Urteil: Oscar Pistorius wegen fahrlässiger Tötung schuldig gesprochen
Richterin Thokozile Masipa verkündete ihr Urteil am Freitag in Pretoria. "Das Gericht hat ihn der fahrlässigen Tötung für schuldig befunden", sagte Masipa. Das Strafmaß gab sie noch nicht bekannt.
Auch Bewährungsstrafe möglich
Die Höchststrafe liegt bei 15 Jahren, aber auch eine Bewährungsstrafe ist möglich. Schon am Donnerstag hatte Masipa einen Mord oder Totschlag ausgeschlossen. Für die Staatsanwaltschaft ist das Urteil eine schwere Niederlage. Denn aus Sicht der Anklage tötete Pistorius (27) seine Freundin Steenkamp (29) absichtlich, als er in der Nacht auf den Valentinstag 2013 in seinem Haus durch eine geschlossene Toilettentür schoss.
Der beinamputierte Paralympics-Star nahm den Schuldspruch mit Fassung auf. Pistorius zeigte kaum eine Regung, stattdessen schien er sich leicht vor Richterin Masipa zu verbeugen. Am Vortag hatte er wiederholt im Gerichtssaal geweint. Nach dem Urteil saß Pistorius still neben seiner Schwester. Die Angehörigen des Opfers brachen laut dem Sender News24 beim Urteil in Tränen aus.
Aus Panik geschossen?
Die Schüsse auf Steenkamp hat Pistorius nie bestritten. Er argumentiert aber, hinter der geschlossenen Toilettentür einen Fremden vermutet und aus Panik vor dem vermeintlichen Einbrecher geschossen zu haben.
Die Richterin legte das Strafmaß wie erwartet noch nicht fest. Es wird möglicherweise erst in einigen Wochen bekanntgegeben. In der Zwischenzeit können Staatsanwaltschaft und Verteidigung Gründe entweder für ein besonders hartes Urteil oder für mildernde Umstände vorlegen.
Verurteilung wegen Schuss-Vorfall in Restaurant
Masipa widmete sich am Freitag auch anderen Waffenvergehen: In zwei Fällen wurde Pistorius von den Vorwürfen freigesprochen. Schuldig sprach die Richterin ihn wegen eines Schuss-Vorfalls in einem Restaurant.
Pistorius stand seit dem 3. März vor Gericht - es war einer der spektakulärsten Prozesse in der südafrikanischen Geschichte. Insgesamt hatten Anklage und Verteidigung 36 Zeugen aufgeboten.
Pistorius darf wohl zunächst ins Haus seines Onkels zurückkehren, wo er seit seiner Freilassung auf Kaution im vergangenen Jahr wohnt. Nach der Verkündung des Strafmaßes in wenigen Wochen könnte er laut südafrikanischen Rechtsexperten sofort in ein Gefängnis gebracht werden. Dann müsste Pistorius erneut einen Antrag stellen, um auf Kaution freizukommen, bis ein mögliches Berufungsverfahren abgeschlossen ist. Das neue Verfahren könnte rund ein Jahr dauern.
Chronologie der Ereignisse im Fall Pistorius:
14. Februar 2013: Nach tödlichen Schüssen auf seine Freundin Reeva Steenkamp in der Nacht auf den Valentinstag steht Pistorius unter Mordverdacht.
22. Februar: Pistorius kommt gegen Kaution und Auflagen überraschend frei. Ein Richter kritisiert Staatsanwaltschaft und Polizei: Es gebe keine klaren Beweise für eine vorsätzliche Tat. Aber auch Pistorius' Aussage sei widersprüchlich.
3. März 2014: Der Prozess beginnt in Pretoria. Pistorius beteuert erneut seine Unschuld.
10. März: Bei der Aussage des Pathologen, der Steenkamps Leiche obduziert hat, bricht Pistorius zusammen und übergibt sich.
26. Mai: Der Angeklagte wird auf Anordnung des Gerichts Tagespatient in der Psychiatrie. Die bis zum 20. Juni dauernde Beobachtung soll Aufschluss über die Schuldfähigkeit geben. Eine Psychiaterin hatte Pistorius eine Angststörung bescheinigt.
30. Juni: Pistorius ist laut psychiatrischen Gutachtern voll schuldfähig. Der Staatsanwaltschaft verliest die Expertisen in Auszügen in der Verhandlung.
8. Juli: Die Beweisaufnahme wird abgeschlossen. Insgesamt hatten Anklage und Verteidigung 36 Zeugen aufgeboten.
7./8. August: Im abschließenden Plädoyer erneuert der Chefankläger seinen Mordvorwurf, der Verteidiger fordert einen Freispruch.
12. September: Urteil: Oscar Pistorius wegen fahrlässiger Tötung schuldig gesprochen.
(APA/Red.)