Klimapolitik

Wie die Rechten das Klima erobern

In der Frage des Klimawandels standen rechtspopulistische Parteien lange Zeit auf dem falschen Fuß. Mittlerweile haben sie eine Strategie ausgearbeitet, um das Thema für sich zu nutzen. Eine Darstellung ihres Plans in fünf Punkten.

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1. Schluss mit Leugnen

Lange Zeit war die Position rechtspopulistischer Parteien zum Thema Klimawandel sehr simpel: Wenn es ihn überhaupt gebe, dann sei jedenfalls nicht bewiesen, dass der Mensch dafür Mitverantwortung trage. 2016 etwa sagte Frauke Petry, die damalige Vorsitzende der Alternative für Deutschland (AfD), in einem Interview mit dem Online-Medium „Jung & Naiv“, es sei nicht notwendig, „das Schreckgespenst eines menschengemachten Klimawandels an die Wand zu malen“. Auch der frühere FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache behauptete noch 2018 zur Frage der Klimaveränderung, „die Wissenschaft weiß noch nicht, wohin wir uns entwickeln“. Eine Studie der Denkfabrik „adelphi“ analysierte 2019 die Positionen rechtspopulistischer Parteien in Europa und kam zu dem Schluss, dass diese sich in drei Gruppen einteilen ließen: Die erste leugnet den vom Menschen verursachten Klimawandel; die zweite ignoriert das Thema; und nur die dritte (und kleinste) spricht sich für Klimaschutz aus.

Heute, vier Jahre später, ist das ganz anders. So gut wie alle rechtspopulistischen Parteien haben in jüngster Zeit – ausgesprochen oder unausgesprochen – ihre Position zum Klimawandel geändert. Am deutlichsten ist das bei der französischen Rechtsaußen-Partei Rassemblement National von Marine Le Pen zu erkennen. Um sich eine prinzipielle Glaubwürdigkeit beim Thema Klima zu sichern, versucht die Partei, allen Funktionären einzutrichtern, dass Leugnen zwecklos und vor allem politisch kontraproduktiv sei. Le Pen selbst, deren Vater und Vorgänger als Parteivorsitzender Jean-Marie Le Pen als unbeugsamer Klimawandelleugner bekannt ist, legte in öffentlichen Aussagen jeglichen Zweifel daran ab, dass die vom Menschen verursachten CO2-Emissionen schuld an der Erwärmung des Planeten seien.

Auch FPÖ-Chef Herbert Kickl verzichtete beim ORF-„Sommergespräch“ am vergangenen Montag darauf, zu behaupten, die Wissenschaft sei noch „auf der Suche nach den Faktoren“ für den Klimawandel, wie er das noch im „Sommergespräch“ 2022 formuliert hatte. Zwar finden sich auch jetzt noch vereinzelte Aussagen von Rechtspopulisten, die den Klimawandel leugnen, doch strategisch hat diese Position ausgedient.

2. Die Tragweite relativieren

Auf die Aussage, wonach die wesentliche Ursache des Klimawandels der Mensch sei, folgt umgehend eine Abschwächung: Das Ausmaß des Problems sei übertrieben. Marine Le Pen kritisiert etwa den Weltklimarat (IPCC), der den jeweiligen Stand der Wissenschaft zusammenträgt: Dieser sei „sehr, sehr alarmistisch“, urteilt Le Pen. Auch Kickl nannte den Weltklimarat im „Sommergespräch“ spöttisch die „Glaubenskongregation der ganzen Klimadebatte“ und behauptete, dieser würde jeweils „das unwahrscheinlichste Worst-Case-Szenario auswählen“. Steffen Kotré, der energiepolitische Sprecher der AfD, machte sich wiederum in der ZDF-Diskussionssendung „Markus Lanz“ über die „Hysterie“ lustig, die er in der Klima-Berichterstattung ortet: „Wenn ich das Fernsehen anmache, dann habe ich immer das Gefühl, morgen fällt uns der Himmel auf den Kopf, und es ist ganz schlimm und wir müssen sofort auf den nächsten Planeten.“

Zur Strategie des Kleinredens passt auch der Hinweis, dass die Emissionen, die im eigenen Land ausgestoßen werden, lediglich einen winzigen Bruchteil des weltweiten Volumens betragen. Das ist eine Binsenweisheit, denn gleichzeitig ist der Pro-Kopf-Ausstoß in Österreich weit höher als in weniger industrialisierten Staaten.

