Wäre Donald Trump ohne russische Hilfe US-Präsident?
Es sind Fragen, bei denen sich selbst die Gegner Donald Trumps schwer tun: Wäre der New Yorker Immobilienmogul und TV-Star heute wirklich US-Präsident, wenn ihm nicht russische Hacker und bezahlte Internettrolle im Wahlkampf vor zwei Jahren entscheidend geholfen hätten? Und wie ließe sich das belegen? "Sie haben genügend Stimmen beeinflusst, um das Ergebnis zu ändern", sagt nun Kathleen Hall Jamieson, die Direktorin des renommierten Annenberg Public Policy Centers in Philadelphia. Am vergangenen Mittwoch erschien ihr Buch "Cyber War". Untertitel: Wie russische Hacker und Trolle bei der Wahl eines Präsidenten halfen (Oxford University Press).
Auf 303 Seiten trägt die 71-Jährige detailliert Daten und Fakten zusammen: Sie analysiert Tausende Facebook-und Twitter-Posts, die auf christliche Wähler, Veteranen, aber auch Schwarze oder enttäuschte Fans von Bernie Sanders, dem innerparteilich unterlegenen Rivalen von Hillary, abzielten. Sie ergründet, wie ein solcher Dauerbeschuss mit hochemotionalen Botschaften sich auf die Entscheidungsfindung auswirkt.
Dazu kommt noch die E-Mail-Affäre der Demokraten, die von russischen Hackern befeuert wurde und über Umwege dazu führte, dass sich FBI-Chef James Comey in den Wahlkampf einmischte. Eine wichtige Rolle habe auch die grüne Kandidatin Jill Stein gespielt, die von Trollen einer St. Petersburger Internetfirma unterstützt wurde, im russischen Sender Russia Today (heute: RT) auftrat und den Demokraten zumindest in zwei Bundesstaaten den Sieg gekostet haben dürfte.
Wegen 78.000 Stimmen
"Diese Wahl wurde nicht von Millionen entschieden, es waren nur wenige Stimmen notwendig", sagt Jamieson zu profil. Am Ende scheiterte Clinton an insgesamt 78.000 Wählern in den Bundesstaaten Michigan, Wisconsin und Pennsylvania. Die Annenberg-Direktorin räumt ein, dass auch andere Faktoren als die russische Desinformation dazu geführt haben können, dass die Demokraten die Wahl knapp verloren. Die Summe der russischen Einflussnahmen sei aber groß genug, um ihre These nicht nur "plausibel, sondern wahrscheinlich" zu machen.
Einen unumstößlichen Beweis liefert Annenberg-Direktorin Jamieson, die jede US-Präsidenten-Wahl seit 1976 untersucht hat, aber nicht. Das liegt auch am Untersuchungsobjekt: Wähler wissen selbst oft nicht mehr, warum sie jemanden gewählt haben - oder doch nicht. Aufgrund ihrer Erkenntnisse aus rund 40 Jahren Forschung traue sie sich aber zu, ihr Urteil zu fällen, sagt die Wissenschafterin. Es sei ähnlich wie vor Gericht: Auch dort lasse sich anhand von zusammengetragenen Indizien feststellen, was mit der höchsten Wahrscheinlichkeit passiert ist.