Westbalkan

Wahlbetrug mit Briefkästen: Wie in Serbien getrickst wurde

Die Hinweise auf Wahlbetrug in Serbien verdichten sich. Die Opposition protestiert, die OSZE veröffentlicht auffallend scharfe Berichte. Und was macht die EU?

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Es war seine letzte Arbeitswoche vor den Weihnachtsferien. Am Freitag, dem 15. Dezember, reiste Andreas Schieder, Abgeordneter der SPÖ im EU-Parlament, nach Serbien, um die anstehende Parlaments- und Lokalwahl zu beobachten. Für Schieder Routine. In den Jahren zuvor hatte er auch Missionen in Simbabwe, Bosnien-Herzegowina und Liberia geleitet.

Nach der Wahl am 17. Dezember sollte es direkt nach Hause gehen, zum Skifahren nach Kärnten und zum Fest mit der Familie. Doch anstatt besinnlicher Zeit unter dem Christbaum gab es Zoff mit Serbiens Präsidenten. Nachdem Schieder in serbischen Medien Unregelmäßigkeiten bei der Wahl benannt hatte, bezichtigte ihn Aleksandar Vučić der Lüge. Premierministerin Ana Brnabić erhob den Vorwurf, der österreichische Sozialdemokrat destabilisiere Serbien. Rückendeckung bekam die Regierung vom russischen Botschafter in Belgrad. Der Westen plane einen Umsturz in Serbien, warnte er.

Andreas Schieder

Der Österreicher leitet die SPÖ-Delegation im EU-Parlament. Rund um den 17. Dezember war er als Wahlbeobachter in Serbien, um an einem OSZE-Bericht mitzuarbeiten. 

Ich wurde als käuflich und als Feind Serbiens dargestellt 

Andreas Schieder, EU-Abgeordneter

Ana Brnabić

Die Premierministerin Serbiens gilt als loyale Vučić-Vertraute. Nach der Wahl diffamierte sie zwie Wahlbeobachter aus Österreich als Lügner und warnte vor einer Destabilisierung Serbiens. 

Es ist ein Montag Anfang Jänner, als Schieder diese Geschichte erzählt. Er sitzt in einem kleinen Café im EU-Parlament. Die Flure sind leerer als sonst und die Büros zum Teil noch unbeheizt. Brüssel erwacht erst langsam aus den Winterferien.

Schieder leitet die SPÖ-Delegation im EU-Parlament und ist unter anderem Verhandlungsführer in einem Ausschuss über Desinformation. Jetzt wurde er selbst Opfer einer Hetzkampagne.

„Ich wurde als käuflich und als Feind Serbiens dargestellt“, sagt er. Dabei habe er nur seinen Job gemacht und an einem OSZE-Bericht zu den Wahlen mitgearbeitet. Dieser liegt seit dem 18. Dezember vor. Derzeit wird der Bericht mit Empfehlungen überarbeitet und soll im Februar in einer finalen Fassung erscheinen. Aber bereits das provisorische Papier ist auffallend klar und scharf. Es lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Die Wahlen in Serbien waren nicht fair, und es kam zu einer Reihe von Unregelmäßigkeiten.

Was ist da los in Serbien, ein Land, das der EU-beitreten will? Und was ist dran am Vorwurf der Manipulation? Um eine Frage auf diese Antwort zu finden, muss man nach Belgrad blicken, wo immer wieder Menschen auf die Straße gehen, aber auch nach Brüssel, von wo sich die Opposition Rückendeckung erhofft. Profil hat darüber hinaus mit Wahlbeobachterinnen und Wahlbeobachtern gesprochen, die am 17. Dezember vor Ort waren und ein interesantes Phänomen beobachten konnten. In Belgrad leben tausende, vielleicht sogar noch mehr Menschen an fiktiven Adressen. Man nennt sie auch: Geister Wähler. 

Franziska Tschinderle

Franziska Tschinderle

schreibt seit 2021 im Außenpolitik-Ressort. Studium Zeitgeschichte und Journalismus in Wien. Schwerpunkt Südosteuropa / Balkan.