Der amtierende Vorstandvorsitzende Guo Ping

In der Höhle des Drachen: Wie Huawei um sein Image kämpft

Der chinesische Technikriese Huawei will Marktführer beim neuen Mobilfunkstandard 5G werden. Die USA und einige Verbündete sehen das nicht nur als wirtschaftliche, sondern auch als politische Bedrohung. Mit einer Imagekampagne will Huawei nun gegensteuern, und lud Journalisten nach China.

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"Der Leuchtturm wartet auf die Rückkehr des späten Bootes", das späte Boot, damit ist Huawei-Finanzchefin Meng Wanzhou gemeint. Die Botschaft findet sich momentan auf jedem Kaffeebecher, den man im Huawei-Hauptquartier in der chinesischen Sonderwirtschaftszone Shenzhen bekommt. Am 1. Dezember wurde die Tochter des Firmengründers Ren Zhengfei in Kanada verhaftet. Die USA wollen ihre Auslieferung – wegen einer angeblichen Umgehung der Sanktionen gegen den Iran durch Huawei.

"Dort hat sie früher gearbeitet" erklären zwei PR-Managerinnen leicht betreten, als der Bus mit Journalisten aus Österreich am klobigen Finanzgebäude des Firmencampus vorüberfährt. Meng ist eine von vielen Schachfiguren in einem veritablen Handelskrieg, der zwischen den USA und China ausgebrochen ist. Huawei ist mittlerweile der größte Netzwerkausrüster der Welt und Nummer zwei bei Smartphones hinter Samsung und vor Apple. Nun will die Firma auch bei der weltweiten Einführung des Mobilfunkstandards 5G eine Vorreiterrolle einnehmen. Kein anderes Unternehmen hat so viele Patente in diesem Bereich – über 13 Milliarden Euro investierte der Konzern 2018 in Forschung und Entwicklung. 23 5G-Verträge will Huawei in Europa schon abgeschlossen haben, das wurde kürzlich erstmals verkündet, mit welchen Ländern will die Firma aber noch nicht bekanntgeben.

Einige Regierungen – allen voran die USA unter Präsident Donald Trump – trauen dem Technikriesen nicht. Huawei und das ebenfalls chinesische Unternehmen ZTE wurden 2012 vom US-amerikanischen Markt verbannt. Zu groß ist die Angst vor Softwarefehlern und Hintertüren in Huaweis Equipment, die letztlich der Kommunistischen Partei Spionage ermöglichen könnten. Vorwürfe, die Huawei zurückweist – die aber deutlich am Image der Firma kratzen.

Guo Ping sieht die Kritik an Huawei vor allem politisch motiviert: "Sobald die Marktführenden nicht aus den USA stammen, wird die US-Regierung sie angreifen und auch bei ihnen Fehler finden", der amtierende Vorstandvorsitzende von Huawei verteidigt sich im holzgetäfelten Besprechungsraum in jenem Teil des Campus, der der Führungsebene vorbehalten ist. Dass das Interview ein seltenes Privileg ist, wird den Journalisten schon zuvor eingebläut, ebenso welche Fragen optimal für den Vorsitzenden wären. In Rahmen einer Image-Offensive wurden dutzende Medienvertreter aus der ganzen Welt nach China eingeladen, darunter auch profil.

Im futuristischen, in weiß gehaltenen Showroom drängen sich Besucher vor großen Bildschirmen. Firmensprecher Joe Kelly zeigt Journalisten Anwendungen der Huawei-Technologien. Um die Gesichtserkennung macht er anfangs einen Bogen, rein zufällig, wie er auf Nachfrage beteuert. Mit welchen Fotos diese entwickelt wurde, bleibt dann aber ebenso ein Geheimnis wie die Einstellung der Firma zum Sozialkreditsystem, das in China eingeführt werden soll. Wenn es um Daten geht, werden Fragen ganz schnell abgewürgt. Huawei stelle nur die Technik zur Verfügung, so Kelly, was mit den Daten passiere, darauf habe die Firma keinen Einfluss. Ganz in die Karten schauen lässt sich der Konzern nicht.

