Vergewaltigungsprozess Pelicot: Die Geschichte einer Heldin in Zitaten
Auf das unsagbare Verbrechen, das an Gisèle Pelicot begangen wurde, reagierte die Französin nicht mit Sprachlosigkeit, sondern mit einem Aufschrei in aller Öffentlichkeit. Jetzt geht das Gerichtsverfahren zu Ende. 32 prägende Zitate des Falles.
Ein 69 Jahre alter Mann wurde gestern (am 12. September 2020, Anm.) um 15.30 Uhr in Carpentras aufgrund einer Anzeige von drei Frauen festgenommen. Er war vom Sicherheitspersonal dabei beobachtet worden, wie er im Supermarkt Leclerc mit dem Mobiltelefon heimlich unter die Röcke der Frauen gefilmt hatte. Der Mann kommt aus Mazan.
Tageszeitung „La Provence“
Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen, da ein psychiatrisches Gutachten demnächst erstellt wird und bei der Hausdurchsuchung Datenmaterial sichergestellt wurde.
Tageszeitung „Le Dauphiné Libéré“
Er ist ein super Kerl.
Die Ehefrau des Beschuldigten bei ihrer ersten Einvernahme im November 2020 über ihren Ehemann. Zu diesem Zeitpunkt weiß sie noch nichts von den Vergewaltigungen. In den Medien wird über den Täter und seine Ehefrau anonymisiert berichtet.
2. Die Tat kommt ans Licht
MISSBRAUCH/Nacht vom 26. Mai 2020 mit MARC SODO 5. Mal
MISSBRAUCH/Nacht vom 09. 06. 2020 mit Charly 6. Mal
Titel der Video-Dateien, die bei Dominique Pelicot sichergestellt wurden. Anhand der Videos registriert die Polizei 92 Vergewaltigungen, begangen an Gisèle Pelicot von Juli 2011 bis Oktober 2020. Von 83 verschiedenen Tätern werden 51 identifiziert.
3. Der Täter
Ich bin ein Vergewaltiger wie die anderen, die in diesem Saal sind. Sie wussten es alle, sie können nicht das Gegenteil behaupten.
Dominique Pelicot vor Gericht
Wir haben unsere Freude und unser Leid geteilt. Ich habe ihn bei seinen gesundheitlichen Problemen und den Sorgen in der Arbeit unterstützt. Zehn Jahre lang, als ich Sorgen wegen meiner Gesundheit hatte, hat er mich zum Neurologen und zum Gynäkologen begleitet. Wie oft habe ich gesagt: ‚Was für ein Glück, dass ich dich an meiner Seite habe!‘ Unsere Freunde schätzten ihn. All das war ein Glück für mich. Ich habe nicht verstanden, und das ist es, was mir Probleme bereitet, wie es mit diesem Herrn, der ein perfekter Mann war, so weit kommen konnte. Wie konnte er mich auf solche Weise verraten?
Gisèle Pelicot
vor Gericht über Dominique Pelicot
Wie kann es sein, dass man in Frankreich im Jahr 2024 50 Personen im Umkreis von 50 Kilometern findet, die sich ohne das geringste Gespräch eines Körpers sexuell bedienen, der leblos ist und den man wälzen muss, um ihn zu bewegen?
Antoine Camus
Einer der Anwälte von Gisèle Pelicot
Ich wusste, dass sie nicht bei Bewusstsein war, aber nicht, dass sie nicht einverstanden war. Ich wusste damals nicht, was das ist, ein Einverständnis.
Joan K., 27
Angeklagter
Ich nehme das nicht hin, dass man mich als Vergewaltiger bezeichnet, das ist zu heftig.
Husamettin D., 43
Angeklagter
Wenn ich neuerlich dorthin zurückkehrte (in das Haus von Pelicot, Anm.), dann deshalb, weil ein Teil von mir sich dabei wiederfand.
Jérôme V., 46
Angeklagter
Ich suchte Gelegenheitssex, ich dachte in dem Moment nicht nach. Ich gebe zu, was ich getan habe, aber keine Vergewaltigung.
Vincent C., 43
Angeklagter
„Ich dachte nicht nach. Es ist sein Haus, sein Zimmer, sein Bett, seine Frau. Sie dürfen nicht auf mich wütend sein, Madame, es war Ihr Ehemann!
Didier S., 67
Angeklagter
Er (Dominique Pelicot, Anm.) sagte, er wollte seine Ehefrau bestrafen, weil sie ihn betrogen hat, dass sie Schlafmittel nehme, und dass er die Dosis erhöht habe. Jetzt, mit etwas Abstand, gebe ich zu, ich hätte nachdenken sollen.
Jean-Marc L.,74
Angeklagter
Ich war überzeugt, die beiden (Gisèle und Dominique Pelicot, Anm.) wären Komplizen. In meiner Vorstellung handelte es sich um ein Paar um die 50, er ist Arzt (was nicht stimmt, Anm.), und ich glaubte nicht, dass er seine Frau gefährden würde.
Karim S., 40
Angeklagter
Das Treffen war Sex und nichts als Sex, das war’s. Für mich war das keine Vergewaltigung, aber jeder kann sich selbst seine Meinung bilden.
Cyril B., 47
Angeklagter
Ich gestehe die Handlungen, aber nicht die Absicht der Vergewaltigung. Ich bin ein Idiot, ein Trottel, alles, was Sie wollen. Ich war widerlich. Das ist mir klar geworden. Ich sage zu meinem Sohn, er soll aufpassen. Nach dem Einverständnis fragen. Denn ich habe keine Lust, dass er durchmacht, was ich durchmache.
