Modi bei den Feiern im Roten Fort in Neu-Delhi
Superwahljahr 2024

Wahlen in Indien und Pakistan: Asiens Giganten rufen zu den Urnen

Die Parlamentswahlen in Indien und Pakistan sind auch für Europa relevant. Die Politologin Velina Tchakarova erklärt, warum.

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Wie wählt ein Land mit rund eineinhalb Milliarden Menschen ein neues Parlament? Eines ist schon im Vorfeld klar: Die Wahlen in Indien sind eine logistische Herausforderung. Mindestens vier Wochen werden sie im April und Mai in Anspruch nehmen, als Transportmittel für Beamte und Stimmzettel – es werden hunderte Millionen sein – kommen Elefanten zum Einsatz.

Alles deutet darauf hin, dass Indiens Premier Narendra Modi im Amt bestätigt wird. Den Wahlkampfauftakt absolvierte er Ende Jänner in der nordindischen Pilgerstadt Ayodhya. Dort erhebt sich auf rund 70 Hektar das neue Wahrzeichen des Hinduismus 50 Meter in die Höhe. Gebaut wurde der Tempel für mehr als 250 Millionen Dollar zu Ehren des Gottes Ram, der hier geboren sein soll.

Auf dem Grundstück stand ursprünglich eine Moschee aus dem 16. Jahrhundert, nach langem Streit wurde sie im Jahr 1992 von einem hinduistischen Mob zerstört. Bei den folgenden Unruhen starben rund 2000 Menschen, die meisten davon Muslime. Unter den zahlreichen Gläubigen, die damals Geld für den Bau des Hindu-Tempels in Ayodhya sammelten, war ein junger Mann namens Narendra Modi.

Umso größer war mehr als 30 Jahre später Modis Triumph bei der Eröffnung des – nicht ganz fertig gebauten – Tempels. Für Modis Partei, die hindu-nationalistische BJP, war es der ideale Startschuss für den Wahlkampf. Zwar ist Indien offiziell ein säkulares Land, doch Modi, seit zehn Jahren im Amt, hat den Hinduismus de facto längst zur Staatsreligion erklärt.

Die Eröffnung des neuen Tempels in Ayodhya

Für Indiens Muslime, mit rund 200 Millionen Menschen die weitaus größte Minderheit im Land, hat sich die Lage verschärft. „Bulldozer Justice“, also der behördliche Abriss von Häusern ohne Verfahren, sind keine Seltenheit; immer wieder kommt es zu Lynchmorden an Muslimen, denen etwa das Schlachten von Kühen vorgeworfen wird.

Antrittsverbot für Ex-Cricket-Weltmeister

Im mehrheitlich muslimischen Pakistan starten die Parlamentswahlen bereits am 8. Februar. Das 230-Millionen-Einwohner-Land steckt seit Jahren in der politischen Krise. Nach einem Misstrauensvotum wurde Premier Imran Khan 2022 abgesetzt, wegen Korruption angeklagt und inhaftiert. Vergangene Woche wurde er erneut zu zehn Jahren Haft verurteilt.

Pakistans Ex-Regierungschef Imran Khan

Als Interim übernahm 2022 Shebaz Sharif, der Bruder des Ex-Premiers Nawaz Sharif. Letzterer ist nun aus seinem Londoner Exil zurückgekehrt und tritt noch einmal an. 

Gegen ihn dürfte die PTI-Partei von Khan diesmal kaum eine Chance haben. Antreten darf der ehemalige Cricket-Weltmeister nicht. Und auch seiner Partei PTI wurde die Kandidatur de facto verboten: Sie darf keine Symbole auf Wahlzetteln verwenden, weshalb Mitglieder dazu gezwungen sind, als Unabhängige anzutreten.

Was das alles mit Europa zu tun hat und wieso vor allem Indien global eine immer wichtigere Rolle einnimmt, erklärt die Politologin Velina Tchakarova im Interview mit profil.

Wieso sollte man sich in Europa für die Wahlen in Indien interessieren?
Tchakarova
Europas Volkswirtschaften sind exportorientiert, das gilt vor allem für Österreich. Unsere Verbindungen mit der Welt sind existenziell. Und in Südost- und Südasien, allen voran in Indien, wird sich ein enormes Wirtschaftswachstum zeigen – und damit auch Möglichkeiten für Europa und Österreich.
Wie stark ist Indiens Wirtschaft?

Indien kann vieles leisten, aber der Erfolg Chinas lässt sich nicht wiederholen.

Tchakarova
Weltweit liegt Indien auf dem fünften Platz, voriges Jahr hat es das Vereinigte Königreich überholt. Noch in diesem Jahrzehnt wird Indien zur Weltwirtschaftsmacht Nummer drei aufsteigen. In der kommenden Amtszeit Modis muss die EU ein Freihandelsabkommen mit Indien abschließen. Indien ist aber auch aus demografischen Gründen relevant für uns, auch, wenn man das in Österreich möglicherweise nicht hören will: In Europa ist die Geburtenrate rückläufig, das wirkt sich negativ auf den Wohlstand aus. Es braucht also geregelte Migration auch aus diesen Regionen, wo es viele junge Arbeitskräfte gibt. Gerade mit Blick auf die Digitalisierung gibt es in Indien Potenzial. Frankreich und Deutschland haben beschlossen, Studierende aus Indien aufzunehmen. Wir werden uns der Region auf die eine oder andere Weise öffnen müssen.
Siobhán Geets

Siobhán Geets

ist seit 2020 im Außenpolitik-Ressort.