Elizabeth Warren

USA: Wie Elizabeth Warren Donald Trump schlagen will

Elizabeth Warren will für die US-Demokraten im Präsidentschaftswahlkampf gegen Donald Trump antreten. Doch die kompromisslose Politikerin spaltet selbst ihre eigene Partei.

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Wer kann ihn schlagen?

Er, das ist Donald Trump, der amtierende US-Präsident, der von einem Skandal zum nächsten taumelt und trotzdem noch lange nicht am Boden ist. Die Demokratische Partei will ihn bei den Wahlen im November 2020 besiegen, doch dafür sucht sie noch immer einen geeigneten Kandidaten oder eine Kandidatin.

Dabei fällt derzeit immer wieder ein Name: Elizabeth Warren. Die 70-jährige Senatorin aus dem US-Bundesstaat Massachusetts hat einen rasanten Aufstieg hingelegt. Zu Beginn des Jahres lag sie in den Umfragen noch scheinbar aussichtslos unter zehn Prozent. Doch im Sommer begannen ihre Werte zu steigen, kletterten erst über 15, dann über 20 Prozent. Vor einigen Wochen hatte sie sich an die erste Stelle der mehr als ein Dutzend Kandidaten der Demokratischen Partei vorgekämpft, die darum rittern, wer gegen Trump antreten darf.

Die Gejagte

Seitdem erfährt Warren, was es heißt, die Gejagte zu sein. Ihre Mitbewerber haben sich auf sie eingeschossen, ihren Plan für eine staatliche Gesundheitsvorsorge („Medicare for all“) auseinandergenommen und versuchen, das Bild einer ideologischen Eifererin zu zeichnen, die Trump niemals besiegen könne. Etliche Journalisten warnen vor Warren, der britische „Economist“ widmete ihrem Verhältnis zum Kapitalismus gar eine Titelseite. Der New Yorker Milliardär Mike Bloomberg hegt so viele Zweifel gegenüber der US-Senatorin, dass er ankündigte, selbst für die Demokraten ins Rennen zu ziehen, um Trump zu entthronen. Denn Warren gilt als eine, die das gesamte US-System umbauen will.

Dazu gehört nicht nur die Gesundheitsvorsorge: Warren will die Vermögen von „Ultra-Millionären“ besteuern (zwei Prozent ab 50 Millionen, drei Prozent ab einer Milliarde US-Dollar pro Jahr). Geht es nach ihr, sollen Hochschulen kostenlos sein und die 42 Millionen offenen Kredite, die Studierende in den vergangenen Jahrzehnten für die horrenden Ausbildungsgebühren aufgenommen haben, verfallen. Die großen Konzerne sollen endlich Steuern zahlen, die Lobbyisten sich aus der Politik heraushalten; sogar das umstrittene US-Wahlsystem will Warren reformieren.

Es sind nicht nur Schlagworte, sondern konkret ausformulierte Pläne, die Warren aus dem Gedächtnis zitieren kann. Insgesamt 56 dieser Strategiepapiere hat die Demokratin seit dem Beginn ihrer Kandidatur online gestellt – von der Abschaffung von privat betriebenen Gefängnissen über die Zerschlagung von Tech-Monopolen bis zu einer neuen Handels- und Klimapolitik.

Ihre Fans tragen T-Shirts mit der Aufschrift „Warren has a plan for that“ („Warren hat einen Plan dafür“). Ihre Gegner nennen sie wegen ihrer vielen utopisch erscheinenden Forderungen eine Populistin. Manche sehen in ihr auch eine Ideologin, eine gefährliche Linke. Dabei war Warren mehr als die Hälfte ihres Lebens keine Revolutionärin, sondern eine Republikanerin.

Fokus auf Mittelklasse

Sie wurde als Elizabeth Herring am 22. Juni 1949 geboren und wuchs in der Kleinstadt Norman im Bundesstaat Oklahoma auf. Ihr Vater arbeitete als Hausmeister, die Mutter im Supermarkt. Warren sagt, ihre Familie habe „gefährlich nahe am Abgrund der Mittelklasse“ gelebt. Schuld daran sei auch ein früher Herzinfarkt ihres Vaters gewesen, der hohe Rechnungen für medizinische Versorgung nach sich zog und dazu führte, dass er seinen Job verlor. Es ist genau dieses Thema, das Warren Jahrzehnte später in den Mittelpunkt ihrer Kampagne stellt: die US-amerikanische Mittelklasse, die, vom System im Stich gelassen, darum kämpfe, ihren Status zu halten und dabei oft scheitere. Trumps Erfolg im Jahr 2016 rückte diese Wählerschicht vermehrt in den Blick: die Abgehängten, die sich von der damaligen demokratischen Kandidatin Hillary Clinton als „basket of deplorables“ („Korb der Bedauernswerten“) verunglimpft sahen.

Warren will es besser machen. Sie will jene ansprechen, die sich Trump zugewandt haben, und ihnen ihre Pläne anbieten. Bis sie zu ihrer heutigen politischen Mission fand, dauerte es jedoch eine Zeit lang. Nach einer gescheiterten Ehe arbeitete Warren ab den 1970er-Jahren zunächst an ihrer akademischen Karriere: Sie wurde Expertin für Insolvenzrecht, schaffte es bis nach Harvard, wo sie einen hochdotierten Job annahm. Im Wahlkampf um den US-Senat 2012 verhöhnte ihr republikanischer Gegner sie deswegen als „elitär“. Dabei war Warren in ihrer Uni-Zeit noch als republikanische Wählerin registriert. Kollegen von damals beschreiben ihre Weltanschauung gegenüber dem Magazin „Politico“ als „die-hard conservative“ (Ewiggestrige).