Patrice N., 55
Angeklagter
Er (Dominique Pelicot, Anm.) gibt an, dass keiner der Männer, die zu ihm nach Hause gekommen sind, im Hinblick auf ihren Zustand darauf verzichtet hätten, sexuelle Handlungen an seiner Ehefrau zu vollziehen.
Laure Chabaud
Stellvertretende Staatsanwältin von Avignon
Nicht alle (Angeklagten, Anm.) haben als Kinder und Jugendliche sexuelle Gewalt erlebt. Nicht alle sind Perverse, bei denen Psychiater Störungen des Sexualverhaltens festgestellt haben. Nicht alle sind Überkonsumenten von Pornografie. Nicht alle sind vorbestraft. Nicht alle sind von einer Form von emotionaler und sexueller Unsicherheit betroffen. Aber eines eint sie alle: der freie Wille. Alle haben sich auf eine bestimmte Weise entschieden. (…) Sie haben sich dazu entschlossen, sich keine Fragen zu stellen und ihren Vorurteilen und ihrer Weltsicht den Vorrang zu geben: ,Da ich mit dem Ehemann gesprochen habe und er es bestätigt hat, gehe ich davon aus, dass sie einverstanden ist.‘
Antoine Camus
Einer der Anwälte von Dominique Pelicot
4. Gisèle Pelicot geht an die Öffentlichkeit
Der Ausschluss der Öffentlichkeit kann nur verhängt werden, wenn das Opfer sich nicht dagegen ausspricht.
Artikel 306 der französischen Strafprozessordnung
„Ich habe entschieden, den Ausschluss der Öffentlichkeit abzulehnen, denn ich wollte, dass alle Frauen sich sagen können: ‚Madame Pelicot hat es getan, ich kann es auch tun.‘ (…) Ich äußere weder Zorn noch Hass. Ich äußere meine Entschlossenheit, dass wir diese Gesellschaft verändern. Ich höre, wie all die Frauen und auch Männer mir sagen, dass ich Mut hätte. Es ist nicht Mut, es ist Willenskraft.“
Gisèle Pelicot
Unterstützung für Gisèle, nein zum Ausschluss der Öffentlichkeit!
Plakat vor dem Justizpalast in Avignon
Im Sinne von Gisèle Pelicot lassen diese Videos die These einer versehentlichen Vergewaltigung durch Unaufmerksamkeit oder Unvorsichtigkeit in sich zusammenbrechen. Was sie zeigen, ist eine Gelegenheitsvergewaltigung.
Antoine Camus
Der Anwalt von Gisèle Pelicot, begründet, weshalb die von Dominique Pelicot angefertigten Videos der Vergewaltigungen auf Wunsch seiner Mandantin vor Gericht gezeigt wurden
Genug jetzt, wir haben genug gesehen. Stop! Stop!
Roger Arata
Vorsitzender des Strafgerichts von Avignon, bei der Vorführung eines der Videos
Ja, man musste diese Videos, die stärker waren als jedes Verhör, der Presse und der Öffentlichkeit vorführen. Aber seien wir ehrlich: An manchen Abenden, nachdem wir gesehen hatten, was wir gesehen hatten, bedauerten wir – egoistischerweise –, dass der Prozess nicht hinter verschlossenen Türen ablief.
Henri Seckel und Pascale Robert-Diard
„Le Monde“-Journalisten
5. Die Debatte um den Fall Pelicot
Dieser Prozess gibt uns die Gelegenheit, zu verstehen, dass, auch wenn nicht alle Männer Vergewaltiger sind, diese 50 Vergewaltiger das gemeinsame Merkmal haben, Männer zu sein, groß geworden in derselben patriarchalen Gesellschaft, die Vergewaltiger hervorbringt und ihnen gestattet, sich der Körper von Frauen zu bemächtigen wie materiellen Eigentums.
Mathieu Palain
Autor des Buches „Unsere Väter, unsere Brüder, unsere Freunde“ (in französischer Sprache) über Gewalt in Beziehungen
Das ist kein Kampf gegen die Männer, sondern ein Kampf mit den Männern und mit den Frauen, ein gesellschaftlicher Kampf, kein Geschlechterkampf.
Alba Ventura
Kommentatorin des TV-Senders „TF1“
Wie viele Prozesse von Mazan noch, bis ihr der Wahrheit ins Gesicht seht?
Plakat bei einer Demonstration gegen Gewalt an Frauen
Möge der Prozess das Verdienst haben, dass den Frauen besser zugehört wird!
Muriel Salmona
Psychiaterin
6. Schluss
Ich verlange, dass Dominique Pelicot für alle ihm zur Last gelegten Taten schuldig gesprochen wird.
Laure Chabaud
Stellvertretende Staatsanwältin von Avignon
Ich weiß, ich werde 20 Jahre kriegen, ich habe alles verloren.
Dominique Pelicot
Du wirst in der Lüge sterben!
Caroline
zu ihrem Vater Dominique Pelicot, der beteuert, sich niemals an ihr vergangen zu haben. Tatsächlich hat er heimlich aufgenommene Nacktfotos von ihr verschickt.
Ich habe Enkelkinder, ich will, dass sie keine Scham haben, ihren Namen zu tragen. Sie sollen stolz auf ihrer Großmutter sein. Heute erinnert man sich an Madame Pelicot. Man wird sich weniger an Herrn Pelicot erinnern.