Gaza, was wird aus dir?
Von Siobhán Geets und Robert Treichler
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Ist der Krieg wirklich zu Ende?
Das ist vorgesehen, aber alles andere als sicher. Zwar beinhaltet die Vereinbarung zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas neben einem Waffenstillstand, der Freilassung aller Geiseln und dem Rückzug der israelischen Armee aus dem Gazastreifen auch die Vorbereitung eines Wiederaufbaus. Doch auf dem Weg dorthin gibt es viele Risiken.
Die Angehörigen der Geiseln fürchten, dass es wieder so kommen könnte wie im November 2023. Damals wurde der Austausch von Geiseln gegen palästinensische Gefangene nach einer Woche abgebrochen – und der Krieg ging weiter. Auch jetzt wollen die rechtsextremen Koalitionspartner von Premier Benjamin Netanjahu die Angriffe auf den Gazastreifen so rasch wie möglich fortsetzen.
Dabei hatte Netanjahu für einen Waffenstillstand und die Rückkehr der Geiseln viele seiner Forderungen zurückgezogen – und einem Deal zugestimmt, der im Wesentlichen bereits seit Mai vorliegt. „Ich bin optimistisch, dass die Waffen diesmal länger schweigen“, sagt der Nahost-Experte Marcus Schneider von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Beirut.
Die Zukunft der Region hänge von der neuen Regierung in Washington ab. „Die Frage ist, welche Fraktion sich durchsetzt: die proisraelischen Neokonservativen um Außenminister Marco Rubio oder Dealmaker wie Vizepräsident JD Vance und Trumps Nahost-Beauftragter Steve Witkoff“, sagt Schneider. Daran entscheide sich, ob die USA Israel freie Hand lassen, um den Krieg – und die völkerrechtswidrige Besiedlung des Westjordanlands – voranzutreiben, oder ob Washington auch künftig versucht, Druck auf Netanjahu ausüben.
Ich bin nicht zuversichtlich.
Donald Trump selbst ist, was das Abkommen zwischen Israel und der Hamas betrifft, offenbar nicht sehr optimistisch. Auf die Frage, ob die Waffenruhe halten werde, sagte er vergangene Woche: „Ich bin nicht zuversichtlich.“
Ist die Hamas komplett ausgelöscht?
Fünf Tage nach dem Massaker der Terrororganisation Hamas am 7. Oktober 2023 trat in Jerusalem ein Kriegskabinett unter der Führung Netanjahus zusammen und verkündete sein vordringlichstes Ziel: die Hamas „vom Erdboden verschwinden zu lassen“. Ist das gelungen?
Aus militärischer Perspektive ist sie zumindest arg geschwächt. Vor dem Krieg verfügten die Isaddin-al-Kassam-Brigaden, der bewaffnete Arm der radikal-islamistischen Hamas, laut Schätzungen über 24 Bataillone mit insgesamt 25.000 bis 30.000 bewaffneten Kämpfern. Israel gibt an, rund 20.000 militante Palästinenser in Gaza getötet zu haben. Die Hamas bestreitet, dass es so viele seien. Dass die Hamas „keine organisierte militärische Kraft mehr“ sei, sagte Israels damaliger Verteidigungsminister Joav Gallant bereits im September 2024.
Doch die Hamas-Kämpfer formierten sich in kleinen Gruppen immer wieder neu und wandten gegen die israelischen Streitkräfte Guerilla-Taktiken an, etwa den Einsatz von Sprengfallen.
Während des Krieges wurden in und außerhalb von Gaza die wichtigsten Köpfe der Terrororganisation getötet. Ismail Haniyeh, der oberste Anführer, starb im Juli 2024 durch einen von Israel durchgeführten Sprengstoffanschlag in Teheran. Yahya Sinwar, der wichtigste Hamas-Führer in Gaza, wurde im Oktober 2024 bei einem Einsatz der israelischen Streitkräfte in Gaza getötet.
Die neue Führung soll sich aus einem Komitee von fünf Personen zusammensetzen, darunter Khalil al-Hayya, der in Katar stationiert ist und dort die Hamas-Delegation bei den Waffenstillstandsverhandlungen leitete.
