Vorwahlen der Republikaner: Ein einsames Rennen
Von Siobhán Geets
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Am Anfang ist die Erde vom Weltraum aus zu sehen, im Hintergrund melancholische Klaviermusik, dann setzt die Erzählstimme ein: „Am 14. Juni 1946 blickte Gott auf sein geplantes Paradies und sagte: Ich brauche einen Verwalter. Also gab Gott uns Trump.“ Produziert wurde das Video von Trump-Fans, Anfang Jänner teilte es der Ex-Präsident auf seinem eigenen Netzwerk „Truth Social“.
Mit dem Clip, in dem Donald Trump als gottgesandter Messias inszeniert wird, hat der Personenkult um den republikanischen Präsidentschaftsanwärter einen neuen, bizarren Höhepunkt erreicht.
Doch bei seinen Fans könnte die Botschaft durchaus verfangen. Während seiner Amtszeit hat Trump eine tiefe Beziehung zu seiner Basis aufgebaut, der weder seine Niederlage gegen Joe Biden noch die Anklagen wegen insgesamt 91 Delikten Abbruch getan hat. Deutlich wurde das einmal mehr vergangene Woche: Bei der ersten Möglichkeit, Trumps Beliebtheit im Vergleich zu seinen republikanischen Konkurrenten abzufragen, siegte er mit deutlichem Abstand.
1. Wie wichtig waren die Vorwahlen in Iowa?
Am Montagabend gab sich Donald Trump ungewohnt milde. Soeben waren die Ergebnisse der Vorwahlen im Bundesstaat Iowa bekannt gegeben worden – und Trump hatte seine Konkurrenten um die republikanische Präsidentschaftskandidatur haushoch (siehe Grafik) geschlagen. Für Nikki Haley und Ron DeSantis hatte Trump bisher nur Hohn und Spott übrig, nun aber lobte er sie sogar. Die Botschaft: Der Kampf ist ohnehin vorbei, er, Trump, werde bei den Präsidentschaftswahlen am 5. November gegen Joe Biden antreten.
Formal ist zumindest nichts entschieden, die Vorwahlen, bei denen die beiden großen Parteien ihre jeweiligen Kandidaten küren, haben gerade erst begonnen (auch die Demokraten halten Vorwahlen ab, doch Joe Biden hat keine ernst zu nehmenden Konkurrenten). Als Nächstes ist am kommenden Dienstag New Hampshire an der Reihe; beim „Super Tuesday“ am 5. März wird dann in zahlreichen Bundesstaaten gleichzeitig abgestimmt. Endgültig fixiert wird die Nominierung beim Parteitag im Juli.
Doch derzeit spricht alles für Trump: Laut Umfragen wollen ihn landesweit rund 70 Prozent der republikanischen Wähler ins Rennen gegen Biden schicken.
DeSantis und Haley müssen nun versuchen, einander auszustechen, um überhaupt eine Chance gegen Trump zu haben – und Haley hofft auf den Sieg in anderen Bundesstaaten. Etwa in New Hampshire, wo sie knapp hinter Trump liegt.
2. Darf Trump überhaupt antreten?
Am Tag nach seinem Sieg in Iowa reiste Trump nach New York, um vor Gericht zu erscheinen – wieder einmal. Diesmal ging es um den zweiten Verleumdungsprozess der Autorin E. Jean Carroll. Vergangenes Jahr sah ein Gericht es als erwiesen an, dass Trump sie 1996 sexuell missbraucht und danach verleumdet hatte, nun verlangt Carroll mehr als zehn Millionen Dollar Entschädigung.
Es ist nicht der einzige Prozess gegen Trump. Ganze 91 Delikte werden ihm vor vier Strafgerichten vorgeworfen, darunter Wahlmanipulation, Dokumentendiebstahl sowie die Anstachelung zum Sturm auf das Kapitol am 6. Jänner 2021. Damals hatten Trumps Fans den Sitz des Parlaments in Washington gestürmt, nachdem er behauptet hatte, dass ihm der Wahlsieg durch massiven Betrug gestohlen worden wäre. Fünf Menschen kamen bei den Krawallen ums Leben.
Zwei Drittel der Republikaner finden, Trump sollte selbst dann ins Weiße Haus einziehen, wenn er verurteilt wird. Doch einige Bundesstaaten wollen ihn vorab disqualifizieren. Maine und Colorado haben Trump von den Vorwahlen ausgeschlossen und berufen sich dabei auf den 14. Zusatz zur Verfassung der Vereinigten Staaten aus dem Jahr 1868. Absatz drei sieht vor, dass ehemalige Amtsträger, die einen „Aufstand oder eine Rebellion“ angezettelt haben, nicht bei Wahlen antreten dürfen. Entsprechende Verfahren laufen in 19 weiteren Bundesstaaten.
