Steve Witkoff ist Trumps Sondergesandter für den Nahen Osten, für Russland und die Ukraine – und die Gespräche mit dem Iran führt er auch noch. Wer ist der Mann?
Im Februar dieses Jahres erlebt Steve Witkoff einen Erweckungsmoment. Donald Trumps Sondergesandter für die Ukraine ist soeben von einer Reise nach Moskau zurückgekehrt, mehr als drei Stunden hat er dort mit Wladimir Putin verhandelt. Mit Erfolg: In seinem Privatjet fliegt Witkoff zurück in die USA, mit an Bord ist der US-Bürger Marc Fogel, der seit 2021 in Russland inhaftiert war – und dem Trumps Sondergesandter nun zur Freiheit verhalf. „Es fühlte sich an, als sei ich gesegnet worden“, sagt Witkoff nach der Landung in Washington. „Es war, als ob jemand die Hand zu mir herunterreichte, mich berührte und sagte: ‚Du darfst das im Namen des Präsidenten tun.‘“
Donald Trump hatte Witkoff wenige Tage nach seinem Wahlsieg zum Sondergesandten für den Nahen Osten ernannt, doch der 68-Jährige ist weit über diese Rolle hinausgewachsen. Sein Portfolio umfasst neben dem Nahen Osten die Ukraine und Russland, und aktuell verhandelt er auch mit dem Iran.
Steve Witkoff stellt Außenminister Marco Rubio in den Schatten, und das, obwohl er bis vor Kurzem über keinerlei diplomatische Erfahrungen verfügte. Trump vertraut ihm, weil er ihn seit Jahrzehnten kennt. Die beiden sind Veteranen der New Yorker Immobilienwelt – und sie haben viele Stunden gemeinsam auf dem Golfplatz verbracht.
Kennengelernt haben sie einander Mitte der 1980er- Jahre in New York. Trump handelte mit Immobilien, Witkoff war Anwalt und wollte den aufstrebenden Unternehmer als Mandanten. Anders als Trump wurde Witkoff nicht als Millionär geboren, sondern in eine jüdische Mittelstandsfamilie in der Bronx, doch er ist fleißig und steigt rasch auf.
Das erste Mal treffen die beiden einander um drei Uhr früh in einem Deli in Manhattan. Trump hat kein Bargeld dabei, und Witkoff kauft dem Immobilienmogul ein Schinken-Käse-Sandwich. Als sie einander erneut über den Weg laufen, erinnert sich Trump an das Sandwich, und die beiden werden Freunde. So erzählt Witkoff die Geschichte.
Trump führt seinen neuen Bekannten in die Immobilienwelt ein, gemeinsam mit einem Partner steigt Witkoff ins Geschäft ein, kauft Häuser in heruntergekommenen Vierteln, renoviert sie, um sie danach wieder zu verkaufen. Ende der 1990er-Jahre gründet er die Witkoff Group, seither hat er in mehr als 70 Bauprojekte investiert, die meisten davon in New York, Los Angeles und Florida.
Witkoff hat ein Faible für Mafiageschichten. Er liebt die Filmserie „Der Pate“, am Schreibtisch seines Büros liegt damals ein Buch mit dem Titel „Tough Jews“ (Zähe Juden) über jüdische Gangster im Brooklyn der 1920er- Jahre. Bevor er seine Bauprojekte in gefährlichen Vierteln besucht, schnallt er sich eine Pistole ums Bein.
Im Jahr 1987 heiratet Witkoff die Anwältin Lauren Jill Rappoport, die beiden bekommen drei Söhne. Die älteren treten in die Fußstapfen ihres Vaters: Alexander ist Geschäftsführer der Witkoff Group, Zach handelt mit Kryptowährungen. Zu den Investoren in Zachs Unternehmen gehören neben Donald Trump auch dessen Kinder Donald Jr., Eric und Barron.