Auch wenn Warren nicht gerne über ihre republikanische Vergangenheit spricht: Sie hat eine Kehrtwende vollzogen, die wohl einem Erweckungserlebnis gleichkam. Diese Erfahrung unterscheidet sie von Bernie Sanders, dem US-Senator und demokratischen Mitbewerber um das Präsidentenamt, dem Warren inhaltlich wohl am nächsten steht. Der 78-Jährige aus Vermont, der sich selbst als Sozialist bezeichnet, traf bereits früh eine Entscheidung über seine politische Wertewelt und blieb dieser über die Jahrzehnte treu.

Die nur wenige Jahre jüngere Warren hingegen testete die Theorien aus ihren Studientagen erst spät an der Wirklichkeit. Sie sammelte Daten und kam zu dem Schluss, dass sie all die Jahre falsch gelegen hatte. Gegenüber „Politico“ sagt sie heute, sie sei „in ihren Grundfesten erschüttert“ worden. Während einer wie Sanders dem System nie vertraut hatte, musste es für Warren wirken, als sei sie betrogen worden.

Begegnungen mit Schuldnern

Der Weg zu dieser Erkenntnis führte über ihre Forschung: Mitte der 1980er-Jahre reiste Warren durch die USA, um die Gründe dafür zu analysieren, dass Gerichte Konkurse verhängten. Sie lernte Schuldner kennen, die alles andere als verantwortungslose Glücksritter waren; Mittelklasse-Familien, die durch einen Schicksalsschlag aus der Bahn geworfen wurden; die auf Pump ein Haus in einer teuren Nachbarschaft kauften, damit die Kinder in bessere Schulen gehen konnten. In diesen Lebensläufen erkannte sie die Probleme ihrer eigenen Eltern wieder.

Warren folgerte: Mit dem System stimmte etwas nicht. Sie beschloss, etwas daran zu ändern. Mitte der 1990er-Jahre wurde sie Beraterin der Nationalen Kommission zur Bewertung von Insolvenzen und forderte Gesetze, die es Privatpersonen leichter machen sollten, einen Konkurs anzumelden. Sie scheiterte – und gab dafür vor allem den Republikanern die Schuld. Auf ihre ideologische Erweckung folgte die politische. Heute gilt Warren als erbitterte Gegnerin der Republikaner, denen sie vorwirft, die hart arbeitende Mittelklasse an die Interessen großer Konzerne verraten zu haben. Selbst unter den Demokraten vermutet sie Politiker, die sich lieber für Reiche einsetzen.

Unter US-Präsident Barack Obama avancierte sie zur Beraterin des Weißen Hauses und wurde mit der Konzeption des „Büros für Konsumentenschutz im Bereich Finanzen“ beauftragt. Leiten durfte sie es nicht – die Republikaner stemmten sich gegen ihre Ernennung.

Daraufhin ging Warren in die Politik: Im Jahr 2012 wurde sie als erste Frau in der US-Geschichte zu einer Senatorin von Massachussetts gewählt. Sie machte sich einen Namen, indem sie den Geschäftsführer der US-Bank Wells Fargo, die Tausende ihrer Kunde betrogen hatte, zum Rücktritt aufforderte. Sie prangerte einen Deal der US-Justiz mit der Hongkonger Bank HSBC an, die zugeben musste, Hunderte Millionen US-Dollar für Drogenkartelle gewaschen zu haben – und trotzdem nicht angeklagt wurde.

Rederecht entzogen

Als Donald Trump den republikanischen Senator Jeff Sessions zum Justizminister ernannte, sorgte eine Rede Warrens für eine ungewöhnlich scharfe Auseinandersetzung im Senat: Republikanische Senatoren warfen ihr vor, mit persönlicher Kritik an Sessions gegen die Geschäftsordnung verstoßen zu haben. Daraufhin wurde ihr bis zur Abstimmung über den Justizminister das Rederecht entzogen. „Sie wurde gewarnt. Sie hat eine Erklärung bekommen. Nichtsdestotrotz – sie gab nicht nach“, rechtfertigte der republikanische Senator Mitch McConnell den Maulkorb. Die Mitarbeiter der Demokratin verwenden die drei Sätze seither als Slogan. Sie sollen die Unbeugsamkeit Warrens unterstreichen.

Gerade diese Kompromisslosigkeit lässt manche Demokraten aber daran zweifeln, ob Warren die Richtige ist, um Donald Trump zu schlagen. Nach ihrer Logik sollte ein guter Kandidat oder eine gute Kandidatin in der Lage sein, das Land zu einen. Das wird im demokratischen Lager derzeit am ehesten Joe Biden zugetraut, seinerzeit Vizepräsident unter Barack Obama. Biden liegt in den Umfragen zwar nach wie vor an der Spitze, seine Werte sind zuletzt aber leicht gesunken, während Warren seit dem Sommer stetig hinzugewonnen hat. Davon abgesehen neigen die Fans des derzeit drittplatzierten Bernie Sanders eher dazu, ihre Stimme Warren zu geben, sollte der gesundheitlich angeschlagene Senator aus dem Rennen ausscheiden.

Kann Elizabeth Warren den amtierenden US-Präsidenten schlagen? Auch Trump führte 2016 einen Wahlkampf, der das Land mehr spaltete als es zu einen. Im Visier hatte er Warren bereits damals: Die Senatorin behauptete, unter ihren Vorfahren seien Cherokee gewesen. „Pocahontas“ (Indianerprinzessin) nannte Trump sie danach. Ob die Harvard-Professorin mit ihren 56 Plänen gegen diesen brachialen Haudrauf-Populismus bestehen kann, lässt sich ein Jahr vor der Wahl nicht abschätzen.

Zuerst muss sie die Demokraten ohnehin überzeugen, sie ins Rennen zu schicken.