Geld. Insgesamt haben sich 13 Mitglieder der Mafia im Trump Tower einquartiert und betrieben von dort aus ihre Geschäfte. Denken Sie daran, was das für die nationale Sicherheit bedeutet!
Was bedeutet das für die globale Sicherheit? Werden Nachrichtendienste ihre Informationen noch mit den USA teilen? Sind sie in Washington noch in sicheren Händen?
Es gibt eine Reihe von unbestätigten Berichten, dass Moskau Informationen über Trumps sexuelle Aktivitäten hat. Ich kann sie weder bestätigen noch widerlegen.
Unger
Nein, nein, nein! Absolut nicht. Man wäre verrückt, noch Informationen mit den Amerikanern zu teilen. Sehen Sie sich an, was vergangene Woche geschehen ist!
Trumps Kabinett, darunter sein Vize J.D. Vance, Verteidigungsminister Pete Hegseth und Außenminister Marco Rubio, besprachen ihre Pläne über einen US-Angriff auf Huthi-Milizen im Jemen auf der Nachrichtenplattform Signal. Der „Atlantic“-Chefredakteur las mit, er war offenbar unabsichtlich eingeladen worden.
Unger
Diese Leute sind nicht nur inkompetent, sie liegen auch mit den Russen im Bett. Und sie sind, wie man wieder gesehen hat, Meister der Ablenkung.
Zuletzt hat ein ehemaliger hochrangiger Agent der 6. Direktion des KGB behauptet, Trump 1987 rekrutiert zu haben. Passt das zur Version, die Schwez Ihnen erzählt hat?
Unger
Nein, das ist etwas anderes. Ich habe mit Juri Schwez darüber gesprochen, er glaubt das nicht. Er sagt, die 6. Direktion habe damals in den USA gar nicht rekrutiert.
Laut den Quellen des ehemaligen britischen Geheimdienstler Christopher Steele habe der FSB Trump durch seine Aktivitäten in Moskau so weit kompromittiert, dass er ihn erpressen könne: Trump habe in Moskau unter anderem „perverse sexuelle Handlungen vorgenommen, die vom FSB arrangiert/überwacht wurden“. Haben Sie Informationen dazu?
Unger
Es gibt eine Reihe von unbestätigten Berichten, dass Moskau Informationen über Trumps sexuelle Aktivitäten hat. Ich kann sie weder bestätigen noch widerlegen.
Investigative Recherche
Craig Unger mit Oleg Kalugin, ehemaliger KGB-Generalmajor, in der Nähe von Washington DC.
Sie schreiben seit Jahren über Trumps Russland-Connections, und seit dem Mueller-Report von 2017 ist allgemein bekannt, dass Moskau Trump geholfen hat, seiner Konkurrentin Hillary Clinton vor den Wahlen von 2016 zu schaden. Wieso ist das Interesse an dem Thema dennoch so gering?
Unger
Das frage ich mich seit Jahren! Als ich als Reporter anfing, gab es 1974 die Watergate-Affäre um Präsident Richard Nixon, 1971 die Pentagon-Papiere (über Desinformation im Vietnamkrieg, Anm.). Die Journalisten, die das damals veröffentlichten, hatten die Kontrolle über die nationale Debatte. Alle, Demokraten wie Republikaner, waren sich über die Fakten einig, alle schauten CBS. Wir hatten damals dieselben Quellen, es gab einen Konsens über die Wahrheit. Das ist heute nicht mehr so. Der rechte Flügel hat mächtige soziale Medien aufgebaut, Trumps Verbündeter Elon Musk hat Twitter übernommen und es zu X gemacht. Die Welt, in der ich aufwuchs, gibt es nicht mehr. In den Redaktionen, in denen ich arbeitete, hatten wir eigene Faktenchecker. Ich habe alle meine Bücher checken lassen, sie haben jedes Detail hinterfragt. Heute läuft alles über Social Media, und das ist ein Scheißhaufen. Jeder sagt, was er will, niemand interessiert sich mehr für die Wahrheit. Leute wie ich werden an den Rand gedrängt. Meine Bücher über Trump waren Bestseller, doch für „American Kompromat“ interessierten sich Medienhäuser wie die „New York Times“ nicht.
Die Republikaner sahen in Russland 70 Jahre lang den Gegner Amerikas. Wie erklären Sie sich, dass sie dem Moskau-Freund Trump zum Aufstieg verhalfen?
Unger
Es ist ein Massenkult, wie ich ihn noch nicht erlebt habe. Sie würden sich nicht allein mit Trump zum Abendessen treffen wollen. Doch hier sind Mächte am Werk, die sogenannten Broligarchies (Kofferwort aus Bromance und Oligarchie) zwischen Donald Trump, Elon Musk, J.D. Vance und dem US-Deutschen Investor Peter Thiel. Ich hoffe, dass Leute wie Musk der MAGA-Welt bald auf die Nerven gehen.
Europa ist sehr besorgt über die Entwicklungen in den USA …
Unger
Das kann ich nachvollziehen. Wir sind es auch. Die USA haben sich ein riesiges Netzwerk von Alliierten aufgebaut. Und Trump wirft alles weg, um sich mit Putin zusammenzutun. Sehen Sie sich an, wie er sich benimmt. Er muss ein russisches Asset sein.

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Siobhán Geets
ist seit 2020 im Außenpolitik-Ressort.
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