Von Guernica bis Aleppo
So bald wird sich freilich wohl kein Politiker mehr mit dem Nichtwissen über jene zweitgrößte syrische Stadt ertappen lassen, die gerade durch Luftangriffe des Assad-Regimes und deren russischen Verbündeten zerstört wird.
Der Name dieser Stadt, von der UN-Generalsekretär Ban Ki-moon sagt, sie sei dieser Tage "schlimmer als ein Schlachthaus", dürfte bald ikonisch als Inbegriff von barbarischer Kriegsführung ins kollektive Gedächtnis eingehen. Aleppo wird dereinst wohl wie Guernica erinnert werden. So wie jetzt Bomber der syrischen Armee des Diktators Bashar al-Assad und der russischen Alliierten ganze Stadtviertel plattmachen, so bombardierte 1937 im spanischen Bürgerkrieg die Legion Condor der nazi-deutschen Luftwaffe gemeinsam mit den spanischen Franco-Faschisten die von den Republikanern kontrollierte baskische Stadt. Guernica ist eine Kleinstadt, Aleppo hingegen eine Millionenstadt, und die Zahl der zivilen Todesopfer war im Spanien der 1930er-Jahre ein Bruchteil von jenen heute in Aleppo. Die Welt war damals aber von diesem verbrecherischen Luftangriff zutiefst schockiert: Guernica wurde Thema des berühmten Antikriegsbildes von Pablo Picasso.
Noch andere historische Assoziationen drängen sich auf: "Seit die Nazis 1944 den Aufstand der Bevölkerung von Warschau niederschlugen und letztlich mehr als drei Viertel der polnischen Hauptstadt zerstörten , hat die Welt einen Angriff von solch totaler Grausamkeit nicht erlebt, wie wir ihn jetzt in Aleppo sehen", schreibt der britische "Guardian". Auch Hiroshima und Dresden können einem einfallen. Auch an geografisch und zeitlich nähere Ereignisse muss denken, wer die Bilder von Aleppo sieht: Niemand, der weiß, wie 1982 Hafiz al-Assad, der damalige syrische Präsident, eine Revolte in Hama niederschlug - 40.000 Einwohner der nordsyrischen Stadt kamen durch das Dauerbombardement der Luftwaffe des Regimes ums Leben -, kann daran zweifeln, dass sein Sohn Bashar bereit ist, nun in Aleppo ganze Sache zu machen.
Und dass der Kreml-Chef Wladimir Putin kaum von humanitären Skrupeln geplagt ist, hat er bereits in den Jahren 1999 und 2000 gezeigt: Um den Separatisten in Tschetschenien den Garaus zu machen, zögerte der damalige Regierungschef nicht, Grosnyi, die Hauptstadt der russischen Teilrepublik, einfach in Schutt und Asche zu legen.