Wahlbetrug in Serbien? So reagiert das Außenministerium in Wien
Belgrad protestiert gegen Wahlbetrug. Am 17. Dezember fanden Parlaments,- und Lokalwahlen statt. Dabei soll es laut einem OSZE-Bericht, der am 18. Dezember veröffentlicht wurde und hier einsehbar ist, zu einer Reihe von Unregelmäßigkeiten gekommen sein. Von „nicht fairen" Bedingungen für die Opposition und einem „strategischen Vorteil“ für die regierende Fortschrittspartei (SNS) von Präsident Aleksandar Vučić ist die Rede. Darüber hinaus sind Fälle von Stimmenkauf und von nicht versiegelten Urnen dokumentiert sowie Einschüchterung und Druck auf Wähler. Das Außenministerium in Wien spricht auf profil-Anfrage von „zum Teil gravierenden Unregelmäßigkeiten“ bei der Wahl in Serbien.
„Wir müssen natürlich noch die Endberichte der internationalen Wahlbeobachter:innen abwarten, aber diese ersten Beobachtungen sind jedenfalls besorgniserregend und zeigen, dass weitere konkrete Fortschritte und Reformen im serbischen Wahlprozess notwendig sind", heißt es in der schriftlichen Stellungnahme weiter.
Geleitet wurde die OSZE-Mission von dem österreichischen Nationalratsabgeordneten Reinhold Lopatka (ÖVP), der auf 30 Jahre Erfahrung im Bereich Wahlbeobachtung zurückblickt.
Attacken auf Wahlbeobachter Schieder
Ingesamt 480 internationale Wahlbeobachter reisten dafür nach Belgrad, darunter auch Delegationen aus dem Europarat und dem EU-Parlament. Unter ihnen befand sich auch der EU-Abgeordnete Andreas Schieder (SPÖ). Nachdem er sich in serbischen Medien zu den Unregelmäßigkeiten äußerte, wurde er von der serbischen Premierministerin Ana Brnabić als Lügner diffamiert, der Serbien destabilisieren wolle.
„Mediale Angriffe auf internationale Wahlbeobachter:innen wie den österreichischen EU-Abgeordneten Andreas Schieder sind inakzeptabel und auf das Schärfste zurückzuweisen. Das haben wir auch gegenüber der serbischen Regierung getan“, heißt es dazu auf profil-Anfrage aus dem Außenministerium in Wien.
Am 22. Dezember machte die Nichtregierungsorganisation „CRTA“ mit Sitz in Belgrad einen weiteren Bericht öffentlich. Dieser beschreibt das Phänomen der sogenannten Wählerwanderung, auf Englisch auch als „voter migration“ bezeichnet. Demnach sollen tausende, womöglich sogar zehntausende SNS-Anhänger an fiktiven Adressen in Belgrad gemeldet worden sein, ohne dort wirklich zu wohnen. Sie könnten das Zünglein an der Waage gespielt haben.
Manipulation mit fiktiven Adressen?
Am Wahltag sollen diese Menschen in Bussen aus dem Nachbarland Bosnien-Herzegowina, aber auch aus Kroatien und dem Kosovo nach Belgrad gebracht worden sein. Dazu kamen laut CRTA auch Phantom Wähler aus Provinzen und Städten Serbiens.
Die Opposition klagt an, dass ihr auf diese Weise der Sieg in Belgrad gestohlen wurde.
Vučićs Fortschrittspartei (SNS) kam bei den Parlamentswahlen auf 47 Prozent der Stimmen, das pro-europäische Oppositionsbündnis auf 24 Prozent. In Belgrad, wo Opposition und Regierungspartei nur wenige Prozentpunkte trennen, könnte die von CRTA beschriebene Wählermigration tatsächlich einen Unterschied gemacht haben.
„Gegen ein Wahlrecht für Bürger:innen, die im Ausland leben spricht grundsätzlich nichts. Auch Auslandsösterreicher:innen können bei Präsidentschafts-, Nationalrats- und EU-Wahlen wählen. Die von der Wahlbeobachtungs-NGO CRTA gemeldeten Fälle von kurzfristigen Wohnsitzmeldungen sollten aber jedenfalls lückenlos aufgeklärt werden“, heißt es aus dem Außenministerium in Wien.
Aus dem Bundeskanzleramt in Wien kamen offiziell keine Glückwünsche an die siegreiche Fortschrittspartei (SNS) in Belgrad. Die SNS ist assoziiertes Mitglied der Europäischen Volkspartei (EVP), der auch die ÖVP angehört.
Auf die Frage, ob Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg dem serbischen Präsidenten Vučić zum Wahlsieg gratuliert habe, antwortet das Außenministerium mit: Nein.
Keine Glückwünsche aus Wien
Das ist an und für sich nichts Ungewöhnliches, denn Vučić ist kein Amtskollege Schallenbergs. Dazu kommt: Vučić stand weder zur Wahl, noch wurde er direkt gewählt.
Laut der serbischen Verfassung ist das Präsidentenamt rein repräsentativer Natur. Der OSZE-Bericht bemängelt, dass diese Gewaltenteilung bei der Wahl keinerlei Rolle spielte. Vučić, der den Vorsitz der SNS im letzten Jahr an den Verteidigungsminister abgegeben hat und sich eigentlich nicht in Parlamentswahlen einmischen dürfte, dominierte nicht nur die Wahlplakate und die Kampagne der SNS, sondern war auch omnipräsent in den Medien. Der Leiter der OSZE-Mission Reinhold Lopatka (ÖVP) nennt im Gespräch mit profil einen Vergleich. „Das wäre in etwa so, als würden die Grünen bei der Nationalratswahl im Herbst mit einer Liste antreten, die nach Alexander Van der Bellen benannt ist.“
Im Februar will die OSZE einen finalen Endbericht mit Empfehlungen vorlegen.
„Es liegt nun an Serbien, die Vorwürfe des Wahlbetrugs unter Einbindung aller politischen Kräfte aufzuklären und die notwendigen Konsequenzen zu ziehen“, heißt es aus dem Außenministerium.