Es ist offensichtlich, dass die Hamas nicht „vom Erdboden verschwunden“ ist, wenn damit gemeint sein soll, dass sich niemand mehr zu der Organisation bekennt. Es existiert eine Führungsebene, und als am vergangenen Sonntag der Waffenstillstand in Kraft trat, tauchten umgehend bewaffnete, vermummte Männer in Hamas-Uniformen in den Straßen auf.
Die Hamas kann weiterhin über die verbliebenen Geiseln verfügen, deren Freilassung organisieren, und sie ist trotz aller Verluste offensichtlich immer noch die bestimmende palästinensische Organisation in Gaza.
Wie sehr ist Gaza zerstört?
Experten der Oregon State University analysierten Satelliten-Daten und kamen zu dem Ergebnis, dass beinahe 60 Prozent aller Gebäude im Gazastreifen zerstört oder schwer beschädigt sind. Am schlimmsten getroffen wurde Gaza-Stadt.
Die Vereinten Nationen (UN) schätzen, dass mehr als 90 Prozent der Wohneinheiten in Gaza beschädigt sind. In absoluten Zahlen: 160.000 Wohnungen sind zerstört, 276.000 teilweise oder schwer getroffen.
links: © DigitalGlobe/Getty Images/2023 Maxar Technologies/DigitalGlobe/Getty Images
rechts: © DigitalGlobe/Getty Images/2023 Maxar Technologies/DigitalGlobe/Getty Images
Zerstörung in Gaza
Die Stadt Beit Hanun im nördlichen Gazastreifen vor dem Krieg und danach
Die Menge an Schutt, die dabei entstanden ist, wird von der Umweltorganisation der Vereinten Nationen (UNEP) mit über 50 Millionen Tonnen angegeben. Ihn zu entfernen, werde nach bisherigen Erfahrungen bis zu 21 Jahre dauern.
Eine von profil kontaktierte Familie aus Gaza-Stadt, die bereits vor mehreren Monaten in die südlicher gelegene Stadt Khan Yunis geflüchtet ist, schrieb in einer Whats- App-Nachricht, sie würde gern nach Gaza-Stadt zurückkehren. Allerdings sei ihr Haus dort zerstört, außerdem warte sie auf eine offizielle Erlaubnis der israelischen Streitkräfte, den Marsch Richtung Norden antreten zu dürfen. So ähnlich geht es derzeit vielen der 1,9 Millionen innerhalb des Gazastreifens Vertriebenen.
Wie viele Geiseln wurden befreit, und wie viele Palästinenser kamen im Gegenzug aus dem Gefängnis?
Nach dem brutalen Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 gab Benjamin Netanjahu den Angehörigen der 251 in den Gazastreifen verschleppten Geiseln ein Versprechen. Er werde sie alle nach Hause zurückholen, so Israels Premier.
Gelungen ist ihm das bisher nicht. Laut Regierungsangaben befinden sich noch 53 Geiseln in den Händen der Hamas. Freikommen soll nun auch der israelisch-österreichische Doppelstaatsbürger Tal Shoham. Insgesamt ist geplant, in den kommenden Wochen 33 Geiseln gegen Hunderte in Israel inhaftierte Palästinenser auszutauschen.
Als Erste im Zuge des aktuellen Abkommens kamen am Sonntag vor einer Woche drei junge Frauen frei – im Austausch für 90 palästinensische Gefangene. Am gestrigen Samstag konnten weitere vier junge Frauen zu ihren Familien nach Israel zurückkehren. Die Soldatinnen, keine davon älter als 20 Jahre, waren zusammen mit drei weiteren Frauen von einer Basis im Süden Israels entführt worden. Eine von ihnen, Agam Berger, befindet sich immer noch in den Händen der Hamas. Ihre Familie hofft, das sie kommendes Wochenende nach Hause zurückkehren kann.