Auf diese Weise untergraben die Rechten die Versuche anderer Parteien, der Bevölkerung die Dringlichkeit von Klimamaßnahmen klarzumachen, und schaffen damit so die Voraussetzung für ihre eigene Version von Klimapolitik.

3. Bloß keine einschneidenden Maßnahmen!

Haben die Rechts-Parteien die Berechnungen der Klimaexperten und die Vorgaben der Pariser Klimakonferenz erst einmal als „Hysterie“ denunziert, können sie das propagieren, was sie Klimapolitik „mit Hausverstand“ (Zitat Kickl) oder, fast wortgleich „mit gesundem Menschenverstand“ (Le Pen) nennen.

Diese zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie sich nicht an den Anforderungen orientiert, die zum Erreichen der 1,5-Grad-Celsius-Grenze nötig wären, die von der Pariser Klimakonferenz beschlossen wurde. FPÖ-Chef Kickls Hausverstand sagt, dass der Ausbau erneuerbarer Energien durchaus wünschenswert sei, aber „nicht übers Knie gebrochen“ werden dürfe.

Die Reaktion rechter Parteien auf umfassende Vorschläge zur Klimarettung fällt dementsprechend immer gleich aus: „exzessiv und unleistbar“ nannte etwa der niederländische Rechts-Politiker Geert Wilders (Partei für die Freiheit) ein Klimapaket der Regierung im April dieses Jahres.

Um nicht ganz konzeptlos dazustehen, haben die Rechtspopulisten auch Vorschläge, wie sie den Klimawandel bekämpfen wollen. Die AfD propagiert die Rückkehr zur Atomenergie, das Rassemblement National deren Ausbau. Und Letztere setzen etwas vage auf „technologische Lösungen“. Es mag paradox anmuten, aber die Rettung des Klimas steht nicht im Zentrum der rechten Klimapolitik. Was aber dann?

4. Der Kampf gegen die urbane Elite

Die Klimapolitik galt lange als unschlagbarer Trumpf grüner und progressiver Parteien. Sie setzen darauf, dass die Bevölkerung unter dem Eindruck einer drohenden Klimakatastrophe möglichst effiziente Maßnahmen zur Verringerung der Emissionen befürwortet und deshalb auch die Parteien wählt, die genau das vorschlagen.

Doch hier setzt die Gegenstrategie der Rechten an. Sie sehen in der Debatte um das Klima eine Chance, den Unmut der Leute am Land und in der Peripherie gegenüber der städtischen, progressiver eingestellten Bevölkerung zu schüren. Während die erdverbundenen Menschen klaren Kopf und eine pragmatische Haltung gegenüber der Problematik behielten, grassiere im urbanen Raum eine „technokratische Bobo-Ideologie“, so ein RN-Politiker. Und dahinter stecke – wie fast immer in der rechtspopulistischen Analyse – die „Elite“.

Die „selbst ernannten Eliten“ nennt Herbert Kickl als Feindbild, oder auch die „europäischen Eliten“, die fernab von den betroffenen Menschen „von oben herab“ Zwangsmaßnahmen beschließen. Die Rechtspopulisten sehen sich auch in der Klimadebatte als Verteidiger des kleinen Mannes, in diesem Fall der Autofahrer, der Pendlerinnen oder auch der Bauern, die auf den Pestizid-Einsatz nicht verzichten wollen.

