Interimspräsident Juan Guaidó: „Venezuela blutet aus“
Die Staatskrise in Venezuela hält an: Vor mehreren Wochen erklärte die Nationalversammlung die Wahl des bisherigen Präsidenten Nicolás Maduro für ungültig. Kurz darauf ernannte sich sein Herausforderer Juan Guaidó zum Übergangspräsidenten. Er sieht sein Handeln von der Verfassung gedeckt und will nun Neuwahlen ausrufen. Maduro spricht von Putsch.
Österreichs Regierung gespalten
Während Russland und China weiterhin Maduro den Rücken stärken, haben in den vergangenen Tagen rund 20 Länder weltweit den 35-jährigen Guaidó als Interimspräsidenten anerkannt. Während auch die USA bereits klar für Guaidó Stellung bezogen haben, zeigt sich die EU bislang uneinig: Das Europaparlament erklärte Guaidó zum legitimen Staatschef, Außenbeauftragte Federica Mogherini und die EU-Mitgliedstaaten hielten sich vorerst jedoch zurück. Für heute wird eine Stellungnahme erwartet, mehrere EU-Länder deuteten an, Guaidó anerkennen zu wollen.
Auch Österreichs Regierung war bisher gespalten. Während Außenministerin Karin Kneissl nicht allein vorpreschen möchte, kündigte Bundeskanzler Sebastian Kurz am Sonntag offiziell seine Unterstützung für Guaidó an. Am Montagvormittag verkündete Kurz auf Spanisch über Twitter, dass er Guaidó als Interimspräsidenten anerkennt.
profil-Mitarbeiterin Andreina Intriago traf Juan Guaidó in der Nacht von Freitag auf Samstag zum Interview. Vorab ein Auszug, eine längere Version lesen Sie in der kommenden profil-Ausgabe, die am 10. Februar 2019 erscheint.
profil: Sind sie mit der Unterstützung zufrieden, die Sie bislang von der Europäischen Union erhalten haben? Juan Guaidó: Es gibt 28 Länder, da ist es hart, einen Konsens zu finden. Ich hoffe mit jedem Tag mehr darauf, dass die EU schlagkräftiger wird. Aber bislang war es für uns schwierig, Europa auf die Krise Venezuelas aufmerksam zu machen. Unsere Botschafter – die ja auch Bürger sind – haben direkt oder indirekt versucht, das Problem begreifbarer zu machen. Ich danke allen Venezolanern, die nie die Liebe für ihre Landsleute und ihre Wurzeln verloren haben.
profil: Sie würden sich wünschen, dass man Sie als Interimspräsident anerkennt. Guaidó: Das Europaparlament tut das. profil: Die meisten EU-Mitgliedsstaaten halten sich bislang aber zurück. Guaidó: Venezuela blutet aus, weil die Menschen wegen Mangel an Essen und Medizin scharenweise das Land verlassen. Ich denke, meine Anerkennung als Interimspräsident wäre gerecht – und es wäre auch eine Anerkennung für jene Leuten, die durchhalten, obwohl der Kampf sehr brutal war.
Ich denke, der jetzige Prozess zeigt, dass die EU-Sanktionen sehr nützlich waren.
profil: Wenn es – wie Sie fordern – Neuwahlen für den Präsidentenposten geben sollte: Würden Sie EU-Wahlbeobachter einladen? Guaidó: Zu freien Wahlen in Venezuela gehört in dieser Situation, dass sie unter qualifizierter internationaler Beobachtung abgehalten werden. Und ich glaube, da spielt Europa eine wichtige Rolle. profil: Erwarten Sie härtere europäische Sanktionen gegen die Regierung von Nicolás Maduro? Guaidó: Ja, in den kommenden Tagen.
profil: Sie würden härtere Sanktionen begrüßen, oder? Guaidó: Ja. Es gibt Zweifel in Europa, ob die Sanktionen effektiv waren oder nicht. Ich denke, der jetzige Prozess zeigt, dass sie sehr nützlich waren.
Interview: Andreina Intriago Übersetzung: Christoph Zotter