Insgesamt wurden bisher 124 Geiseln aus den Händen der Hamas befreit: Im November 2023 kamen während eines einwöchigen Waffenstillstands 78 Geiseln frei, Israel entließ damals 240 palästinensische Frauen und Minderjährige aus dem Gefängnis. Weitere acht Geiseln konnten von der israelischen Armee aus dem Gazastreifen gerettet werden, 27 Ausländer und Doppelstaatsbürger wurden abseits von Abkommen aus der Geiselhaft entlassen, vier Frauen kamen aus „humanitären Gründen“ frei.
Für 74 Geiseln endete die Entführung in den Gazastreifen tödlich.
Von den Palästinensern, die im Zuge des Geiseldeals freikommen sollen, wurden etliche nach dem 7. Oktober in sogenannte Administrativhaft genommen. Diese erlaubt die Verhaftung von Personen, die noch kein Verbrechen begangen haben – ihre bloße Einstufung als Sicherheitsrisiko reicht aus.
Laut der israelischen Regierung sind die meisten Häftlinge Terroristen und Mörder. Tatsächlich sollen auch Palästinenser freikommen, die wegen schwerer Verbrechen verurteilt wurden. Einige hatten sich an der sogenannten zweiten Intifada beteiligt, bei der radikale Palästinenser ab dem Jahr 2000 blutige Terroranschläge in Israel verübten.
Dazu gehört Mohammed Odeh. Im Jahr 2002 hatte er eine Bombe in der Cafeteria der Universität von Jerusalem deponiert. Bei der Explosion starben neun Menschen, rund 100 weitere wurden verletzt. Der 52-Jährige wurde zu lebenslanger Haft verurteilt, nun soll er freikommen.
Eine weitere prominente Gefangene ist Rula Hassanein. Israelische Sicherheitskräfte nahmen die Redakteurin der palästinensischen Nachrichtenseite „Watten News Agency“ im März wegen ihrer Beiträge auf X fest. Dort hatte sie den Krieg in Gaza und die israelische Politik im Westjordanland kommentiert und kritische Beiträge geteilt.
Ein Militärgericht warf Hassanein Aufwiegelung und die Unterstützung einer verbotenen Organisation vor, ihr Ansuchen um Freilassung auf Kaution wurde abgelehnt. Weil Hassanein eine Tochter im Säuglingsalter zurücklassen musste, hat ihr Fall besonders emotionalisiert.
Anders als Hassanein, die vergangene Woche nach zehn Monaten Haft in ihre Heimatstadt Betlehem zurückkehrte, dürfen Gefangene wie Odeh nicht wieder ins Westjordanland oder in den Gazastreifen einreisen, sondern sollen in Drittländer gebracht werden.
Welche Foltervorwürfe werden erhoben?
Im Zentrum dieser Frage stehen zuallererst die Geiseln, die von der Hamas verschleppt wurden. Bereits die Entführung von Zivilisten stellt ein Verbrechen dar. Die Hamas hat dem Internationalen Roten Kreuz, das sich regelmäßig darum bemüht hat, die Geiseln besuchen zu dürfen, jeglichen Kontakt zu den Verschleppten verweigert.
Zurück in Israel
In der Geiselhaft der Hamas hat Emily Damari zwei Finger verloren.
Das israelische Gesundheitsministerium erstellte auf Basis von Interviews mit mehr als 100 israelischen und ausländischen Geiseln, von denen die meisten Ende November 2023 – also nach mehr als eineinhalb Monaten Haft – freigelassen worden waren, einen Bericht. Darin werden mehrere Arten von Folter aufgelistet, denen die Geiseln nach eigenen Angaben ausgesetzt waren: sexueller und psychischer Missbrauch, Nahrungsentzug, Verbrennungen, medizinische Vernachlässigung. Der Bericht wurde den Vereinten Nationen übergeben.
Besonderes Augenmerk gilt dem Vorwurf der Vergewaltigung und des sexuellen Missbrauchs an Geiseln. Im vergangenen Jahr dokumentierte ein Bericht der UN-Sonderbeauftragten für sexuelle Gewalt in Konflikten, Pramila Patten, sowohl Erkenntnisse in Bezug auf sexuelle Gewalt beim Terrorüberfall der Hamas am 7. Oktober 2023 als auch „überzeugende Informationen“, wonach israelische Geiseln in Gaza Opfer sexueller Gewalt geworden seien.