Die Elite hingegen wird als diktatorische Macht imaginiert, die mittels Verboten in die Lebensweise und den Alltag des Volkes eingreife, um eine düstere, neue Verbotsgesellschaft zu errichten: ohne Privatautos, ohne Fleisch, ohne Urlaubsflüge.

Dabei kommen den Rechten die Aktionen der Klimaaktivisten durchaus gelegen. Wenn diese symbolisch Kunstwerke besprühen, sich auf Straßen oder Flughäfen festkleben oder wie zuletzt in Schottland ein Rennen der Radweltmeisterschaft sabotieren, dann taugt diese Radikalität winziger Gruppen als Beleg dafür, wie fundamentalistisch die ganze Klimabewegung sei.

Vieles an dieser Strategie erinnert an die – ausreichend erprobte – Argumentation der Rechtspopulisten in der Migrationsfrage. Auch da stellen sie sich als Verteidiger der Betroffenen dar, die unter einer Massenzuwanderung litten, während eine abgehobene, urbane Elite von einer grenzenlosen Gesellschaft träume.

Tatsächlich glaubt Marine Le Pen, die Klimafrage von einem Handicap für ihre Partei in ein Wahlkampfargument verwandeln zu können. In den Niederlanden führte Parteichefin Caroline van der Plas die erst 2019 gegründete Bauern-Bürger-Bewegung bei den Senatswahlen im vergangenen März bereits auf Platz eins. Ihr Wahlschlager: die Verteidigung der Bauern gegen Pläne der Regierung, Emissionen und Stickstoffeinsatz in der Landwirtschaft zu reduzieren. Die Umwelt war das bestimmende Thema – und es nützte den Rechten.

5. Die Warnung vor den Kosten

„Greta Thunbergs Ideologie wird uns so weit bringen, dass wir in Europa Tausende Unternehmen und Millionen Jobs verlieren!“ Das sagte Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, die den „Klima-Fundamentalismus“ der EU anprangert, der den Kontinent in die Abhängigkeit von China führe. FPÖ-Chef Kickl argumentiert ident. Die „Komplettumstellung des Systems“ auf erneuerbare Energie werde „unsere Wirtschaft zerstören und uns von den Chinesen abhängig machen“.

Damit vermengen Meloni und Kickl die weitreichenden Forderungen der schwedischen Klimaaktivistin Thunberg mit den wesentlich moderateren Plänen der EU und zeichnen ein Szenario, das nicht der Realität entspricht. Doch weil Vorhaben wie der „European Green Deal“ tatsächlich riesige Summen bewegen (sollen), können die Rechtspopulisten mit solchen Warnungen punkten. Die Leute, die sie mit diesem Punkt ansprechen, wählen üblicherweise konservativ – wieder ein Bonus in der rechten Klima-Strategie.

Fazit: Der „Greenlash“

Die Gegenbewegung zur Klimapolitik, wie wir sie bisher kennen, hat bereits einen Namen: „Greenlash“, eine Kombination aus den Begriffen „Green“ und „Backlash“. Der Aufstieg der grünen Parteien, der sie – auch dank des Klimathemas – in Deutschland und in Österreich in die Regierung katapultiert hat, ist gestoppt. Die Rechtspopulisten hingegen sind im Vormarsch. Die FPÖ liegt in Umfragen auf Platz eins, Marine Le Pen ebenso, Meloni ist bereits an der Regierung, die AfD ist auf den zweiten Platz hinter der CDU/CSU vorgestoßen … Wechselt der Klimawandel als Wahlschlager tatsächlich die Seite? Zumindest bei einem Teil der Bevölkerung verfängt die Strategie der Rechtspopulisten. Die Parteien, die den Klimawandel ernsthaft bekämpfen wollen, benötigen dringend eine Gegenstrategie.

Robert   Treichler

Robert Treichler

Ressortleitung Ausland, stellvertretender Chefredakteur