Als Witkoffs jüngster Sohn Andrew im Jahr 2011 an einer Überdosis Opiate stirbt, ist Trump für den trauernden Vater da. Er sei „freundlich und mitfühlend“ gewesen, erinnert sich Witkoff im vergangenen Sommer – Attribute, die man sonst nicht unbedingt mit Trump in Verbindung bringen würde. „Er ist mein Kumpel“, sagt Trump im Jahr 2018 über seinen alten Bekannten, „mein special guy“. Ein enger Freund also.
Während Trumps erster Präsidentschaft (2017–2021) berät ihn Witkoff in Steuerfragen, und er unterstützt ihn in den Wahlkämpfen. Fast zwei Millionen Dollar spendet er an Trumps Kampagne. Vor den Wahlen von 2016 reist der Unternehmer durchs Land, um für Trump zu werben und ihn mit ehemaligen Parteirivalen zu versöhnen, knüpft Beziehungen zu jüdischen Geldgebern. Im Februar 2024 sagt er im Betrugsprozess gegen Trump im Sinne des Angeklagten aus, betont dessen guten Charakter. Am Ende wird Trump zwar schuldig gesprochen, die Freundschaft der beiden dürfte die Angelegenheit aber weiter gefestigt haben.
Als Sicherheitskräfte im September 2024 einen bewaffneten Mann in einem Gebüsch am Rande von Trumps Golfplatz in West Palm Beach entdecken, spielt Witkoff wenige hundert Meter entfernt ein Turnier mit Trump. Die beiden werden in einem Golfcart aus der Gefahrenzone gebracht und entkommen unverletzt.
Witkoffs einzige Qualifikation sei, dass er seit Jahrzehnten Golf mit Trump spiele, ätzen Kritiker nach der Bestellung des Immobilienmoguls zum Sonderbeauftragten im vergangenen Herbst. „Ich wusste gar nicht, dass sich Steve für den Nahen Osten interessiert“, kommentiert der republikanische Senator Lindsey Graham gegenüber dem TV-Sender NBC News. Witkoffs Bestellung ist eine Überraschung, doch Trump vertraut ihm. Das Kalkül: Wer es schafft, millionenschwere Immobiliendeals zu verhandeln, der kann auch zwischen Konfliktparteien vermitteln – und der Welt Frieden bringen.
Noch bevor Trump angelobt wird, beginnt Witkoff Verhandlungen mit Israel. An einem Samstag Anfang Jänner fliegt er zu Benjamin Netanjahu nach Jerusalem. Israels Premier verweist darauf, dass die Regierung am Schabbat ruht, doch Witkoff will davon nichts wissen. Er überzeugt Netanjahu, einem Waffenstillstand mit der Terrororganisation Hamas zuzustimmen. In einer ersten Phase kommen 33 israelische Geiseln frei, Witkoff wird für sein Verhandlungsgeschick gefeiert, langfristig bleibt der Erfolg aber aus. Immer noch befinden sich 59 Geiseln in den Händen der Hamas, und Israel bombardiert wieder verstärkt Ziele im Gazastreifen.
Ähnliches gilt für die Bemühungen, den Krieg in der Ukraine zu beenden. Im Wahlkampf hatte Trump ein Kriegsende innerhalb von 24 Stunden versprochen. Daraus wurde bekanntlich nichts. Russlands Präsident Wladimir Putin lehnt eine Waffenruhe ohne Vorbedingungen strikt ab, und zuletzt haben sich die Angriffe seiner Truppen auf Zivilisten in der Ukraine sogar noch verstärkt.
Vergangene Woche reiste Witkoff erneut nach Sankt Petersburg zu Putin, es war die dritte Begegnung in nur zwei Monaten. Gegenüber dem Sender Fox News sprach Witkoff von einem „beeindruckenden“ und „fesselnden“ Treffen. „Ich denke, wir könnten kurz vor etwas stehen, das für die gesamte Welt sehr, sehr wichtig sein würde.“
Amerikas Verbündete sind alarmiert. Offenbar besprach Witkoff mit Putin wichtige Sicherheitsfragen – und das allein, während Putin noch zwei Berater zur Seite hatte. Russlands Präsident verlangt, dass die Ukraine niemals der NATO beitreten darf, und er will eine Anerkennung der völkerrechtswidrig annektierten Gebiete. Putin versucht auch, die USA mit der Aussicht auf gemeinsame Wirtschaftsprojekte zu locken. „Partnerschaften schaffen Stabilität“, sagte Witkoff dazu. Es sei möglich, die Beziehungen „durch einige sehr beeindruckende kommerzielle Möglichkeiten umzugestalten“.