Doch auch palästinensische Inhaftierte geben an, in israelischen Lagern gefoltert und sexuell misshandelt worden zu sein. UN-Sonderbeauftragte Patten bat die israelische Regierung um Erlaubnis, ihre Untersuchungen fortsetzen zu dürfen. Sie wollte sowohl den Vorwürfen israelischer Geiseln als auch denen palästinensischer Gefangener nachgehen. Die Regierung verweigerte allerdings ihre Zustimmung.
Tatsächlich werden Fälle von mutmaßlicher Folter an Häftlingen aus Gaza in Israel bereits untersucht, allerdings gegen den heftigen Widerstand von manchen Ministern der Regierung.
Wie viele Tote, Vermisste und Verletzte gab es auf beiden Seiten?
Fast 16 Monate sind seit Beginn der israelischen Militäroffensive im Gazastreifen vergangen, und beinahe genauso lange wird über die Anzahl der Toten gestritten.
Laut dem von der Hamas betriebenen Gesundheitsministerium sind es mehr als 47.000, weitere 10.000 Tote würden sich noch unter dem Schutt zerbombter Häuser befinden. Doch viele wollen die Angaben nicht glauben, allen voran die israelische Regierung und deren Streitkräfte. Sie werfen der Hamas vor, die Zahlen zu manipulieren, um die Welt gegen Israel aufzuhetzen.
Vonseiten der Vereinten Nationen heißt es, die Angaben der Hamas seien realistisch. Forscher gehen davon aus, dass die Zahl der Todesopfer sogar deutlich höher sein könnte. Demnach starben in den ersten neun Kriegsmonaten, also im Zeitraum vom 7. Oktober 2023 bis 30. Juni 2024, im Gazastreifen rund 55.300 bis 78.500 Menschen durch Gewalteinwirkung – also um 46 bis 107 Prozent mehr, als die Hamas damals vermeldete.
Für ihre in der Fachzeitschrift „The Lancet“ veröffentlichten Studie führten die Wissenschafter der London School of Hygiene and Tropical Medicine die Zahlen des Gesundheitsministeriums mit Angaben von örtlichen Krankenhäusern, einer Befragung von Hinterbliebenen und Todesanzeigen zusammen – eine Methode, die auch im Kosovo und dem Sudan genutzt wurde.
Rund 59 Prozent der identifizierbaren Opfer waren laut der Studie Frauen, Alte und Kinder. Laut UN machen Frauen und Kinder sogar mehr als zwei Drittel der Todesopfer im Gazastreifen aus: Die Altersgruppe mit den meisten verifizierten Todesfällen seien Kinder im Alter von fünf bis neun Jahren.
Unklar ist, bei wie vielen der Getöteten es sich um Hamas-Kämpfer handelt. Die israelischen Streitkräfte sprechen von rund 20.000, verraten aber nicht, wie sie darauf kamen.
Israelische Soldaten
Soldaten des israelischen Militärs bei einer Kampfpause an der Grenze zum Gazastreifen: mehr als 400 Gefallene.
Unumstritten ist hingegen die Anzahl der Todesopfer in Israel. Bei ihrem Angriff ermordete die Hamas rund 1200 Menschen und verschleppte 251 weitere in den Gazastreifen.
Bisher starben rund 400 israelische Soldaten im Kampf.
Welche Folgen hat ein mögliches Kriegsende auf die Verfahren gegen Israel und dessen Premier Netanjahu?
Kurz gesagt: keine, denn die Verfahren laufen unabhängig davon, ob der Krieg in Gaza andauert. „Es geht um die Frage, ob Israel beziehungsweise seine Vertreter Völkerrecht verletzt haben“, sagt Ralph Janik, Experte für internationales Recht, „und nicht darum, ob sie das noch immer tun“.
Sollte eine künftige israelische Regierung Ermittlungen gegen Netanjahu und Gallant einleiten, dann wäre der IStGH raus.