Am Ende wird der Supreme Court entscheiden, ob der 14. Zusatzartikel auf Trump angewendet werden kann, am 8. Februar soll der Fall angehört werden. Die Zeit drängt: Bis zum Super Tuesday am 5. März muss eine Entscheidung fallen, sonst kann Trump in Maine und Colorado nicht antreten. Für den Ex-Präsidenten stehen die Chancen gut: Immerhin sind sechs von neun Richtern des Supreme Court Republikaner, drei hat er selbst bestellt.
3. Wer steht hinter Trump – und wie mächtig sind seine Gegner?
Es ist noch kein Jahr her, da lag Trump in manchen Umfragen hinter Ron DeSantis. Besser gebildete Anhänger der Republikaner zogen den Gouverneur von Florida Trump vor, doch das hat sich geändert.
Dem Sohn eines Multimillionärs ist es nicht nur gelungen, zur Stimme der amerikanischen Arbeiterklasse zu werden, die lange Zeit demokratisch geprägt war. Christliche Nationalisten sind ihm ebenso treu ergeben wie die Republikaner im Kongress. Und Trump wird auch unter besser gebildeten, weißen Republikanern immer beliebter. Unter jenen mit College-Abschluss hat sich die Zahl der Trump-Anhänger seit vergangenem Februar auf 60 Prozent verdoppelt.
Mittlerweile spricht Trump republikanische Wähler über alle Ethnien und Bildungsschichten hinweg an. Gleichzeitig bleibt Ron DeSantis, bis vor Kurzem noch als neuer Star der Partei gefeiert, hinter den Erwartungen zurück.
Und so sprechen sich immer mehr Parteigänger für Trump aus. Die Führungsriege im Repräsentantenhaus steht hinter ihm – und die Liste prominenter Republikaner, die Trump verhindern wollen, wird immer kürzer. Zu ihnen gehören ehemalige (Vize-)Präsidenten wie George W. Bush und Mike Pence, einstige Kabinettsmitglieder Trumps wie John Bolton sowie eine Handvoll Senatorinnen und Senatoren.
Der wohl schärfste Kritiker Trumps unter den Republikanern ist Chris Christie. Der ehemalige Gouverneur von New Jersey hat seine Kandidatur Anfang Jänner zurückgezogen, davon profitieren könnte Nikki Haley.
Die ehemalige UN-Botschafterin hat reiche Geldgeber hinter sich und bisher mehr für TV-Werbung ausgegeben als Trump und DeSantis, doch am Ende entscheidet die Basis – und die liebt Trump. Ein republikanischer Stratege formulierte es gegenüber dem Online-Medium „politico“ so: „Es ist, als hätte man die besten Pfeile und Bögen zur Verfügung – im Zeitalter des Schießpulvers.“
4. Haben DeSantis und Haley überhaupt noch eine Chance?
Gelingt es weder Haley noch DeSantis, Trump zumindest in New Hampshire und anderen, weniger konservativ geprägten Bundesstaaten zu schlagen, dann dürften die Republikaner am Parteitag für Trump stimmen.
Eine Zeit lang sah es so aus, als würde DeSantis zur fixen Nummer zwei nach Trump, und auch in Iowa hat er besser abgeschnitten als Haley. Doch landesweit liegt die ehemalige Gouverneurin von South Carolina vor DeSantis – wenn auch knapp. Die einstige Vertraute Trumps könnte ihm noch gefährlich werden. Anders als DeSantis, der dieselben Positionen vertritt wie Trump und keine außenpolitische Erfahrung hat, bringt Haley durchaus eigene Standpunkte ein.
Nikki Haley, unter Trump Botschafterin bei den Vereinten Nationen, war die erste weibliche und die erste nicht-weiße Gouverneurin South Carolinas. Nun will sie jene Wähler zurückholen, die Trump vergrault hat: moderate Republikaner, die Trumps Lüge von der gestohlenen Wahl nicht glauben und seine isolationistische Außenpolitik ablehnen.
Haley inszeniert sich als einzige Möglichkeit, den „Trump-Biden-Alptraum“ zu verhindern und einen Generationenwechsel in Washington einzuläuten. Umfragen unterstützen diese These. Eine Mehrheit der Amerikaner will keine Neuauflage des Duells zwischen Trump und Biden. Und gegen Biden schneidet Haley in Umfragen besser ab als Trump und DeSantis.
Während DeSantis’ Zustimmungswerte fallen, steigen jene von Haley. Sollte sich der Trend fortsetzen, könnte die Tochter indischer Einwanderer bald die Einzige sein, die überhaupt noch eine Chance gegen Trump hat.
Siobhán Geets
ist seit 2020 im Außenpolitik-Ressort.