Wir alle finanzieren Putin-Propaganda
Guten Morgen!
Es war schon einmal leichter, als Versteher von Russlands Präsidenten Wladimir Putin aufzutreten. Angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine, angesichts von Bildern zerbombter Wohnblöcke, gesprengten Fernsehtürmen und dem Leid von hunderttausenden Flüchtlingen, ist es schwierig geworden, ein russlandtreues Narrativ zu finden.
Und doch gibt es in Österreich verschwörungstheoretische Medienprojekte, die versuchen, die Aggressionen Russlands mit Propagandamärchen zu rechtfertigen. Beunruhigend daran: Diese Medien wurden direkt oder indirekt mit Steuergeld subventioniert.
Während russische Truppen die ukrainische Hauptstadt Kiew in die Zange nehmen, kämpfen diese Medien für Putin an der Front der Deutungshoheit – und betreiben Täter-Opfer-Umkehr. Der oberösterreichische Fernsehsender AUF1, der seit dem Vorjahr vom Rechtsextremen Stefan Magnet betrieben wird und auf Telegram 190.000 Follower versammelt, behauptet: Der russischen Invasion wären mehrere Angriffe der Ukraine vorausgegangen. Belege bleibt das Medium schuldig. AUF1 lässt Menschen zu Wort kommen, die unwidersprochen erklären, Putin hätte „keine andere Wahl“ gehabt. Westliche Regierungschefs – der Sender nennt sie „Globalisten“ – würden „Kriegshetze“ betreiben und wären bereit, die Ukraine in einen „Trümmerhaufen zu verwandeln“. Und natürlich verteufelt der Sender jede Solidarisierung mit der Ukraine: Europas Politikern würden entweder „aus reiner Dummheit agieren“ oder „Befehlen“ von dunklen Mächten folgen, behauptete der AUF1-Moderator in der Sendung vom 1. März über die Sanktionen gegen Russland.
Wie sich der Sender finanziert, ist unklar. Fest steht: Chefredakteur Magnet profitierte von öffentlichen Geldern. Der Mastermind hinter AUF1 hat nach seiner Sozialisierung in einer rechtsextremen Jugendorganisation eine Werbefirma gegründet – die MS Medienlogistik. profil-Recherchen im Vorfeld der oberösterreichischen Landtagswahl 2021 belegen, dass Magnets Unternehmen Aufträge von freiheitlichen Landesräten bekam und für die FPÖ-Landespartei Werbevideos produzierte. Wie viel Geld genau floss, hält das Land geheim.
Bestätigt ist dagegen, dass freiheitliche Landesräte in der vergangenen Legislaturperiode mehr als 100.000 Euro an Inseratengeldern in den rechten „Wochenblick“ aus Linz pumpten, einer Regionalzeitung im Umfeld der Partei, die eine reichweitenstarke Website betreibt. Und fleißig Verschwörungstheorien zum Ukraine-Krieg verbreitet. Den europäischen Eliten käme der „Krieg jedenfalls mehr als gelegen“, denn dadurch könnten die Staatschefs unbemerkt weiter am „Great Reset“ zimmern. Diese Verschwörungstheorie, die während der Pandemie unter Corona-Leugnern populär wurde, besagt, dass „Globalisten“ eine Neuordnung der Wirtschaftsordnung anstreben würden, die noch mehr Macht zu den Konzernen verschieben würde. (Das ist natürlich Schwachsinn, zur Sicherheit verlinken wir hier einen Faktencheck des Bayrischen Rundfunks zum Thema.)
Der „Wochenblick“ kritisiert in einem aktuellen Artikel auch die Entscheidung der EU-Kommission, russische Staatsmedien in Europa zu verbieten. RT Deutsch, der deutschsprachige Ableger des russischen Staatssenders „Russia Today“ ist das bekannteste Beispiel dafür, wie der Kreml seine eigene Weltsicht exportiert – und mit Desinformation den öffentlichen Diskurs in europäischen Staaten beeinflusst. Jedes Thema, das dazu beitragen kann, Regierungen zu destabilisieren und innereuropäische Konflikte anzuheizen, ist willkommen: Zuletzt fiel RT Deutsch mit falschen und irreführenden Informationen zur Corona-Pandemie auf und wurde damit zu einer Anlaufstelle für Maßnahmenkritiker.
Der „Wochenblick“ urteilt über RT: „Wo der gekaufte Mainstream wegschaut, macht ‚Russia Today‘ oft auf Missstände in Europa aufmerksam, die sich die Regierungsmedien niemals aufzuzeigen trauten.“
Ein schneller Reality Check zeigt: RT Deutsch verbreitete noch vor sechs Tagen eine Propagandameldung des russischen Verteidigungsministeriums mit der Headline: „Ukrainischen Zivilisten droht nichts, greifen keine Städte an“. Inzwischen sollen mehr als 2000 Zivilisten getötet worden sein und mindestens 800.000 Ukrainer vor den Bomben auf der Flucht sein. Über ein paar von ihnen berichtet mein Kollege Thomas Hoisl derzeit von der ukrainisch-slowakischen Grenze. Garantiert Propaganda-frei.
Jakob Winter
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