Zwei Verfahren laufen derzeit im Zusammenhang mit Israels Militäroffensive in Gaza: Der Internationale Gerichtshof (IGH) ermittelt, weil Südafrika Israel beschuldigt, im Gazastreifen die Völkermordkonvention zu verletzen; und der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hat Haftbefehle gegen Premier Benjamin Netanjahu und Ex-Verteidigungsminister Joav Gallant erlassen. Sie stehen in Verdacht, im Gazastreifen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt zu haben. Verurteilt werden können Netanjahu und Gallant nur im Fall ihrer Verhaftung, Prozesse in Abwesenheit sind vor dem IStGH nicht vorgesehen.
Im Gegensatz dazu geht es bei den Ermittlungen vor dem IGH um Israel als Staat und darum, ob es einen Völkermord begangen oder zumindest nicht genug unternommen hat, um einen solchen zu verhindern.
Die Folgen einer Verurteilung wären enorm. „Betroffene hätten wohl Anspruch auf Schadenersatz, auf Israel könnten hohe Reparationszahlungen zukommen und dazu kommt die – gerade bei Israel – politische Signalwirkung“, sagt Janik. Doch bis dahin kann es Jahre dauern. Sollten die USA als größter Geldgeber der Vereinten Nationen die Ressourcen kürzen oder gar Sanktionen gegen Richter des IGH verhängen, zöge sich die Angelegenheit noch weiter in die Länge. Abdrehen kann Washington das Verfahren aber nicht.
Die Klage vor dem IStGH beenden könnte der UN-Sicherheitsrat – zumindest theoretisch. Doch dafür bräuchte es neben einer Mehrheit der Mitglieder auch die Akzeptanz der Veto-Mächte. Janik hält ein solches Szenario für unwahrscheinlich.
Denkbar sei, dass eine künftige israelische Regierung Ermittlungen gegen Netanjahu und Gallant einleitet, „dann wäre der IStGH raus“. Das Weltstrafgericht wird nur aktiv, wenn nationale Gerichte und Staatsanwaltschaften Vorwürfen nicht selbst ernsthaft nachgehen. Die Verfahren gegen Netanjahu und Gallant – und damit auch die Haftbefehle – würden damit obsolet.
War das der letzte Krieg?
Eine solche Vorhersage wäre angesichts der jüngeren Geschichte des Nahost-Konflikts mehr als gewagt. Größere bewaffnete Konflikte zwischen der Hamas und Israel fanden in den Jahren 2008, 2014, 2021 und nunmehr 2023 bis 2025 statt. Das Ziel, die Hamas ein für alle Mal zu zerstören oder so sehr zu schwächen, dass sie ihre Angriffe gegen Israel einstellt, wurde in der Vergangenheit nicht erreicht.
Der aktuelle Krieg ist in seiner Dimension mit den Waffengängen davor nicht vergleichbar, noch nie haben die israelischen Streitkräfte so viele Hamas-Anführer und Kämpfer, aber auch Zivilisten getötet. Dennoch ist unklar, was auf den Krieg folgen soll. Wird keine andere Führung in Gaza etabliert, kann sich die Hamas personell und organisatorisch wieder sammeln, Waffen beschaffen und ihrer zerstörerischen Ideologie folgend Terror ausüben – gegen die eigene Bevölkerung und gegen Israel.
Wer könnte eine neue Führung abseits der Hamas stellen? Infrage kommt die Palästinensische Autonomiebehörde, die allerdings entsprechenden Rückhalt von außen – also von Israel, den USA, Europa – benötigt. Um die Hamas dauerhaft von der Macht fernzuhalten, braucht jede andere Führung Waffen, um ihre Herrschaft durchzusetzen, und Geld, um das Wohlwollen der Bevölkerung zu erringen.
Bisher ist ein solches Szenario nicht in Sicht und ein weiterer Krieg deshalb wahrscheinlich.
Siobhán Geets
ist seit 2020 im Außenpolitik-Ressort.
Robert Treichler
Ressortleitung Ausland, stellvertretender Chefredakteur