Porträt

Trumps Mann in Europa

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán liegt politisch auf einer Linie mit US-Präsidenten Donald Trump. In Brüssel könnte er zu Trumps Botschafter werden. Porträt eines Politikers, der als Liberaler begonnen hat, zum Konservativen wurde und jetzt als Rechtspopulist Karriere macht.

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In der Nacht, in der sich entschied, dass der nächste US-Präsident Donald Trump heißen wird, weilte Viktor Orbán in Bischkek, der Hauptstadt Kirgistans. Im Kreis zentralasiatischer Autokraten freut man sich über das „fantastische Ergebnis“. Eigentlich – so hatte es Ungarns Ministerpräsident noch einen Monat zuvor in Straßburg angekündigt – wollte er für Trump die Champagnerkorken knallen lassen. Doch im ehemals sowjetischen Kirgistan herrschen andere Gebräuche. „Wir haben uns an den Wodkabeständen schadlos gehalten“, erzählte Orbán zwei Tage später, immer noch aufgekratzt, Journalisten am Rande eines EU-Gipfels in Budapest.

Der Rechtspopulist, der seit 14 Jahren über Ungarn herrscht, fühlt sich seit der amerikanischen Wahlnacht wie im siebten Himmel. Er, der „Buddy“ des künftigen US-Präsidenten, den dieser mehrfach in seinem Luxusanwesen in Mar-a-Lago als Bruder im Geiste empfing, ist der Paria in der Europäischen Union. Brüssel quält sein Land mit Fördermittelentzügen und schmerzhaften Geldstrafen, weil es gegen die Rechtsstaatlichkeit verstößt und das europäische Asylrecht missachtet. Doch jetzt, wo Trump, der für die EU nur Verachtung übrighat, gewonnen hat, könnte Orbán in Brüssel so etwas wie der Botschafter des neuen Präsidenten werden.

MEDIENTERMIN FPÖ "PATRIOTISCHES MANIFEST" - GEMEINSAME ERKLÄRUNG: ORBAN / KICKL

In wichtigen EU-Staaten könnte sich die Politik weiter nach rechts verschieben. Und Orbáns Putin-Freundlichkeit dürfte in EU-Ländern mit Bevölkerungen, die des Ukraine-Kriegs überdrüssig werden, auf Verständnis stoßen. Viktor Orbán, der Gründer einer neuen Rechtsaußenfraktion im Europaparlament, der „Patrioten für Europa“, zu denen auch Herbert Kickls FPÖ gehört, wäre dann nicht mehr der Paria, sondern der Vorbote, der es vorausgesehen hat und schon längst dort ist, wo die anderen hinwollen. Viktor Orbán wäre der neue europäische Mainstream.

Prorussische „Friedenspolitik“

Das Verhältnis Orbáns zum heutigen Mainstream in Brüssel ist zerrüttet und vergiftet. Es scheint, als ob der Ungar keine Gelegenheit ausließe, die Außenpolitik der EU – wo eine solche erkennbar ist – zu stören, zu konterkarieren, zu sabotieren. Die EU-Sanktionen gegen Russland verwässerte er mit Vetodrohungen. Als Ungarn am 1. Juli den Ratsvorsitz übernahm, jettete er im Rahmen einer selbst erklärten „Friedensmission“ zu Putin nach Moskau und Xi nach Peking, zum Entsetzen der Regierungen der meisten anderen EU-Mitgliedsländer: 

Der „Frieden“, den Orbán predigt, liefe – ganz nach dem Geschmack Moskaus – auf eine Kapitulation der Ukraine vor dem russischen Aggressor hinaus. Mit Trump gewinnt Orbán nun einen gewichtigen globalen Partner. „Die Amerikaner werden aus dem Krieg aussteigen“, tönte er drei Tage nach der US-Wahl im staatlichen Radio. Europa werde die Unterstützung Kiews finanziell nicht allein schultern können. Der alte Kontinent habe „den Krieg verloren“. Dass es so kommen würde, habe er, der Putin nie wirklich kritisiert hat, von Anfang an gewusst.

Als Vehikel für seine „Friedenspolitik“ dienen Orbán seit Kurzem die „Patrioten für Europa“. Zur neuen Rechtsaußen-Fraktion im EU-Parlament gehören neben dem Fidesz auch Marine Le Pens Rassemblement National, die spanische VOX, Matteo Salvinis Lega aus Italien und die österreichische FPÖ. Sie alle gelten als prorussisch. Le Pen nahm für Wahlkämpfe Kredite von einer russischen und später von einer ungarischen Oligarchen-Bank auf, und die FPÖ versüßte sich ihren Sieg bei der letzten Nationalratswahl, indem ihr frischgebackener Parlamentspräsident Walter Rosenkranz Viktor Orbán ins Hohe Haus einlud.