Tschinderle: "Werden weiterhin über Abbau von Demokratie in Ungarn berichten"
In dem dreiminütigen Beitrag im ungarischen Staatsfernsehen wurden mehrere Screenshots von E-Mails gezeigt, die die Journalistin an die Fidesz-Fraktion im Europaparlament geschickt hatte. Sie habe EU-Abgeordnete der ungarischen Regierungspartei Fidesz "mit Fragen provoziert", hieß es.
Darin ging es unter anderem um das vor einer Woche erfolgte Treffen von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán mit dem Chef der italienischen Partei Lega, Matteo Salvini, und Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki bezüglich der Gründung einer neuen politischen Kooperation. Die rechtsnationale Fidesz hatte Anfang März nach längerer Suspendierung die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) verlassen.
Tschinderle hatte unter anderem gefragt, warum Vertreter des französischen Rassemblement National (RN) und der österreichischen FPÖ - die beide mit der italienischen Lega in der rechtspopulistischen ID-Fraktion des Europaparlaments sitzen - bei dem Treffen nicht anwesend waren. Der Moderator des TV-Beitrags kommentierte das mit den Worten: "Solche Fragen stellen nur Amateurjournalisten."
Das ungarische Staatsfernsehen zitierte außerdem ungenannte Experten, "nach denen das Ziel ist, bereits im Voraus das sich formierende starke europäische christdemokratische Bündnis zu attackieren". Die Fragen Tschinderles wurden von dem Moderator so interpretiert, dass wegen des Orbán-Salvini-Morawiecki-Treffens "die europäische linksliberale Presse eine beispiellose Attacke gestartet" habe.
"Dass Journalist:innen wegen kritischer Berichterstattung Schmierkampagnen ausgesetzt sind? Das kennt man aus Ungarn mittlerweile leider. Aber dass eine Journalistin im staatlichen Fernsehen angegriffen wird, weil sie Fragen stellt? Das hat selbst meine Kollegen und Kolleginnen in Budapest verwundert. Es geht hier nicht nur um profil oder Österreich. Es geht hier vor allem auch um die Kolleg:innen, die so etwas täglich oder wöchentlich erleben müssen. Ihnen gilt unsere vollste Solidarität! Ihnen müssen wir weiter zuhören. Und wir werden weiterhin über den Abbau von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in insbesondere Österreichs Nachbarländern berichten. Der Vorfall bestärkt, weiter am Ball zu bleiben und näher hinzusehen," so Tschinderle.