Damit Staaten ihre 5G-Infrastruktur auf Huaweis Produkten aufbauen, braucht es aber Vertrauen. Die Verbindungen zur Kommunistischen Partei sind für viele ein rotes Tuch. "Unsere Beziehung zur chinesischen Regierung ist dieselbe, wie zu jeder anderen Regierung", versucht Kelly zu relativieren. Alle Konzernanteile seien in Privateigentum, ein großer Teil davon gehöre den Mitarbeitern, erklärt Kelly. Huawei sei also nur sich selbst Rechenschaft schuldig. Dass der Firmenchef vor der Gründung Militärtechnologe in der chinesischen Volksbefreiungsarmee war und auch das Unternehmen nach den Prinzipien der Kommunistischen Partei organisiert ist, wird als landesüblich abgetan. "Wenn die chinesischen Gesetze ein Problem sind, sollten sie ein Problem für alle Firmen sein, die in China arbeiten", kritisiert Kelly. Seit der Verhaftung Meng Wanzhous schreibt der Ire Überstunden. "Westliche Handys werden alle in China gemacht, sie müssten also ein ähnliches Risiko darstellen", meint auch John Suffolk, Huaweis Cybersecurity-Chef.

Als Risiko sehen Huawei-Kritiker vor allem Chinas Cybersicherheitsgesetz, das Telekommunikationsunternehmen auf Veranlassung der chinesischen Regierung zwingen könnte, Daten weiterzugeben. Huawei sieht sich als Equipment-Hersteller weder betroffen, noch sei der Einbau von Hintertüren in ihre Produkte möglich. Könnte sich die Firma aber wirklich wehren, sollte die chinesische Regierung jemals Kooperation einfordern?

"Eher würden wir schließen, als den Interessen unserer Kunden zu schaden", beteuert CEO Ren Zhengfei immer wieder in Interviews. Ein wenig glaubhaftes Versprechen, angesichts des Erfolgs seines Konzerns: 95,5 Milliarden Euro konnte Huawei 2018 umsetzen - 19,5 Prozent mehr als 2017. "Kunden kaufen von Unternehmen, denen sie vertrauen, und sie vertrauen uns", so Cybersecurity-Chef John Suffolk, der im Konzern ein Veto-Recht in Sachen Produktsicherheit hat. Drei Mal musste Suffolk 2018 die Notbremse ziehen, 2013 war es noch 58 Mal. 1500 Sicherheitsmitarbeiter prüfen Huaweis Produkte und Software unter dem Motto "Assume nothing, believe no one, check everything" ("Setze nichts voraus, glaube niemandem, überprüfe alles") auf Fehler.

Im "Cyber Security Lab", zu dem Journalisten erstmals Zugang erhielten, gab es dann aber doch wenig mehr zu sehen als "cubicles", uniforme Arbeitsnischen, in denen die Mitarbeiter ihren Dienst versehen. In einem kahlen Raum übersetzen Dolmetscher für Journalisten die Präsentation über Huaweis Bemühungen zur Cybersicherheit: Rund zwei Milliarden Euro will der Konzern in den nächsten Jahren dafür ausgeben. Dass es noch keinen konkreten Plan für Verbesserungen gäbe, kritisiert der britische Geheimdienst. Premierministerin Theresa May ordnete zuletzt den Ausschluss von Huawei von zentralen Elementen des britischen 5G-Netzes an.

Suffolk, der zuvor die britische Regierung beriet, sieht die momentane Situation als Chance: "Die Verkäufe gehen bei Kritik nach oben." Trotzdem will man mehr Transparenz schaffen, vor allem in Europa, das im Handelsstreit noch als neutral wahrgenommen wird. In Brüssel wurde Anfang März ein Cybersicherheits-Zentrum eröffnet, in dem Kunden Einblick in Huaweis Codes bekommen sollen.

Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck, Huawei Rotating Chairman Guo Ping, Bundeskanzler Sebastian Kurz,

Das Europa für Huawei eine besondere Rolle spielt, zeigt sich auch am brandneuen "Ox Horn Campus" in Dongguan. Ausgerechnet jene Firma, der immer wieder vorgeworfen wurde, sie würde westliche Technologie kopieren, hat sich hier eine kleines Europa nachgebaut. Gearbeitet wird in "Paris", gegessen in "Verona". Ein Wien gibt es noch nicht, in Österreich will man aber weiterhin investieren. Bedenken gegenüber Huawei gäbe es in Österreich "nicht in diesem Ausmaß", ließ Infrastrukturminister Norbert Hofer Ende Jänner aufhorchen. Im September vergangenen Jahres traf der amtierende Vorstandvorsitzende Guo Ping Bundeskanzler Sebastian Kurz. Dieser sieht Huaweis Präsenz in Österreich "zu unserem gegenseitigen Vorteil".

profil war auf Einladung von Huawei vor Ort.