Abgesehen von seiner Unterstützung für Trump waren Witkoffs politische Positionen bis vor Kurzem unbekannt. Doch seit seiner Bestellung zum Sonderbeauftragten gab er einige Interviews – und Kritiker sehen ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Wie Trump übernimmt auch Witkoff unhinterfragt die Narrative des Kremls.
Ende März lud der ehemalige Fox-News-Moderator und bekannte Anhänger von Verschwörungsmythen Tucker Carlson Trumps Sonderbeauftragten in seine Talk-Sendung. In dem eineinhalb Stunden langen Gespräch beschreibt Witkoff sein zweites Treffen mit Putin. Er war nach Moskau gereist, um einen Waffenstillstand in der Ukraine zu verhandeln, doch daraus wurde nichts, im Gegenteil. Russland hat seinen Beschuss auf ukrainische Städte seither sogar verstärkt. Im Gespräch mit Carlson zeigt sich Witkoff dennoch begeistert von Putin. Dieser habe ihm „ein wunderschönes Porträt“ von Donald Trump übergeben, das ein russischer Künstler gemalt habe. Es sei ein „herzlicher Moment“ gewesen. Nach dem Attentat auf Trump während einer Wahlkampfrede in Butler im vergangenen Sommer habe Putin für den Republikaner gebetet – nicht, weil er als Präsident kandidierte, sondern „für seinen Freund“. Als er Trump später das Bild überreicht und ihm von Putins Worten berichtet hatte, sei der Präsident gerührt gewesen. „Diese Art von Verbindung haben sie“, sagt Witkoff. „Amen“, antwortet Carlson ergriffen.
Die Tatsache, dass Putin sich weigert, einem Waffenstillstand in der Ukraine zuzustimmen, erklärt Trumps Sonderbeauftragter damit, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj „nicht gewählt ist“, Putin hält er für „keinen schlechten Menschen“. Und überhaupt, es gebe kein Gut und Böse, in Wahrheit sei alles sehr kompliziert.
So kompliziert nämlich, dass es Witkoff nicht gelang, die von Russland besetzten Gebiete (oder auch nur deren Anzahl) in der Ukraine zu nennen. „Diese sogenannten vier Regionen“, sagte er, „der Donbass, die Krim, Sie kennen die Namen“ – diese Gebiete habe Russland „zurückerobert“, die Menschen dort seien ohnehin russischsprachig, Referenden hätten ergeben, dass sie in Russland leben wollten. In Wahrheit hat Russland die (im Donbass gelegenen) Oblaste Luhansk und Donezk im Osten, Cherson und Saporischschja im Südosten sowie die Halbinsel Krim völkerrechtswidrig annektiert. Über die manipulierten Abstimmungen verlor Witkoff kein Wort, auch über mögliche Zugeständnisse Moskaus sprach er nicht.
Neben seiner Begeisterung für Golf und der Liebe zum „guten Deal“ verbindet Witkoff eine weitere Eigenschaft mit Trump: Strategisches Denken scheint ihm fremd zu sein. Den russischen Angriff auf Zivilisten im ostukrainischen Sumy am Palmsonntag, bei dem 34 Menschen getötet wurden, bezeichnete Trump als „Irrtum“, die Schuld am Krieg gab er einmal mehr seinem Vorgänger Joe Biden und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Und als die G7-Staaten den brutalen Angriff in Sumy verurteilen wollten, blockierten die USA eine entsprechende Erklärung.